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Jazzzeitung

2004/02  ::: seite 14

portrait

 

Inhalt 2004/02

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / News / break
musiker-abc:
Michal Urbaniak
no chaser:
Aus dem IKEA-Katalog
all that jazz:
Den Jazz überleben
farewell: Abschied von Chubby Jackson // Die Jazzzeitung verabschiedet sich von ...


TITEL / DOSSIER


Titel: Neue Gerichte, alte Zutaten
Public Jazz Lounge: der Trompeter Joo Kraus und der Jazz
Dossier. Jazz Education
Jazzschule des FMZ München // Jazz und Rock Schule Freiburg // Jazzstudiengänge in Deutschland // Freie/Private Ausbilder // Workshops / Fortbildung


BERICHTE


Berichte
Manfred Scheffner // Gutbucket // Kulturhauptstadt 2010: Münster // Ravi Coltrane // Thorsten-Klentze-Quartett feat. Charlie Mariano // Lisa Wahlandt // „Max Collie Rhythm Aces“


 JAZZ HEUTE


Markenzeichen europäischer Kultur
Zehn Tage Jazz als die Musik des jungen Europa in der Musikhochschule in Köln
Ehre wem Ehre…
Bayerischer Jazzpreis 2003 an Dirk Hewig


 PORTRAIT / INTERVIEW


Gabriele Mirabassi // Dusko Goykovic // Benny Golson // Monty Alexander // Herbie Hancock


 PLAY BACK / MEDIEN


Glamour, Alkohol und Gangster
CD-Box bei Bear Family über den angesagtesten Club aller Zeiten
CD. CD-Rezensionen 2004/02
DVD. DVDs mit Chet Baker und Nina Simone
DVD. „Live in Stockholm“ des Esbjörn Svensson Trio
Bücher.
Petersons Autobiografie // Comicfigur „The Cat“, Cuban Bop und Chris McGregor // Giuseppe Pino
Noten. Neue Noten für Bläser
Instrumente. Die Workstation Korg D32XD / News
Medien. link-tipps


 EDUCATION


Abgehört. Das Bill Evans Trio mit dem Bassvirtuosen Scott LaFaro


SERVICE


Critics Choice

Service-Pack 2004/02 als pdf-Datei (kurz, aber wichtig; Clubadressen, Kalender, Jazz in Radio & TV, Jazz in Bayern und anderswo (537 kb))

Gigant und Gruppenarchitekt

Zum 75. Geburtstag des Tenorsaxophonisten Benny Golson

Sein Spiel erweist sich als gleichermaßen robust und romantisch. Stücke mit kräftigem Drive liegen ihm ebenso wie beseelte Balladen. Der Tenorsaxophonist Benny Golson, ein Mann mit Durchsetzungsvermögen und Sensibilität, zählt zu den Jazzmusikern einer Generation, die sich im Kreislauf der Klubs behaupten und durch das harte Business des amerikanischen Musikgeschäfts hindurchkämpfen musste. Er kennt die Szene von der Pieke auf, wirkt unverändert vital, ist bei allen Erfolgen bescheiden geblieben und erzählt im Gespräch freimütig über persönliche Begebenheiten aus einem halben Jahrhundert miterlebter und mitgestalteter Jazzgeschichte.

Anfangsjahre. Benny Golson wuchs in Philadelphia auf. Dort geboren am 25. Januar 1929 hat er sich seinen Weg zum Jazz zunächst autodidaktisch gebahnt. John Coltrane zählte zu seinen Jugendfreunden. Benny Golson erinnert sich: „Wir hockten jeden Tag zusammen. 1944 begann sich musikalisch vieles zu wandeln. Wir hörten ein Konzert mit Dizzy Gillespie, das das Leben von John und mir veränderte. Damals gab es keine Jazzstudiengänge an den Universitäten oder Musikhochschulen. Wir lernten alles von den 78er-Schallplatten, die wir so lange hörten, bis sie völlig zerkratzt waren, von den Musikern, die in der Stadt gastierten und von den Jam Sessions.“ Erste Schritte im Berufsleben machte Benny Golson in der Band von Bull Moose Jackson, die Rhythm & Blues spielte und in der auch der Pianist Tadd Dameron mitwirkte. Tadd Dameron nahm Benny Golson mit nach New York und ermutigte ihn, eigene Stücke zu schreiben. Es folgten Engagements bei Lionel Hampton, Earl Bostic und Dizzy Gillespie. In der Zeit mit Gillespie profilierte sich Benny Golson als Solist und als Komponist von Jazztiteln. Unter dem Eindruck des schmerzlichen Verlustes von Clifford Brown, der fünfunddreißigjährig bei einem Autounfall ums Leben kam, schrieb Benny Golson eine der berührendsten Balladen des Hard Bop „I Remember Clifford“. Ein anderer Titel gelangte über John Coltrane, den frühen Verbündeten aus Philadelphia, in die Hände von Miles Davis: „Stablemates“, zu deutsch „Stallgefährten“. Miles Davis gefiel das Stück dermaßen, dass er es damals, 1955, gleich mit ins Studio genommen und auf seiner Platte „Miles“ verewigt hat.

