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Einen ganzen Konzertabend lang ein Auditorium in Spannung zu halten; ganz allein, ohne die verlässliche Stütze einer Rhythmusgruppe, ohne eine Verschnaufpause einlegen zu können, ohne Netz und doppelten Boden. Das erfordert Konzentration, Mut und Kreativität auf höchstem Niveau, um nicht in Langeweile, Beliebigkeit, Zitation oder läppische Phrasen zu verfallen. Solche Herausforderung ohne Fehl und Tadel zu meistern gelingt nur ganz wenigen. Die Pianistin Geri Allen ist eine davon. Das Publikum im Birdland Jazzclub in Neuburg war hin und weg. Art of Piano im Neuburger Birdland, eine Serie für musikalische Gourmets - Zum 75. kommt nur eine auch in dieser hochkarätigen Phalanx herausragende Künstlerin in Frage. Mit nichts gerüstet als der eigenen Kreativität taucht Geri Allen ein in das Abenteuer ihres Soloprogramms, schutzlos und ohne Ausweg, die Verantwortung für das Gelingen zu delegieren. So löst sie auf ihre Weise ein, was die Qualität der Reihe ausmacht: Improvisatorische Kreativität auf höchstem Niveau, differenzierte Klangkultur, lebendige Musik auf der Höhe der Zeit, modern, aufregend, substanzvoll. „Musik ist wie Wasser“, meint die Pianistin. „Es kann dich warm umhüllen, angenehm und entspannend. Es kann fließen, aber es kann auch zu Eis werden, wenn es kalt ist, splitterhart und glasklar.“ Die ganze Bandbreite misst das Piano der 46-Jährigen aus, spiegelt Seelenlandschaften von arktischer Kälte, bewegter Erinnerung und liebevoller Wärme. Bei aller Klangfülle ihres machtvollen Anschlags schwelgt Geri Allen nicht in Gefühlswelten, ihr Spiel kündet von Klarheit, entschiedener Wahl, Bewusstsein, Ernst, reflektierter Sammlung und innerer Würde. Hirn und Herz fließen in Geri Allens Kompositionen und unter ihren Händen zusammen zu einer beeindruckenden pianistischen Eigenständigkeit, die in der Tradition verwurzelt und zugleich von hoher individueller Weichenstellung geprägt ist. Wahrlich nicht einfach nur „just one of those things“ sind auch ihre Standardinterpretationen, alles steht in aufrichtig erarbeiteter Kohärenz zueinander. Billy Strayhorns „Lush Life“ wird zum Exempel von Dekonstruktion und Rekonstruktion in kühner Architektur, Mal Waldrons „Seagulls of Christiansund“ zu einem gewaltigen impressionistischen Klanggemälde. Mal Waldron ist das ganze zweite Set gewidmet, Allen bringt ihre Freundschaft und Verehrung für den im Dezember 2002 verstorbenen Grandseigneur des modernen Pianospiels in berührender Offenheit und tiefer Emotionalität zum Ausdruck. Leicht macht es die Amerikanerin ihren Zuhörerinnen und Zuhörern nicht. Ihre Musik springt ohne Kuschelfaktor und Zehenwippen von den Tasten des Bösendorfers in den Keller. Wer sich darauf einlässt, wird reich belohnt. Tobias Böcker |
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