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Jazzzeitung
2006/06 ::: seite 16
rezensionen
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Mick Burns: Keeping the beat on the street/The New Orleans Brass Band
Renaissance
Louisiana State University Press/Baton Rouge, 197 Seiten
Ein wichtiges Buch. Es beschreibt eine Musikszene, die außer in
New Orleans und der näheren Umgebung kaum bekannt sein dürfte:
die Brass Bands, die in den 70er-Jahren eine in Stilistik und Umfang
unerwartete Wiederbelebung erfuhren. Der Banjospieler und Gitarrist
Danny Barker hatte daran wesentlichen Anteil. Er gründete 1972
die Fairview Baptist Church Band mit Jugendlichen, um sie von der Straße
zu holen, und 1983 die Roots of Jazz Brass Band. Weitere Ensembles mit
jungen Musikern entstanden, die anfingen, Elemente anderer Musikformen
aufzunehmen. Vor allem war es dann die Dirty Dozen Brass Band (gegründet
1975), die gleich mit ihrer ersten LP („My feet cant fail me now“)
neue hohe Maßstäbe setzten und zum Vorbild beispielsweise
für die Rebirth Brass Band wurde (gegründet 1983). Die neue
Brass Band – Musik war schneller und rhythmischer als die traditionelle,
die es auch noch gab. Einflüsse von Soul, Rhythm and Blues, Funk
und Rap brachten Schärfe und Drive ins Spiel. Der Autor, selbst
Musiker (Posaunist),schätzt, dass es heute in New Orleans mehr
Brass Bands gibt als je zuvor: er rechnet mit etwa 25 Ensembles. Für
seine lesenswerte Arbeit hat er 2001/2 eine ganze Reihe von Musikern
interviewt, dazu einige, die mit der Szene als Historiker, Lokalbesitzer
oder Rundfunkmitarbeiter eng verbunden sind. Leider fehlt eine Karte
von New Orleans. Der diskographische Anhang ist sehr mager und enthält
keine Besetzungsangaben.
Michael Segell: The Devil’s Horn/The Story of the Saxophone from
Noisy Novelty to King of Cool Farra, Straus and Giroux, New York/325 Seiten
Endlich ein Buch, das der Rolle des Saxophons im 20. Jahrhundert gerecht
wird reich an Wissenswertem (z.B. auch über den Bau von Korpus
und Mundstück),das man sonst nur schwer oder überhaupt nicht
findet.
Der Autor, selbst Saxophonist, bringt uns die Geschichte des lnstruments
wie die Arbeit der Musiker sehr anschaulich und humorvoll nahe.
Erstaunlich, wie lange es dauerte, bis das obertonreichste Blasinstrument
– und daher das mit den meisten Klang- und Ausdrucksmöglichkeiten
(hierin auch die Gitarre übertreffend) sich durchsetzte. Erst im
Jazz ab den späten 20er-Jahren begannen Musiker und Arrangeure,
eine hohe Spielkultur zu entwickeln und das Saxophon vom Image eines
Gag-Instruments und eines seltsamen Außenseiters zu befreien.
Sie zeigten auch, das zu großer Saxophonmusik nicht Artistik gehören
muss, sondern Phantasie und ein Gefühl für starke Rhythmen
und Klänge wichtiger sind. Das „klassische“ Saxophon
war eher den Weg der Artistik gegangen, wobei es auch noch zu einem
befremdlichen Streit zwischen deutscher (Sigurd Rascher) und französischer
(Marcel Mule) Schule kam.
Mehr als 200 Interviews mit Musikern der verschiedensten Richtungen,
aber auch mit Komponisten, Lehrern, Instrumentenbauern, Mundstückherstellern
bilden eine Basis dieses Buches, das für jeden Saxophonisten zur
Pflichtlektüre werden sollte. Nur einen: doch sehr wichtigen Faktor
hat der Autor merkwürdigerweise übersehen: die Frage des richtigen
Blattes und seine Bearbeitung. Hat er nie Probleme mit Blättern
gehabt? Das ist völlig ausgeschlossen – niemand von uns bleibt
davon verschont ... Also bitte bei der nächsten Auflage nachliefern!
Ansonsten: eine baldige deutsche Übersetzung durch einen sach-
und sprachkundigen Autor wird dringend empfohlen.
Joe Viera |