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Jazzzeitung
2007/02 ::: seite 17
rezensionen
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Samuel Charters: New Orleans - Playing a Jazz Chorus
Marion Boyars Publ. Ltd., London, 239 Seiten
Der amerikanische Musikjournalist Samuel Charters hat sich in seinem
langen Leben (er ist jetzt 77) vor allem mit der Bluesmusik beschäftigt.
Wir verdanken ihm auch viele Aufnahmen großer Blueskünstler,
die heute wertvolle Dokumente darstellen. Sein Buch “The Country
Blues” von 1959 (auch auf Deutsch erschienen) war damals für
mich eine wichtige Einführung in diesen Musikbereich. In den 50er
Jahren lebte Charters größtenteils in New Orleans, wohin er
auch später immer wieder zurückkehrte. So lag es nahe, dass
er Ende 2005 die Stadt, die ihm sehr ans Herz gewachsen war, besuchte,
rund drei Monate nach der Katastrophe, die am 29.August begann, um zu
sehen, was der Hurrikan Katrina und die durch ihn verursachten Dammbrüche übrig
gelassen hatten. Er fand “a city in darkness” (S.34). 80
% des Stadtgebiets waren überschwemmt worden; von den über
400 000 Bewohnern waren zur Zeit seines Besuchs erst etwa 60 000 zurückgekehrt.
Seine Eindrücke und die vielen Gespräche, die er vor allem
mit Musikern führte, schildert er in bewegenden Worten. Mehr ist
nicht zu sagen – man muss dieses Buch gelesen haben. Für mich
das Jazzbuch des Jahres 2006.
Vic Ash: I blew it my way - Bebop, Big Bands and Sinatra
Northway Publications, London, 175 Seiten
Der Lebensbericht des englischen Klarinettisten und Saxophonisten Vic
Ash relaxed und humorvoll erzählt. Sein erstes Engagement in einer “name
band” war 1950 bei Kenny Baker (damals mit Jimmy Skidmore und dem
15-jährigen Tubby Hayes). 1953 wechselte er zu Vic Lewis. Schon
bald darauf arbeitete er mit einer eigenen Gruppe, mit der er auch Größen
wie Maxine Sullivan, Hoagy Carmichael und Cab Calloway begleitete. 1956
nahm er einen kommerziellen Job auf der “Queen Mary” an,
um auf diese Weise einmal nach New York zu kommen.
Ein Jahr später gastierte er mit einer eigenen Besetzung in den
USA (im Austausch für das Count Basie Orchestra). Und so ging es
weiter. 1966-69 lebte er auf den Bermudas, wo er mit Joe Wylie‘s
Band im vornehmen Hamilton Princess Hotel spielte. Wieder in England
arbeitete er mit den verschiedensten Gruppen, oft im Begleitorchester
von Frank Sinatra (für ihn ein Höhepunkt seiner Musikerlaufbahn),
aber auch mit anderen Gesangsstars wie Tony Bennett, Marlene Dietrich,
Lena Horne und Liza Minelli, ebenso auch in Londoner Theaterorchestern.
In den 80er Jahren half er öfters in der BBC Big Band aus und wurde
schließlich festes Mitglied. Auch bei Erscheinen dieses Buches
(2006) war er immer noch als Musiker tätig. Das erklärt er
im letzten Satz seines Buches (S.155) so: “People come up and say, ´Vic
Ash! I first saw you nearly fifty years ago and you‘re still playing!‘ I
tell them,‘Yes, and I‘m going on keep on doing it until I
get it right.‘” Eddie Determeyer: Rhythm is our
business - Jimmy Lunceford and the Harlem Express
The University of Michigan Express/Ann Arbor (USA), 332
Seiten
Endlich eine ausführliche Biographie eines der bedeutenden Bandleaders
der Swingära. Es ist sehr zu hoffen, daß dieses vorzügliche
Buch Jimmy Lunceford und seiner Musik wieder mehr Resonanz verschafft.
Verdient hätte sie es. Über Luncefords Jugend ist wenig bekannt.
Er blieb auch sein Leben lang gegenüber anderen distanziert (anders
als seine mitreißende Musik). Selbst die, die lange bei ihm spielten,
mußten zugeben, ihn nicht wirklich zu kennen. Geboren am 6.6.02,
kam er mit 13 Jahren nach Denver, wo er bei Paul Whitemans Vater Musikunterricht
hatte und verschiedene Instrumente spielte, unter anderem Altsaxophon.
Mit diesem begann er seine Musikerkarriere 1920 bei George Morrison.
1922 ging er an die Fisk University. Neben seinen Studien (Musik, Spanisch,
Soziologie) gründete er ein kleines Tanz-
orchester und trieb viel Sport (Baseball, Football, Basketball). Nach
dem Examen spielte er u.a. bei Wilbur Sweatman und Elmer Snowden und
arbeitete dann ab 1927 an einer High School in Memphis. Er unterrichtete
dort auch Jazz und war damit einer der ersten Jazzlehrer überhaupt
an einer Schule. Zudem gründete er ein Schulorchester, die Chickasaw
Syncopators, mit dem er im gleichen Jahr erste Aufnahmen machte. Mit
dieser Band wechselte er 1929 ins Profilager. Schon damals waren Jimmy
Crawford (dm), Willie Smith (as,arr) und Ed Wilcox (p,arr) dabei – später
wesentliche Stützen in der großen Zeit des Orchesters. 1933
kamen Joe Thomas (ts) und Sy Oliver (ts,arr) dazu. Der Durchbruch erfolgte
aber erst 1934/35. Die Popularität stieg von Jahr zu Jahr und Stücke
wie “White Heat” und “Jazznocrazy” (beide von
Will Hudson arrangiert), “Swingin‘ Uptown” (Sy Oliver)
und später “Uptown Blues” (Headarrangement) und “Lunceford
Special” (Eddie Durham) wurden richtige Hits. Bestechend dabei
der wuchtige Sound (mit Baritonsaxofon, damals in Big Bands noch sehr
selten) und der unwiderstehliche Drive, der das Ensemble zu einem Favoriten
bei den Tänzern machte. Hinzu kam eine ausgefeilte Show. Zu den
Hauptsolisten gehörten Joe Thomas und Willie Smith. 1937 folgte
eine Europareise: ein Konzert in Norwegen, mehrere in Schweden; geplante
Auftritte in anderen Ländern entfielen, auch eine Frankreichreise
im gleichen Jahr. Für August/September 1939 war eine weitere Europareise
fest geplant (u.a. Schweiz, Belgien, Holland, Frankreich). Der Kriegsausbruch
verhinderte sie leider. Sie wäre wohl zu einem Triumphzug geworden,
denn das Orchester befand sich damals auf einem Höhepunkt.
Der Krieg brachte ab 1942 auch für Jimmy Lunceford viele Probleme:Einberufungen,
Transportbeschränkungen und anderes mehr. Zu den jungen Musikern,
die er damals als Ersatz engagieren wollte, gehörten übrigens
auch der 16-jährige Miles Davis und der 17-jährige Oscar Peterson,
die aber beide noch zur Schule gingen. Am 12.7.47 starb Jimmy Lunceford überraschend
an einem Herzschlag mit nur 45 Jahren. Einige der Musiker versuchten,
das Orchester weiterzuführen, aber ohne großen Erfolg
Umfassende Recherchen ermöglichten dem Autor eine differenzierte
Darstellung mit vielen Details auch hinsichtlich der allgemeinen Situation
jener Zeit. Sehr gut zu lesen - eine mustergültige Arbeit. Joe Viera |