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Der Vergleich mit Norah Jones war ebenso vermessen wie zugkräftig. Ein gutes Konzert war es trotzdem in der Sonntagnacht im vollbesetzten Turm-Jazzclub. Sängerinnen des Jazz (oder mit ihm in Verbindung Gebrachte) haben Konjunktur und liegen im Trend. Auch im deutschsprachigen Raum ist die Liste ihrer Namen so lang wie nie und lässt sich von A bis Z durchbuchstabieren, von Susanne Abbuehl etwa bis Muriel Zoe. Letztere lebt in Hamburg als Malerin, Grafikdozentin und Sängerin und hat vor einem halben Jahr ihre bemerkenswerte Debütplatte „Red and blue“ (ACT 9416-2) vorgelegt. Bemerkenswert war sie vor allem des Mutes wegen, in transparent-luftigen Versionen populäre Stücke des großen amerikanischen Liederbuches zu interpretieren: „Bye Bye Blackbird“, „Round Midnight“, „Autumn Leaves“, „Don’t Explain“ klangen bei ihr deutlich entschlackter als etwa bei Diana Krall. Jungendliche Frische, Lässigkeit und folkiges Herangehen in der Tradition der Singer-Songwriter wurden hervorgehoben sowie die delikate Ökonomie einer dezent-exzellenten Band. Muriel Zoe tritt auf wie die nette junge Frau von nebenan und kann sich noch freuen, dass so viele gekommen sind. Eine Entertainerin ist sie nicht. Kein Glamour, kein Tamtam, nichts Verruchtes und schon gar keine großen Reden. Fast ist da ein bisschen Nervosität beim Übersetzen der großen Songs aus der Muttersprache des Jazz ins Eigene. Beim Singen schließt sie die Augen. Man soll ruhig spüren, wie diese Anverwandlung des Höchsten Arbeit ist. Muriel Zoe macht das gut mit ruhiger Schüchternheit im Dienste der Songs. Und ziemlich glaubhaft im Respekt vor hehren Namen wie Billie Holiday und Abbey Lincoln, deren entfernte Größe ohnehin nicht kopierbar ist. Sicherheit erhält Muriel Zoe von ihrem zuverlässigen, distinguiert und auf den Punkt agierenden Quartett, allesamt junge Musiker des Hamburger Schauspielhauses. Versunkenheit wird zelebriert und kein Ton zuviel. Das hat Stil und Noblesse, vor allem wenn Gitarrist Matthias Pagoda hochkonzentriert akustische Akzente setzt und wenn Schlagzeuger Michael Verhovec den Stücken aus dem Hintergrund ihre diffizile Dynamik gibt. Sicherheit gibt ihr auch ein mehr und mehr eingenommenes Publikum, dessen Versunkenheitsgrad wächst. Und dann greift Muriel Zoe bei einigen wenigen Stücken selbst zur Gitarre, ist plötzlich Singer-Songwriterin und viel näher bei sich. Als eine von drei Zugaben gibt sie „You Turn me on, I’m a Radio“ von Joni Mitchell. Alles an diesem Abend war handgemacht. Das ist durchaus positiv zu verstehen. Vielleicht also war doch der Norah Jones-Vergleich gar nicht so falsch? Hat doch auch die derzeit erfolgreichste Sängerin einer nach Superlativen gierende Musikindustrie vorgeführt, dass weniger mehr sein kann. Ulrich Steinmetzger |
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