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„Und nun zu etwas ganz anderem“ – den geflügelten Spruch des Monty-Pythons-Komikers John Cleese könnte auch der Pianist Martin Schmitt in seine Auftritte einbauen. Was bemerkenswert ist bei einem Jazzer, der nach eigenem Be-kenntnis den alten Stilen huldigt. Doch Schmitt war es schon immer zu langweilig, die Blues-, Boogie- und Stride-Schemata bloß zu reproduzieren. Das Early Jazz Piano sei noch lange nicht ausgereizt, behauptet er seit jeher, und den Beweis führt er von Auftritt zu Auftritt und von CD zu CD: nicht nur, dass Schmitt die Klassiker des Jazz-Pianos von Fats Waller bis Teddy Wilson stets eigenem Stilwillen und kontinuierlicher Neuentdeckung unterwirft, Zug um Zug hat er ihnen geschmackvollen Adaptionen moderner Songwriter von Billy Joel und Paul Simon bis zu Randy Newman, eigenwillige Jazz-Versionen klassischer Literatur und eigene Kompositionen an die Seite gestellt. Mit seiner neuen CD „We’re Gonna Make It – A Tribute To Ray Charles“ geht er wieder neue Wege. Nicht nur, dass er sich interpretatorisch erstmal auf einen Ahnen der Musikgeschichte konzentriert, der Klavier-Entertainer Schmitt, der sonst solo oder maximal im Quartett mit wirbelnder Showtime und bestechender Virtuosität glänzt, ordnet sich diesmal dem Kollektiv unter. Bei der Hommage an den King of Soul Ray Charles setzt er auf eine größere Besetzung: neben der Rhythmusgruppe mit Stefan Eppinger an den Drums und dem gewohnt exzellenten Sava Medan am Bass glänzen Gitarrist Titus Vollmer an der Gitarre und Saxophonist Stephan Holstein als Solisten. Für noch mehr Volumen sorgt ein Bläsersatz mit Stephan Reiser (Saxophon), Reinhard Greiner (Trompete), Dirk Janoske (Posaune) und Bob Rückerl (Baritonsax). „Schon lange hat mir etwas mit Bläsern vorgeschwebt, da hat sich das geniale 50er-Jahre-Konzept von Ray Charles als konsequente Weiterentwicklung meiner Arbeit angeboten. Abgesehen davon war Ray Charles natürlich immer einer meiner Favoriten“, meint Schmitt. Entsprechend üppig im Sound kommt das dann auch daher. Der Titeltrack „We’re Gonna Make It“ zum Einstieg erinnert an Brian Setzers Tempo-Eskapaden, andere Titel geben sich ganz relaxed oder rekurrieren deutlich auf die Einspielungen des Meisters selbst. Ob aber Frühwerke wie „Rockhouse“, Titel wie „Hey Good Lookin’!“ aus der Country-Phase von Brother Ray oder Jazziges wie der ursprünglich von Oscar Peterson stammende „Blues For Big Scotia“ – alles bekommt hier einen Groove, wie man ihn hierzulande selten hört. Und wie immer, wenn etwas so leicht, locker und in sich schlüssig klingt, steckt harte Arbeit dahinter. Da sind einmal Schmitts akribische, fast musikwissenschaftliche Vorarbeiten: Viele der 70 Platten des Meisters sind vergriffen, nach sieben Jahren Sammelei hatte sie Schmitt bis auf eine beisammen. Für den richtigen Soul in der Stimme hat Schmitt ebenfalls hart gearbeitet, er nahm – weil eben nicht jeder von Geburt an über ein Organ wie das von Ray Charles oder Joe Cocker gesegnet ist – Gesangsunterricht und feilte, bis das Maximum für ihn herauskam. Und schließlich holte sich Schmitt Verstärkung, wo es nötig war. Zwei Arrangeure sorgten für den richtigen Einsatz der Band: Titus Vollmer, der spätestens seit einem längeren USA–Aufenthalt nicht nur einer der ernst zu nehmendsten Gitarrensolisten ist, sondern auch als Arrangeur und Filmmusikkomponist durchstartet, unter anderem mit der wunderbaren Country-R&B-Musik zu der Dokumentation „American Dream“. Und dann der junge Jan Zehrfeld, eine echte Entdeckung aus dem Dunstkreis von Verehrern, dem trotz seiner Jugend verblüffend erdige Bläsernotationen gelangen. Natürlich bleibt Schmitt noch genug Raum für Tastenartistik, nicht erst im Bonustrack, der Solo-Eigenkomposition „Blues For Ray“. Doch mischt sich diesmal eben ein schmutziger Unterton dazwischen, der vielleicht nichts „ganz anderes“ ist, Schmitts Spiel aber um eine weitere Facette bereichert. Oliver Hochkeppel
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