Anzeige |
||
Anzeige |
|
Musikbranche verliert weiter Umsatz und Gesetz gegen Raubkopierer wird verschärft, so lauteten Ende März dieses Jahres die Überschriften zu umfangreichen Beiträgen in großen Tageszeitungen. Meldungen, die den Jazzfreund im Besonderen betreffen, ist doch die Jazz-Sparte immer nur ein kleiner, wenig einflussreicher Faktor innerhalb des großen Phonomarktes gewesen. Wenn das Geschäft mit den Musikkonserven, um sie einmal deutlich zu benennen, leidet, wenn Verkäufe ausbleiben oder zurückgehen, wird es vor allem die kleinen Sparten, und somit auch den Jazz treffen. Denn das, was kaum oder nur wenig Umsatz macht, steht als erstes auf dem Prüfstand. Da sollte sich der Freund swingender Klänge wahrlich keinen anderen Hoffnungen hingeben oder mit Blick auf das zweifellos hohe Kulturgut improvisiert-swingender Musik oder bewahrenswerter Kunst appellieren. Gegen Umsatzverluste hilft von Seiten der Produzenten und das unabhängig von der Zielgruppe nur absolute Qualität, und die fängt beim Erscheinungsbild an und endet beim Preis. Kann man nicht mit Fug und Recht und umfassend behaupten: Die Umsatzverluste der Branche sind erkennbar auch selbst verschuldet? Denn es hat sich doch der Musikmarkt mit den kalten Silberlingen, CDs genannt, in eine Situation hineinverdient, bei der ein entscheidendes Segment schon lange fehlt: das direkte und bedeutsame reine Kaufvergnügen. Denn die zerbrechlichen, schnell verkratzten und ohnehin unansehnlichen kleinen Plastikkästen mit der blanken Scheibe lösen schon lange keinen separaten Anreiz mehr aus. Was zu Beginn daran einst neu und modern, sozusagen trendy und anfangs sogar hinsichtlich der Preise für Abspielgeräte! Statussymbol war, ist überwiegend zum absolutem Ex und Hopp geworden durch die in fast allen Musikbereichen absolut lieblose Präsentation. Es geht auch anders: Der Erwerb von was auch immer, hängt nicht nur vom direkten Bedürfnis ab. Man muss keineswegs die Nostalgie bemühen, doch der Kauf eines LP-Albums war einst durch grafische Gestaltung, ausführlich-informative und kenntnisreiche Liner-Notes in normaler Schrift sowie großformatige Fotos ein durchaus eigenständiges Vergnügen. So hatten Beatles-LPs auch für Stones-Fans einen Reiz, wie auch umgekehrt, und ein ansprechend gestaltetes und sorgfältig vorbereitetes Country-Album von Freddy Quinn einschließlich beigefügtem Poster fand auch die Anerkennung von Nicht-Schlagerfreunden. Denn man erkannte oder erhielt dabei ein wirklich rundum konzipiertes Stück aktueller Musik, Konzept-Album genannt, an dem man sich gepaart mit einem gewissen Besitzerstolz auch schon rein optisch erfreute und zwar über sehr lange Zeit. Sogar Singles waren mit Star-Fotos versehen und grafisch ansprechend gestaltet. Dagegen sind heutige Produkte (und als solches werden sie auch innerhalb der Branche ausschließlich bezeichnet) meist dürftig oder gar nicht mit zusätzlichen Informationen versehen, was bei nahezu allen Sparten von Klassik bis Folklore und Hörbuch festzustellen ist. Eine CD auf- beziehungsweise einlegen, genüsslich mal wieder im Begleitbuch blättern, es wiederholt in die Hand nehmen, wie bei einer Langspielplatte, all das gehört bei den starren kleinen Kästchen und den in winziger Schrift gedruckten Beipackzetteln (zumal noch überwiegend in englischer Sprache) wohl zur Ausnahme. Im Pop- beziehungsweise Schlagerbereich, dem wichtigsten Umsatz-Segment, sind die Alben überwiegend um einen einzigen intensiv gepuschten, doch letztlich kurzzeitlich begrenzten Hit herum mit (oft auch für Fans) Belanglosem gefüllt, wonach es alles andere als verwunderlich ist, wenn sich dann das Interesse auf das Herunterladen eines Titels aus dem Internet oder auf eine Kopie beschränkt sehr viel mehr bekommt man schließlich auch nicht beim Kauf einer CD im Geschäft und für den MP3-Player reicht es allemal. Und damit ist gleichfalls das neue Urhebergesetz angesprochen, welches das Kopieren von Musik unter Strafe stellt. Aus den vorgenannten Gründen wird es aber den Abwärtstrend wohl kaum bremsen und den Absatz nicht wieder in Gang setzen.Somit ist Umdenken der Phonoindustrie erforderlich, vor allem im Interesse der Musik. Einige wenige Firmen, wie zum Beispiel die Hamburger Membran-Gruppe, Bearfamily in Hambergen (seit 1975) oder das amerikanische Jazz-Label „Mosaic“ (seit 1983), sowie ein paar kleinere Spezial-Label machen es mit Abkehr von Plastik und Kleinstformaten und einer Hinwendung zu liebevoll ausgestatteten Ausgaben in Buch- und LP-Formaten erfolgreich vor. Sie veröffentlichen ihre oft üppig illustrierten Ausgaben mit absolut fachkundigen Kommentaren, einschließlich detaillierter Discographie. So werden Editionen angeboten, die für die Plattenfirmen zudem einen entscheidenden Faktor haben: Man kann sie sich nicht oder bestenfalls nur mit unverhältnismäßigem Aufwand kopieren. Allerdings sind es vielfach Ausgaben, die sich schon vom Preis her nicht innerhalb kürzester Zeit verkaufen lassen. Doch auch sie erwirtschaften allemal ihre Produktionskosten und bringen gut kalkuliert sogar Gewinn. Rechnet man als Käufer den gefühlt hohen Gesamtpreis um, so ergibt sich, um nur ein Beispiel zu nennen, bei der neuen Nat-King-Cole Ausgabe „The Complete Capitol Recordings 1955-1959“ (Bear Family) bei 19 CDs ein Einzelpreis von unter 20 – und das ist fast so viel oder auch weniger, als man für eine übliche CD gemeinhin ausgeben muss – doch ohne ein über 200 Seiten umfassendes Buch dazu zu bekommen. Und: Eine solche Edition hat zweifelsfrei ihren eigendynamischen Kaufanreiz. Auch wenn man nicht so hoch hinaus will oder kann, können auch preiswerte Einzelausgaben Freude beim Konsumenten auslösen. So vermittelt zum Beispiel die bereits mit 20 Ausgaben vorliegende Reihe Original Long Play Albums (Membran) das Gefühl, als Konsument ernstgenommen zu werden: ansprechend gestalteter Einband (im so genannten Digipac- buchähnlicher Umschlag), und neben der Musik von lang vermissten Jazz-Alben auch ausführlich informativ-unterhaltsamer Lesestoff (mehrsprachig, auch in deutsch), Abbildungen verschiedener Original-Cover, mit Original-Linernotes sowie Discographie. Vom überraschend niedrigen Preis (7 E) ganz abgesehen. Gerhard Klußmeier
|
|