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Was soll aus einem Kind werden, das, nach eigener Aussage, beim Newport Jazz Festival von den Eltern gezeugt wurde, das bei Auftritten von Mama und Papa immer im Kinderwagen mit auf die Bühne geschoben wurde, weil sich die Erzeuger keinen Babysitter leisten wollten? Klare Antwort: eine Rampensau.
„Nirgendwo habe ich mich je so heimisch gefühlt wie auf der Bühne“, erzählt Karen Mantler, Tochter des österreichischen Trompeters und Komponisten Michael Mantler und der Pianistin, Organistin und Komponistin Carla Bley, in ihrer urkomischen, von der Plattenfirma XtraWATT ins Netz gestellten Biographie. Schon im Kindergartenalter bezog die Mutter ihren Sprössling mit in ihr Werk ein. Als Vierjährige darf Karen Mantler an den Aufnahmen zu Carlas Oper „Escalator Over The Hill“ teilnehmen. Ein Jahr später ist sie auch bei „Tropic Appetites“ dabei. Ab 1977 lernt sie Glockenspiel, dann auch Schlagzeug, Bass, Flöte, Klarinette und Mundharmonika. Später sollen noch Orgel und Klavier dazukommen. Sie wird von ihrer Mutter engagiert und tritt deren Band bei. Ein tragisches Ende nimmt die musikalische Beziehung zunächst, als Carla Bley merkt, dass ihr eigen Fleisch und Blut sich 1980 bei einem Konzert in der New Yorker Carnegie Hall als sie ausgibt und ihr die Show stiehlt. „Such dir deine eigene Band!“ soll sie ihren Nachwuchs angeraunzt haben. Das tat die freche Göre dann auch. Als sie ihr Stipendium am Berklee College of Music in Boston antrat, gründete sie mit David Sanborns Sohn Jonathan eine Formation, die sie davor rettete, ihr Studium als völligen Flop anzusehen. 1987 ging sie nach New York und 1989 sollte endlich auch ein Solo-Album erscheinen: „My Cat Arnold“, das sich wie einige weitere Aufnahmen ihrem geliebten Kater widmete. Dem hat sie nach seinem Dahinscheiden sogar ein Requiem komponiert. Keinen dauerhaften Kater sollte die Beziehung zu ihrer Mutter haben, denn Karen Mantler wurde wieder und wieder von ihr engagiert. Wer die beiden je zusammen hat agieren sehen, muss das ganze für ein Klonexperiment gehalten haben: Dieselbe Augen verdeckende Staubwedel-Frisur, dieselben schwarzen Klamotten, dieselben leicht lethargischen Bewegungen, dieselben charmanten instrumentalen Unfertigkeiten. Dass Karen Mantler offensichtlich ein Humor-Gen von ihrer Frau Mama mitbekommen hat – davon kann sich jeder überzeugen, der ihre Alben bei XtraWATT und Virgin Classics abspielt. Da sind ähnliche Skurilitäten zu hören, wie man sie auch im Werk ihrer Mutti en masse findet. Ganz das Genie hat Karen Mantler allerdings nicht vererbt bekommen. Während man ihre amüsante Musik durchaus ernst nehmen darf, hat es ihre Mutter geschafft, in vielen Nachschlagewerken zu den wichtigsten amerikanischen Komponisten der Gegenwart gezählt zu werden. Gegensätze ziehen sich bei ihr magisch an: verblüffend schlichte Melodik und oft hochkomplexe Strukturen, monumentale Wucht und deutliche Reduktion, gesunde Aggression und unverstelltes Pathos sowie Elemente aus allen erdenklichen Genres formten die Komponistin zu einem Klangbild mit ganz deutlichem Eigensinn – dem Carla Bley Sound. Ihr talentiertes Töchterlein hat derzeit musikalisch nicht viel zu melden. Ab und zu wurde sie in den letzten Jahren angeheuert: mal vom Schlagzeuger Motohiko Hino, mal von NRBQs Terry Adams, mal von Carlas Lebensgefährten, dem Bassisten Steve Swallow. Um sich über Wasser zu halten, ist sie sich nicht zu schade, in einem New Yorker Lokal Kaffee und Sandwiches zu servieren. Ihre Mutter hingegen, die im Mai 66 wird, ist immer noch sehr aktiv, ruht sich aber künstlerisch ein wenig auf ihren Lorbeeren aus. Zuletzt war sie meist im Trio mit Steve Swallow und dem englischen Saxophonisten Andy Sheppard zu hören. Die Dreierformation wurde jüngst um den Schlagzeuger Billy Drummond verstärkt. Von der Musik, die Carla Bley mit dieser Gruppe spielt, gehen leider keine neuen Ideen und Impulse mehr aus. Es beschleicht einen der Eindruck, dass Carla Bley weit über ihren Zenith hinaus ist. Text & Foto: Ssirus W. Pakzad
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