Zwölf Monate mit Art Blakey’s Jazz Messengers. Im Februar 1958 bekam Benny Golson einen Anruf des Schlagzeugers Art Blakey. Dessen „Jazz Messengers“ hatten sich zwar als Inbegriff des Hard Bop einen Namen gemacht, fanden sich aber zu diesem Zeitpunkt in einem äußerst desolaten Zustand. Die Musiker der Band kämpften mit Drogenproblemen und der Altsaxophonist Jackie McLean war geschnappt worden, als er das Haus eines Dealers verließ. McLean verlor daraufhin die zum öffentlichen Auftreten benötigte „cabaret card“. Blakey’s „Jazz Messengers“ standen kurz vor einem Engagement im New Yorker Club „Cafe Bohemia“. Golson sollte aushelfen, anfangs für einen Abend. Schließlich wurde es eine ganze Woche. Blakey erkannte das Organisationstalent von Golson, mehr noch: dessen Fähigkeit, den „Jazz Messeangers“ nicht nur ein neues Image, sondern auch ein neues, Identität stiftendes Konzept zu verpassen. Benny Golson organisierte die Finanzen, zahlte die Musiker aus, achtete auf Pünktlichkeit, legte das Repertoire fest und steuerte neue Stücke bei.

Zunächst einmal strukturierte er aber die Band um. Er bestand darauf, alle Musiker der Band auszuwechseln. „Alle?“ ,soll Blakey entsetzt gefragt haben. Und Golson antwortete: „Alle“. „Es war eine schwere Entscheidung“ ,kommentierte Golson, „denn ich kannte die Leute natürlich, aber ich hatte den Eindruck, es musste sein.“ Golson brachte den Pianisten Bobby Timmons, den Trompeter Lee Morgan und den Bassisten Jymie Merritt mit in die Band. Die Arrangements von Golson und Timmons ließen die „Jazz Messengers“ ein neues Klangprofil gewinnen. Mit Titeln wie „Are You Real“, „Along Came Betty“, „Whisper Not“ und „Blues March“ schuf Golson unvergängliche Klassiker. Zu den Imagefragen, die Benny Golson beschäftigten, zählte auch das Erscheinungsbild der „Messengers: „Ich sagte, die Band müsse sich einheitliche Bühnenkleidung zulegen. Wir können nicht in zerbeulten Jeans auftreten. Art Blakey fragte: ,Was, wir sollen alle die gleichen Anzüge tragen?’ Und ich antwortete: ,Wenn wir auf die Bühne treten, dann sehen uns die Leute, bevor sie uns hören. Wir müssen darstellen, dass wir stolz auf uns sind.“ Benny Golson aktivierte den Kontakt zum Label Blue Note. Und für die im Oktober 1958 eingespielte Platte „Art Blakey And The Jazz Messengers“ gestaltet er alles: von der Titelfolge bis zum Design. Das in Fankreisen oft als „Moanin’“-Platte bezeichnete Album – es beginnt mit Bobby Timmons’ „Moanin’“ – ist eines der besten Alben, möglicherweise „the best of Art Blakey’s Jazz Messengers“. Benny Golson bahnte Kontakte an, die zu einem Konzert in der New Yorker Town Hall führten, wo die Band im Smoking auftrat. Nach dem Erfolg der „Moanin’“-Platte kam es zu einer ersten, vom Publikum stürmisch gefeierten Frankreich-Tournee der Messengers. Benny Golson war es gelungen, die Band von Art Blakey mit einem rasanten Neuanfang zur Bestform zu führen. Zwölf Monate nach dem verzweifelten Anruf des Bandleaders verließ er die „Messengers“ ohne Groll, wohl aber auch in dem Bewusstsein, dass es auf die Dauer nicht zwei starke Leader-Persönlichkeiten geben könne.

