Gene Deitch: The cat on a hot thin groove, Fantagraphics Books,
Seattle, 160 Seiten.
Wenn einmal die Geschichte der Jazz- cartoons geschrieben wird, dürfte
der Name Gene Deitch ganz oben stehen.
Er ist untrennbar verbunden mit dem „Record Changer“,
einer Zeitschrift für Schallplattensammler, die in den USA zwischen
1943 und 1957 jeden Monat erschien. Gene Deitch zeichnete zwischen 1945
und 1951 fast alle Titelbilder und kreierte außerdem „The
Cat“, einen Typ, dessen ganze Leidenschaft dem Sammeln von Platten
(damals natürlich aus Schellack) gehört: kahlköpfig,
mit dicker Hornbrille und ebensolchen Stirnfalten, dazu eine Nase, die
im Lauf der Zeit immer spitzer wurde und die gut als Nadel für
einen Plattenspieler hätte dienen können. In einem opulenten
Band sind jetzt alle diese wunderbar komischen und grandios gestalteten
Zeichnungen zusammengefasst, ein Schau- und Lesevergnügen der besonderen
Art.
Nur ein Beispiel: „The Cat“ sitzt verzweifelt vor den Trümmern
seines Plattenspielers, den er samt Verstärker zerlegt hat, und
sagt deprimiert: „It`s no use I`ll just have to face it –
Louis made a klinker –.“
Bemerkenswert ist die weitere Karriere von Gene Deitch. Er arbeitete
auf dem Gebiet des Zeichentrickfilms, gründete 1958 in New York
sein eigenes Studio, ging dann „für maximal zehn Tage“,
wie er sagt, nach Prag, um einen Film zu produzieren, und blieb dort
bis heute! Der Film „Munro“ bekam übrigens einen Oscar.
Maxine McGregor: Chris McGregor and the Brotherhood of Breath Bamberger
Books, Flint, Michigan, 259 Seiten.
Es war schon ein Abenteuer, auf das sich der Pianist Chris McGregor
einließ, als er 1964 mit seiner Band „Blue Notes“
aus Südafrika zum Festival nach Antibes reiste, um anschließend
in Europa zu bleiben, erst in Zürich, dann in London. Ihre Musik,
eine geglückte Mischung aus Südafrikanischem, Mingus und Free
Jazz (um es auf einen kurzen Nenner zu bringen), war damals etwas ganz
Neues, für viele Hörer Sperriges, wenn auch die Begeisterung
der Spieler sehr ansteckend wirkte.
Es gab finanzielle Probleme ohne Ende. Als weißer Bandleader
mit einer schwarzen Besetzung war Chris McGregor allerdings schon in
Südafrika oft genug in Schwierigkeiten geraten. Aber er hielt in
bewundernswerter Weise an seinem Konzept fest und erweiterte seine Gruppe
sogar später noch zur Brotherhood of Breath. Seine Frau Maxine,
die mit ihm aus Südafrika gekommen war und bei ihm blieb bis zu
seinem viel zu frühen Tod (1990 mit 54 Jahren) und die unermüdlich
für seine Bands arbeitete, hat dieses Abenteuer in einer sehr berührenden
Weise niedergeschrieben. Auch dies ist ein Stück europäischer
Jazzgeschichte. Lesenswert.
Leonardo Acosta: Cubano Be Cubano Bop/One hundred years of Jazz in
Cuba, Smithsonian Books, Washington and London, 288 Seiten.
Noch immer ist die Zahl der informativen Sachbücher im Bereich
der lateinamerikanischen Musik erstaunlich gering, jedenfalls in englischer
Sprache. Da nimmt man das Buch eines kubanischen Musikers (Alt- und
Baritonsaxophon) besonders erwartungsvoll zur Hand. Man wird auch einerseits
nicht enttäuscht: Viele Namen von Musikern, Bands und Veranstaltungsorten
tauchen auf, die für uns neu sind. Aber andererseits stellen sich
auch eine grundsätzliche und einige praktische Fragen.
Der Untertitel des Buches ist eine gewaltige Übertreibung. Ob
es 1901 (die spanische Originalausgabe ist 2001 in Kolumbien erschienen)
schon eine Musik gab, die sich als Jazz bezeichnen lässt, ist selbst
für New Orleans fraglich. Es geht in Wirklichkeit in diesem Buch
um Jazzeinflüsse in der kubanischen Musik seit den 20er-Jahren.
Der Autor über das Riverside Orchestra von 1938: „Like many
other Cuban jazz bands the Riverside never really played jazz except
for Glenn Miller type American band arrangements…“ (S. 46).
Wir würden trotzdem gerne Beispiele hören, aber „…the
recording industry [in Kuba] of the 1920s and ’30s was never interested
in ‚Cuban‘ or ‚Latin jazz‘…“ (S.
36).
Schade – ,aber dann hätte man dem Buch doch wenigstens aus
späteren Zeiten eine CD mit historischen Aufnahmen beilegen können
und eine Diskografie hinzufügen. So bleibt die Musik im Dunkeln.
Trotzdem eine interessante Arbeit, der hoffentlich weitere folgen, dann
aber bitte mit klingenden Musikbeispielen und Analysen.
Joe Viera |