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Gut, ganz so ein dickes Problem wie Ravi Coltrane hat Chico Freeman nicht an der Backe gehabt. Während der eine ständig daran erinnert wurde und wird, der Sohn einer Jazz-Lichtgestalt zu sein, die selbst jenen geläufig war und ist, die sich sonst nicht für Jazz interessieren, musste der andere „lediglich“ damit umzugehen lernen, dass der eigene Vater eine Legende ist. Wenn auch auf eher lokaler Ebene.
Von seinem Daddy Von hat Chico Freeman das Saxophon-Spielen erlernt und stand in jungen Jahren schon oft im heimischen Chicago mit ihm auf der Bühne. Später haben die beiden auch zusammen im Studio aufgenommen (etwa das Album „Freeman & Freeman“, erschienen bei India Navigation). Von Freeman hat seine Heimatstadt nicht oft verlassen – sonst hätte es sicher zu mehr gereicht als zum einheimischen Helden. Sein robuster, im Blues verwurzelter Ton, sein Stil, der im Bebop seine Basis für Ausflüge in avantgardistische Gefilde fand, begeisterte außer ein paar auswärtigen Eingeweihten in erster Linie die Besucher der Chicagoer Clubs. Sein Sohn Chico, der 1972 ein Diplom an der Northwestern University erhielt, danach bei Muhal Richard Abrams in die Lehre ging und nebenher mit Bluesmusikern wie Junior Wells jammte, gehörte zunächst der Chicagoer Avantgarde-Organisation AACM an, ehe er nach New York auswanderte. Dort hat der Tenor- und Sopransaxophonist Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre einige seiner wichtigsten Aufnahmen gemacht. Er wurde zu den „Young Lions“ gezählt, jenen aufstrebenden jungen Musikern, die genug Kraft und Energie besaßen, um ihre Musikergeneration anzuführen. In diversen Rezensionen war immer wieder zu lesen, was für ein kluger Grenzgänger Chico Freeman doch sei, einer, der die missing links zwischen Tradition und Moderne aufzuspüren in der Lage schien. In den letzten Jahren fallen seine Kritiken deutlich verhaltener aus. Will man unbedingt das Positive sehen, muss man dem heute 54-jährigen Chico Freeman immerhin attestieren, musikalisch und stilistisch nie stehen geblieben zu sein. Was hat er nicht alles gemacht – vom Mainstream über Fusionprojekte wie seine Gruppe „Brainstorm“ bis hin zu eigenen Latin-Formationen. Er war Ersatzmann beim World Saxophone Quartet, Mitglied von Roots und so weiter und so fort. Nur war bei all den letztgenannten eigenen Aktivitäten selten etwas dabei, was in irgendeiner Form nach zwingendem Konzept klang. Auch die instrumentalen Fähigkeiten des einstigen jungen Wilden schienen sich immer mehr zu verflüchtigen. War er früher fast ein Wunder an Expressivität, machen sich heute nicht selten Ausdrucksmangel und Intonationsschwächen bemerkbar, wenn der Saxophonist ins Horn stößt. Es ist etwas still geworden um den Mann, dem so viele eine glänzende Zukunft prophezeit haben. Ob er sich wohl mal wieder berappeln wird? Und der Herr Papa? Der durfte sich im Jahre 2002 anlässlich seines 80. Geburtstags in Chicago so richtig austoben und stand dabei mit Gott und der Welt auf der Bühne. Anlässlich seines Wiegenfests erschien dann auch ein Album mit dem Titel „The Improvisor“ (Premonition Records), das den Senior an der Seite solch virtuoser Jungspunde wie Pianist Jason Moran, Bassist Mark Helias und Schlagzeuger Nasheet Waits in Höchstform präsentiert. Und wenn man ihn auf diesem faszinierenden Album so hört, wünschte man sich fast, der Vater könnte seinem Sohn ein wenig von seiner derzeitigen Energie abgeben. Text & Foto: Ssirus W. Pakzad
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