Great Sounds for Small Groups. Nach dem Ausscheiden bei Blakey gründete Benny Golson eine Band, mit der er eine größtmögliche Palette an Klangmöglichkeiten mit einer vergleichsweise kleinen Formation anstrebte: das „Jazztet“. Es existierte von 1959 bis 1963 und wurde Anfang der achtziger Jahre von Golson wiederbelebt.

Rückzug und Neubeginn. Ende der sechziger Jahre zog sich der Tenorsaxophonist vom aktiven Musizieren zurück, um sich, nun in Hollywood ansässig, dem Komponieren für Film und Fernsehen zu widmen. Doch ein Mann wie Benny Golson konnte sich einfach nicht auf Dauer von der Szene verabschieden. „Ich hatte mich von meiner Klarinette, vom Sopransaxophon, von den beiden Flöten und einem Tenorsaxophon getrennt“, erzählt er im Gespräch. „Für alle Fälle behielt ich ein Saxophon und ein Mundstück. Und schließlich hat’s mich doch wieder so gepackt, dass ich noch einmal angefangen habe. Das war gar nicht so einfach, nachdem ich sieben, acht Jahre nicht gespielt hatte, und es dauerte lange. Ich kam mir vor wie ein Kranker, der wieder anfängt, laufen zu lernen.“ In einem Alter, in dem sich andere zur Ruhe setzen, ist der in Hollywood gut bestallte Benny Golson in die Umlaufbahn des Jazzlebens zurückgekehrt – und das mit allen Konsequenten.

Als wir ihn 1999 bei den Jazztagen erlebten, hatte er eine Autofahrt durch die Nacht hinter sich, die er auf sich nahm, um rechtzeitig in Leipzig anzukommen. Diejenigen, die ihm live zuhören, sind für ihn noch immer die höchste Instanz. „Entweder du holst das Publikum zu dir hoch auf die Bühne oder du gehst runter zum Publikum. Ohne das Publikum würde ich mein ganzes Leben allein auf der Toilette, im Schlafzimmer oder in der Küche spielen. Also möchte ich dem Publikum doch sagen, dass ich es gern habe.“

Bach und Roots. In den neunziger Jahren ging Benny Golson mit der Saxophonisten All-Star-Formation „Roots“ auf Tournee. Auch die gemeinsam mit den Tenorsaxophonisten Branford Marsalis, James Carter und Harold Ashby eingespielte CD „Tenor Legacy“ gleicht einem vitalen Bekenntnis zur Jazztradition. Zugleich widmete sich Benny Golson der Lehrtätigkeit sowie dem Komponieren von Sinfonien, Kammermusik und Solostücken, unter anderem für den Geiger Itzhak Perlman. In der umfangreichen Diskographie des Tenorsaxophonisten findet sich eine, nur in Japan erhältliche und inzwischen auch dort vergriffene CD unter dem Titel „Brandenburg“, eine jazzmusikalische Bearbeitung von Bachs Brandenburgischen Konzerten, aufgeführt mit Jazzsolisten wie Art Farmer und Benny Golson, klassischen Musikern und Chor. Zu den Leipziger Jazztagen war Benny Golson in der Oper mit seinem Quartett und in einem Sonderkonzert gemeinsam mit Jasper van’t Hof an der Sauer-Orgel in der Leipziger Thomaskirche zu hören. Auf eine bewegende Weise beflügelte der Respekt vor Bach die afroamerikanischen, die spirituellen Roots von Benny Golson, wurde etwas von der Universalität des Musikalischen erfahrbar. Benny Golson nannte dieses Konzert in einem Brief „eines der herausragendsten Ereignisse in meinem Leben.“ Gegenwärtig schreibt er an einem Orchesterwerk zum 100. Jubiläum der Julliard School in New York. Und er spielt eine kleine Rolle im neuen Film von Steven Spielberg. Wen stellt er dar? Natürlich sich selbst, einen Jazzmusiker.

Bert Noglik

Radio-Tipp

Figaro Jazz, 7. Februar, 23.00-0.00 Uhr Benny Golson

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