Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Unsterblich wurde er durch Posaunensoli in zwei großen Hits – Stan Kentons „Peanut Vendor“ (1946) und Frank Sinatras „I’ve Got You Under My Skin“ (1956), doch richtig berühmt wurde er nie. Milt Bernhart, der nur sehr wenige Aufnahmen unter eigenem Namen vorlegte, war ein Diener der Musik. Ohne selbst ein Star zu sein, ermöglichte er durch ständige Einsatzbereitschaft und Professionalität den Stars überhaupt das Dasein. Mit Milt Bernhart starb nur wenige Monate nach Jimmy Knepper, Grover Mitchell, Wayne André und Carl Fontana ein weiterer „unsung hero“ unter den großen Big-Band-Posaunisten. „Nobody could play louder than him”, wusste Art Pepper, sein Kollege bei Stan Kenton, wo Bernhart als Satzführer den runden, satten und knackigen Sound der Posaunisten-Gruppe entscheidend geprägt hatte. Wie so viele Musiker dieses Orchesters war Bernhart in den 50er-Jahren ein Aushängeschild des West Coast Jazz. Milt Bernharts Vater war ein Schneider aus Russland, der zunächst nach Chicago emigrierte. Auf der Suche nach einem Ort, der ihn an seine verlassene Heimat erinnern sollte, stieß er auf Valparaiso, Indiana, wo Milt Bernhart am 25. Mai 1926 das Licht der Welt erblickte. Der kleine Milt verlor schon vor dem zehnten Lebensjahr seine Eltern, dem Alter, in dem er sich, ungewöhnlich genug, der Tuba zuwandte. Das schwere Instrument wurde dann zwei Jahre später durch die Posaune ersetzt, der er zeitlebens treu blieb. Ermutigend war, dass Boyd Raeburn den 15-Jährigen in seine Band holte. Auch später, als Raeburn ein sehr modernes Orchester leitete sollte er wieder mit Raeburn zusammenarbeiten. Am wichtigsten wurde aber seine Zusammenarbeit mit einem geistesverwandten Big-Bandleader, Stan Kenton, der damals seine so genannte „progressive Phase“ hatte. In den Jahren 1946 bis 1951 spielte Bernhart nur mit Unterbrechungen bei Kenton. So spielte er 1947 wieder bei Boyd Raeburn und 1949 bei Benny Goodman. Letzteres war übrigens eine traumatische Erfahrung. Als der manchmal unberechenbare Goodman einmal den großen Tenoristen Wardell Gray inmitten eines Solos von der Bühne komplimentierte, wußte Bernhart, daß auch seines Bleibens dort nicht mehr länger war. Natürlich ging er dann wieder zu Kenton, mit dem er auch nach 1951 verbunden blieb. Das musikalische Erbe Kentons auch nach dessen Tod weiter zu pflegen, blieb Bernhart immer ein wichtiges Anliegen. Mit diesen Unterbrechungen hat es eine besondere Bewandtnis, die nicht nur damit zusammenhängt, dass auch Kentons Orchester (wie in den Jahren des Big-Bandsterbens üblich) bisweilen aufgelöst wurde oder pausierte. Zu Kentons Posaunengruppe jener Jahre zählten zeitweise auch so wichtige Musiker wie Kai Winding und Bill Russo. Winding war zu Milt Bernhart nicht besonders freundlich. So vergewisserte sich Bernhart, bevor er von Boyd Raeburn zu Kenton zurückkehrte, dass nicht gerade Kai Winding in der aktuellen Ausgabe des Kenton-Orchesters spielte. Mag auch Winding der Star gewesen sein. So verschafften Bernhart Soli in Stücken wie „Peanut Vendor“ und „Solitaire“ führende Positionen bei den Meinungsumfragen der Zeitschrift Down Beat. Milt Bernhart gehörte in den frühen 50er-Jahren den zwei Schlüsselformationen des West Coast Jazz an, Howard