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„Nur“ Musik zu verlegen war dem Musikproduzenten Stefan F. Winter schon immer zu wenig. Die Inspiration für seine Arbeit zog er stets aus der Zwiesprache mit anderen Künsten. Zu was für außergewöhnlichen Ergebnissen er und seine Musiker dabei immer wieder kommen, zeigt ein Blick in den CD-Katalog von Winter & Winter. Oder noch besser ein Besuch in seiner Galerie am Pündterplatz in München-Schwabing: Ein Ambiente wie in einer Kunstgalerie, weiße Wände, ein Klavierhocker steht allein in einer Ecke, Bilder und Grafiken an der Wand. Obwohl, mitten im Raum entdeckt man erst auf den zweiten Blick das Herzstück der Galerie: ein Tisch, auf dem die neuesten CDs präsentiert werden; keine davon in einer profanen Plastik-Box, sondern in einer speziellen, von Winter für sein Label entwickelten Karton-Verpackung. Eine Winter & Winter-CD ist leicht zu erkennen: die Hülle aufwändig künstlerisch gestaltet, das Innenleben besteht nicht nur aus der Compact Disc, sondern ist reich an Fotos, Texten, Zeichnungen, Grafiken. In dem Schwabinger Präsentationsraum stehen sie also, die genreübergreifenden Ergebnisse vieler Künstler-Begegnungen, wie etwa von Uri Caine mit Mahler, Wagner oder Schumann, von Lorenzo und Vittorio Ghielmi mit alter Musik, von dem Cellisten Ernst Reijseger mit dem Jazz. Auf CD-Format gespeicherte Gesamtkunstwerke sind Winters Hörfilm-CDs, darunter Besuche im Bordell (Au Bordel), im Schweizer Traditionshotel Waldhaus Sils-Maria, im Orient Express, auf dem Markusplatz in Venedig (gemeinsam mit Venedig-Liebhaber Richard Wagner) oder auf dem Planet der Instrumente mit der „kleinen Trompete“. Das nüchterne Ambiente des Tonstudios ist eine Seite von Winters
Schaffen, die lebendige Welt von Konzert, Theater und Ausstellung die
andere. Gemeinsam mit Festspiel +, dem experimentellen Ableger der Münchner
Opernfestspiele, produziert er im Juli eine improvisierte Cabaret-Oper,
„Der Kastanienball“, im Prinzregententheater. Die Oper beginnt
spektakulär: an der Theaterauffahrt findet eine Bücherverbrennung
statt, der florentinische Mönch Savonarola wird Bildbände des
japanischen Künstlers Nobuyoshi Araki und anderer Künstler verbrennen.
So wie er zwischen 1490 und1498 auf der Piazza della Signoria in Florenz
neben Luxusgegenständen der reichen Städter auch anzügliche
Gemälde unter anderem seines Freundes Botticelli verbrannt hatte.
Machiavelli alias Wolfram Berger führt durchs Geschehen, von dem Sie, lieber Jazzzeitungsleser, jetzt zurecht wissen wollen, was das alles mit Jazz zu tun hat. Lassen Sie die Musik ins Spiel kommen. Winters Cabaret-Oper lebt von der improvisatorischen Kompetenz der Akteure. Steve Bereford (Hammondorgel), Ernst Reijseger (Cello), Herb Robertson (Trompete) sind herausragende Jazz-Solisten – und Vittorio Ghielmi, Chef des Quartetto Italiano di Viole da Gamba, steht seinen Kollegen in punkto Offenheit um nichts nach – er war der eigentliche Ideengeber für Stefan Winter gewesen, da ihn seit langem schon die Zusammenarbeit seines Gambenquartetts mit Jazzmusikern gereizt hatte. Auch die Behandlung der Musiken von Carlo Gesualdo, Jacques Offenbach, Antonio Vivaldi, Richard Wagner, Kurt Weill und anderen ist dem Jazz entlehnt. Da wird adaptiert, umgeschrieben, zitiert und neu arrangiert was das Zeug hält. Und dass das ausgewählte musikalische Material das aushält, zumindest wenn sich Improvisatoren dieser Kategorie an die Arbeit machen, ist keine Frage. Ein Restrisiko des Scheiterns bleibt immer bei einem derart avancierten Kunstprojekt, das selbst im experimentellen Umfeld von Festspiel + provokant wirkt. Stefan Winters Absicht zielt auf’s Wesentliche: „Es sollte möglich sein, die Bühne des Prinzregententehaters in einen richtigen Kastanienball zu verwandeln.“ Andreas Kolb
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