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Auf einigen Fotos sieht man ihn gänzlich versunken ins Spiel, geradezu abtauchend ins Piano. Bei aller nuancenreichen Leichtigkeit seines Anschlags, beeindruckte er durch Tiefgang. Bill Evans, der große Romantiker des Jazz, erwies sich zugleich als ein Pianist mit scharfsinnigen Verständnis struktureller Zusammenhänge. In seiner Art, Intuition und Bewusstsein für Form zu kombinieren, blieb er unnachahmlich. Ein Tross von Epigonen versuchte es ihm gleichzutun und streifte allemal nur die Oberfläche.
Vertraut mit der Musik der europäischen Klassik und Moderne wie auch mit der Geschichte des Jazzpianos, machte sich der in New Jersey aufgewachsene Bill Evans 1955 mit 75 Dollar in der Tasche auf nach New York. Er hat Glück und mit einem Übermaß an Talent landet er an der Spitze. Nach Engagements bei Tony Scott, Gunter Schuller, George Russell und Charles Mingus holte ihn 1958 Miles Davis in seine Band. Acht Monate spielte er mit Miles – eine Zeit, in der sich die beiden gegenseitig herausforderten und inspirierten. Auch für die Aufnahmen für „Kind Of Blue“, die im Frühjahr 1959 entstanden, wollte Miles Davis auf den feinsinnigen Pianisten nicht verzichten. „Bill spielte mit diesem ruhigen, gleichmäßigen Feuer, das mir bei Pianisten so gefällt“, kann man in der Autobiographie von Miles nachlesen. Und weiter: „Wenn er Klavier spielte, hatte man das Gefühl, als würde ein klarer Wasserfall aus kristallklaren Noten und glitzerndem Sprühnebel herabstürzen.“ Selten scheint das Wort „kongenial“ auf solche Weise zutreffend, wie auf die kurzzeitige Symbiose von Miles Davis und Bill Evans. Auch wenn sich Miles allen Schmähungen zum Trotz für seinen weißen Pianisten einsetzte, so dürfte der hochsensible Evans doch darunter gelitten haben, nicht vollends akzeptiert worden zu sein. Außerdem drängte es ihn, seine eigenen Visionen klingende Realität werden zu lassen. Nachdem er bereits 1956 eine erste Trio-Platte unter eigenem Namen veröffentlicht hatte, begann er 1959 einen langzeitig angelegten Arbeitsprozess, der das Klavier-Trio im Jazz völlig neu definieren sollte. Mit Scott LaFaro am Bass und Paul Motian am Schlagzeug entstand eine Formation, die in dichter musikalischer Interaktion über die unausgesprochenen Barrieren zwischen Solospiel und Begleitfunktion genial hinwegspielte. „Integration“ heißt die Zauberformel für diese Unternehmungen, wobei Evans eine faszinierende Symbiose aus Personalstil und Gruppenklang gelang. Mit den „Village Vanguard Sessions“ von 1961 lief das Trio zur Hochform auf. Elf Tage später starb der Bassist Scott LaFaro bei einem Autounfall. Als Bill Evans seinem Spielideal denkbar nahe zu sein glaubte, wurde sein engster musikalischer Weggefährte jäh aus dem Leben gerissen. Evans zog sich monatelang aus der Szene zurück. Auch später hat der Übersensible an seiner eigenen Empfindsamkeit gelitten und zudem jener Sucht nach Drogen nachgegeben, die ihn schließlich umbrachte. Er starb 51-jährig, im September 1980 in New York. Den oft schwierigen oder gar widrigen Lebensumständen zum Trotz perfektionierte Bill Evans die mit seinem „klassischen Trio“ entwickelte Spielkonzeption – in Besetzungen mit wechselnden, stets erstklassigen Bassisten und Schlagzeugern. Bereits lange vor Ausbrechen des Free Jazz erwies er sich als ein stiller Revolutionär, der dem Jazz neue Freiheiten erspielte, indem er sich von den konventionellen Schemata der Improvisation löste und die Essenzen der jeweiligen Stücke freilegte. Es gehe ihm darum, formulierte er mit erstaunlicher Prägnanz, „in das Material einzudringen, um von innen heraus immer freier mit ihm umzugehen.“ Nicht spektakulär, dafür aber nachhaltig wirkend und unter der Oberfläche brennend, hat Bill Evans dem Jazz eine neue Sinnlichkeit des Klanges erschlossen. Bert Noglik Mit freundlicher Genehmigung von Triangel
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