Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Seit dem Siegszug der Popmusik in den 60ern und der gleichzeitigen Auslotung des Freien Jazz auf für viele schwer nachzuvollziehbaren Wegen wird der Jazz immer wieder totgesagt. Steigende Zahlen beim Anteil der Jazzproduktionen an dem erfolgreichen Umsatz des Musikmarkts, eine große Vielfalt der Stile, Hunderte von hoch qualifizierten jungen Musikern und große Anstrengungen an vielen akademischen Ausbildungsstätten im „alten“ Europa sprechen eine andere Sprache, haben die sogenannte improvisierte Musik zu einem Markenzeichen europäischen Kulturgeschehens gemacht.
Dies einmal zu erleben, hatte sich die Musikhochschule in Köln, größte und älteste ihrer Art in Europa, zum Ziel gesetzt. Als dann auch die Verwaltung der EU in Brüssel Mittel zur Verfügung stellte, war der Weg frei für eine Einladung von neun Partnerhochschulen in Antwerpen, Breslau, Brüssel, Madrid, Riga, Salzburg, Szeged, Utrecht und Wien zu zehn Tagen mit Workshops, Diskussionen und Konzerten. Aktuell waren die Workshops, zum Beispiel unter den Titeln „Storytelling and Improvising“, „Jazz Standard-Creative Approach“, „Breathing for Hornplayers“, „Great Ensembles-All Instruments“, „The Nordic Sound in Jazz“ oder „Salsa an Latin Percussions“. Prominentester Dozent war Phil Woods, der einen Workshop „Saxophone Masterclass“ leitete. An mehreren Abenden gab es Konzerte, zum Beispiel mit dem klassischen Pianisten Anthony Spiri, der die 24 Preludes in Jazz op.3 des russischen Komponisten Nikolai Kapustin vorstellte, die Wiener Latin Gruppe Pacheco und schließlich eine gemeinsame Jamsession von Dozenten und Studenten.
An einem Abend gab es eine Podiumsdiskussion, bei der fünf Fachleute aus Hochschule, Management, Musikwissenschaft und Praxis sich unter der Leitung von Andreas Kolb, Chefredakteur der Jazzzeitung und „nmz“ im Conbrio-Verlag in Regensburg, sich mit der Frage „Markt und Musiker –Hass und Liebe?“ beschäftigten. Das richtige persönliche Marketing des Musikers als Voraussetzung für seinen Erfolg, die dabei schwierige Position des Jazz auf dem Musikmarkt, aber auch der Anspruch der Hochschule, nicht nur nach den Wünschen des Markts auszubilden, kamen zur Sprache. Deutlich wurde, dass es noch einen großen Nachholbedarf gibt, den Studenten während des Studiums zu vermitteln, wie der Markt funktioniert. Wichtig ist, dass die Studenten ihr Handwerk lernen wie auch die Erkenntnis vermittelt bekommen, dass es in dem Beruf nicht nur darum geht, sich selbst zu verwirklichen. Musik wird dann erfolgreich sein, wenn der junge Musiker sich mit einem eigenen unverkennbaren Profil präsentiert. Andreas Kolb hatte einleitend auf die schwierige Situation des Musikers in einer Zeit ständiger Paradigmenwechsel aufmerksam gemacht. Auch das Problem des Übergewichts der amerikanischen Musiker auf dem Markt bei gleichzeitig einzigartigen Qualitäten des europäischen Jazz kam zur Sprache. Die Nähe von Popmusik und Jazz wurde diskutiert, zunächst als ein Thema einer zukünftig breiteren Ausbildung, wie sie in Wien schon seit Jahren unter dem Titel Popularmusik für künftige Jazz- und Popmusiker unter einem Dach praktiziert wird. Alle Theorie schoben dann die Studenten und Dozenten in der abschließenden Festivalnacht beiseite, in der sich 32 Ensembles auf vier Bühnen bis weit nach Mitternacht präsentierten. Es gab BigBand-Jazz der Kölner Musikschule -– Partner der Cologne Jazz Night – , ein Perkussionsensemble aus der Dependance der Hochschule in Wuppertal, viel Freies mit den Dozenten, zum Beispiel mit dem Klarinettisten Frank Gratkowski, funkigen Jazz aus Riga, ein Saxophon-Quartett aus Madrid, anspruchsvolle Klaviermusik vom Kölner Piano-Senkrechtstarter Florian Weber oder ungarische aktuelle Musik aus den eigenen folkloristischen Quellen. Stargast war kurz vor Mitternacht Jasper van’t Hof, der mit seinem Soloprogramm das Publikum begeisterte. Fazit: Die zehn Tage des gemeinsamen Probens, Diskutierens und Musizierens verstanden den Jazz nicht als isolierte Kunstform für eine kleine Elite hinter verschlossenen Türen. Die in vielem übereinstimende Sicht der Studenten und Dozenten zog die in Europa traditionell geübten Querverbindungen („Crossover“ zu Neu-Deutsch) zur PopMusik, zur Folklore oder zur Klassischen/Neuen Musik. Jazz wurde als eine Art Kulminationspunkt aktueller Musikentwicklungen verstanden und praktiziert. Hans-Jürgen von Osterhausen
|
|