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Es gibt viele Wege zum Jazz: Einer der unerwartetsten – und deshalb gerade besonders erfreulichen – führt vier Rolltreppen hoch, vorbei an Damen- und Herrenmoden, vorbei an Young Fashion, an nicht nur pädagogisch wertvollem Holzspielzeug und edlem Schuhwerk. Ziel und Höhepunkt dieser Luxustour: die Jazzabteilung im Münchner „Kaufhaus Beck am Rathauseck”.
„Jazz is Beck“ heißt ein Werbeslogan des „Kaufhauses der Sinne“ am Marienplatz. Dabei ist es sicher ungewöhnlich, wenn ein Konsumtempel dieser Art mit der „arte povera“ unter den Künsten, dem Jazz, Werbung macht. Dass der Jazz nicht nur kulturelles Aushängeschild ist, sondern dass man sich ernsthaft um ihn bemüht, ist vor allem das Verdienst von Manfred Scheffner, der die Abteilung über ein Jahrzehnt leitete und jetzt in den Ruhestand geht. Dafür revanchierte sich sein Arbeitgeber mit einer außergewöhnlichen Jazzhommage Anfang Januar im Sendesaal 1 des Bayerischen Rundfunks. Es kamen langjährige Weggefährten und Freunde, aber auch beinahe alle Vertreter der wichtigen Jazzlabels. Sie demonstrierten, dass gute, engagierte Händler nach wie vor das A und O im Jazzgeschäft sind. Dass der Sendesaal 1 bis auf den letzten Platz ausgebucht war, hatte aber noch andere Gründe: Josef Redl vom Kaufhaus Beck und die BR-Moderatorin Beate Sampson hatten eine beeindruckende Schar von Künstlern eingeladen, Vor der Musik aber kam das Wort: Reiner Unkel, Vorstand der Ludwig Beck am Rathauseck-Textilhaus Feldmeier AG, würdigte Scheffner als kompetenten, unkonventionellen, auch aus Sicht des Controllings erfolgreich arbeitenden Mitarbeiter, der das Renommee der Jazzabteilung derart gesteigert habe, dass sie auch bei Bankengesprächen des Vorstands als ein Markenzeichen des „Kaufhauses der Sinne” angeführt wurde. Leitmotivisch tauchten in seiner Rede (und nicht nur in seiner) die Elemente des berühmten Outfits von Manfred Scheffner auf: Jeans, T-Shirt und die unvermeidlichen Holzsandalen, kurz Klepperle, die sommers barfuss und im Winter mit Socken getragen werden. Die Überleitung zur Rede des amerikanischen Generalkonsuls in Bayern, Matthew M. Rooney, spielte die Nachwuchsband „Swinging Peeonies“ aus München. Die jungen Musiker versuchten, hundert Jahre Jazzgeschichte unterhaltsam in eine Viertelstunde zu packen – kein einfaches Unterfangen. Konsul Rooney genoss es dann sichtlich, seinen deutschen Zuhörern etwas über Jazz als die amerikanische Musikkultur des 20. Jahrhunderts zu erzählen – sicher eine angenehmere Aufgabe als seine sonstige: nämlich den Deutschen die Außenpolitik der Bush-Administration zu erklären. Alexa Rodrian und Sven Faller eröffneten das hochkarätige Nachmittagskonzert mit einer faszinierenden Duokombination: Gesang und Kontrabass. Standards wie „Love for Sale“ oder „After you have gone“ klangen in der seltenen Besetzung plötzlich gar nicht mehr nach Standard, sondern neu und unverbraucht. Aufregend auch ein weiteres Duo, das in München so noch nicht zu hören war: Allegre Corréa (g) und Bertl Mayr (harpsichord). Brasilianisches Temperament traf auf Wiener Seele – leider gab`s auch hier nur ein auf drei Titel beschränktes Reinschnuppern in die Welt dieses Duos. Denn nun drängte ein erster Promi aufs Podium. Klaus Doldinger spielte im Quartett mit Roberto di Gioia (p), Wolfgang Haffner (dr), und Thomas Stabenow (b). Der deutsche Jazzrocker zählt musikalisch sicher nicht zu Scheffners Favoriten, dennoch kennt und schätzt man sich seit langem: Doldinger lieferte nicht nur ein temperamentvolles Freejazzständchen ab, sondern machte aus seinem Herzen keine Mördergrube. Angesichts dieses übervollen Saales wäre es doch naheliegend, wenn Beck zukünftig jedes Jahr unter die Konzertveranstalter ging (Die Jazzzeitung schließt sich diesem Wunsch an. So neu wäre die Idee ja nicht, denn Anfang der 90er war Beck bereits als Jazzveranstalter aufgetreten – mit einer kleinen, feinen Konzertreihe, die in loser Folge inmitten der Verkaufsräume stattfand). Weitere Highlights folgten: Harfenistin Silke Aichhorn kommentierte den Jazz aus der Sicht der Klassikerin und wünschte Scheffner mit Titeln wie „Ten past Two“ mehr Zeit zum Shoppen und mit „The Day After“ einen guten Übergang in die Zeit des Ruhestandes. Das Grußwort von Josef von Westphalen war Jazz in Reinform. Zwanzig Minuten extemporierte der Schriftsteller und Jazzkenner über sein Verhältnis zu Manfred Scheffner, ein Verhältnis zwischen Händler und Käufer, genau genommen zwischen Dealer und Junkie. Endlich – nach zweieinhalb Stunden Programm – kündigte Beate Sampson die lang erwarteten Stars an: Bob Degen löste di Gioia am Klavier ab und Till Brönner zog als Solist mit gelöstem, souveränen Spiel und kultiviertem Ton die Zuhörer in seinen Bann. Leider hatte der Varanstalter hier nicht ideal disponiert: gerade sein Auftritt wurde der kürzeste, da er zum Flieger musste. Eine prickelnde Melange aus Jazz, Soul und Rock boten Friend ‚n‘ Fellow als drittes Duo des Konzerts – dieses Mal mit Gesang und Gitarre. Constanze Friend und Thomas Fellow sind sonst mehr im Soul- und Bluesambiente zu hören. Doch auch für Jazzerohren sind die Beiden absolut ein Muss (Vormerken: Konzert am 1. Februar 04 im Hotel Bayerischer Hof). Einen „Blues in C“ forderte Beate Samspon als Abschluss der großen Scheffner-Party und sie bekam ihn von Bob Degen, Klaus Doldinger, Wolfgang Haffner, Thomas Stabenow, Roberto di Gioia – als Ersatzmann für Till Brönner war sein Plattenboss, Christian Kellersmann, eingesprungen, allerdings nicht mit der Trompete, sondern mit dem Sopransax. Andreas Kolb |
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