Rumseys Lighthouse All Stars und den daraus hervorgegangenen Shorty Rogers Giants. Ihre Namen trugen sie vom legendären „Lighthouse Cafe“ von Hermosa Beach, ein Lokal, das 1948 von Howard Rumsey, Kentons ersten Bassisten, zum Mittelpunkt des West Coast Jazz gemacht wurde. Man kann sagen, dass das Lighthouse, wie wohl 20 Meilen von Hollywood entfernt, maßgeblich dazu beitrug, den modernen Jazz an der Westküste zu etablieren. Waren die „Lighthouse All Stars“ in erster Linie eine Live-Band, deren Auftritte oft fast schon lockeren informellen Jam-Session-Charakter hatten, so spielten bei Rogers (wie überhaupt bei West Coast Jazz) die Arrangements und das disziplinierte Zusammenspiel eine große Rolle. Rogers wusste als Komponist und Arrangeur die speziellen Gaben seines Freundes Milt Bernhart gut zur Geltung zu bringen, so auf Kompositionen wie „Mambo del Crow“ und „Contours“. Für „Modern Brass“, sein erstes Album als Leader, stellte Milt Bernhart 1955 ein Blechbläser-Ensemble zusammen, das von einer klavierlosen Rhythmusgruppe begleitet wurde, eine recht ungewöhnliche Besetzung. Wie hoch Milt Bernhart bei seinen Kollegen im Kurs stand, sieht man auch daran, dass einige der wichtigsten Arrangeure, Musiker wie Shorty Rogers, André Previn, Jimmy Giuffre und Pete Rugolo dafür komponierten und arrangierten. Das RCA-Album war nicht der Beginn einer großen Karriere als Solist und Bandleader. Seltsam genug nimmt die Häufigkeit der Soli auf Platten sogar ab. Ab 1956 wirkte Milt Bernhart zwar noch auf unzähligen Alben - unter anderem von Maynard Ferguson, Pete Rugolo, Ella Fitzgerald und dem am gleichen Tag verstorbenen Billy May -, doch schaut und hört man sie sich an, gewinnt man den Eindruck, Bernhart sei Opfer hochkarätiger Konkurrenz geworden, denn die Posaunen-Soli bliesen da zunehmend meist andere, etwa Frank Rosolino, der sich im gleichen Musikerkreis wie Bernhart bewegte. Hört man beide nebeneinander (etwa auf Johnny Richards Album „Something Else“) wird man Zeuge eines Duells zwischen Bernharts Riesensound und Rosolinos quirliger Eloquenz. Seit den späten 50er-Jahren arbeitete Bernhart hauptsächlich für die Columbia Pictures, dann für andere Film- und Fernsehstudios. Seine Posaune ist auf unzähligen Soundtracks (etwa dem Jazz-Junie-Epos) „The Man with the Golden Arm“ zu hören und in Krimi-Serien wie „Peter Gunn“ oder „Staccato“. Ein Musiker, der auch in späten Jahren gerne auf Bernhart zurückgriff, war Billy May. Der Arrangeur und der Posaunist starben beide nur wenige Stunden und Kilometer voneinander entfernt, am 22. Januar: May im Kalifornischen San Juan Capistrano, Bernhart im Kalifornischen Glendale. In späteren Jahren hatte Bernhart eine Reiseagentur auf die Beine gestellt. Vor allem als Organisator von Big-Bandkonzerten hatte sich der bescheidene Musiker in den letzten Jahren einen Namen gemacht. Seit 1986 war Milt Bernhart bis zu seinem Tod der Präsident der Big Band Academy of America. Die auf unzähligen Platten dokumentierte Originalität seines Spiels, die hinreißende Expressivität seines Sounds, hätten mehr Beachtung verdient; dem kollegialen und humorvollen Menschen wäre es durchaus zu gönnen gewesen, denn, so Art Pepper, „ he had the most fantastic chops of anybody I ever heard”. Marcus A. Woelfle |
|