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Jazzzeitung
2007/02 ::: seite 8-9
portrait
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Das Projekt, um das es hier geht, entstand im Jahre 2002: das erste Album,
mit dem Titel [re:jazz], sollte eigentlich nur eine Jubiläums-CD
des Labels Infracom werden. Mastermind und DJ Matthias Vogt hatte den
Auftrag, zu diesem Anlass Stücke aus dessen elektronischen Repertoire
zu „verjazzen“. Aus der Idee für ein Einzelalbum entwickelten
sich eine permanente, siebenköpfige Live-Jazz-Band und eine Reihe
aus inzwischen vier CDs mit illustren Gastmusikern. Abweichend vom ursprünglichen
Konzept, sich auf Coverversionen vorliegender Songs zu beschränken,
finden sich auf späteren Alben und insbesondere auf dem aktuellen
mit dem Titel „Expansion“ immer mehr Eigenkompositionen der
Band. „Die CD trägt dem Wunsch der Fans Rechnung, die mehr über
[re:jazz] erfahren wollten.“ weiß Matthias Vogt klarzustellen, „Wie
klingt ihr wirklich? Das können Eigenkompositionen am besten transportieren.“
jazzzeitung: Euer ursprüngliches Motto war es, elektronische Originale
zu verjazzen. Es finden sich aber auf dem neuen Album auch Popsongs oder
ein Stück von Herbie Hancock, die in neue Jazzversionen übertragen
wurden. Inwieweit seid ihr insgesamt eurer Intention treu geblieben?
Matthias Vogt: Die „Expansion“ besteht darin, den Fokus auf
die Liveband zu legen und sie mit Eigenkompositionen zu featuren. Ansonsten
sind wir dem ursprünglichen Konzept, akustische Jazzversionen von
elektronischen Originalen, treu geblieben. „Rock It“ ist
im Original ja schließlich ein Electro-Stück par excellence,
ein Blueprint für Hip Hop und die gesamte Breakdance-Musik!
jazzzeitung: Muss ein Projekt, das über die Jahre wächst,
sich gegenüber Veränderungen und neuen Richtungen öffnen?
Vogt: Das Schöne an [re:jazz] ist ja, dass das Projekt – abgesehen
von der Begrenzung auf akustische Instrumente – keinerlei Dogmen
unterliegt. Wir haben uns nie selbst eingegrenzt, sondern schöpfen
aus dem gesamten Pool unserer musikalischen Ideen. Da kann man „Finally“ eine
neue Taktart verpassen, oder bei „Plastic Dreams“ einen sechsstimmigen
Flötensatz auspacken. Oder, wie bei „Promised Land“,
einen komplexen Chor arrangieren.
jazzzeitung: Wie
erklärst du dir den großen und großartigen
Erfolg von [re:jazz]? Hat er auch damit zu tun, dass uns, die wir im
elektronischen Zeitalter leben, eine musikalische Umgebung, die elektronische
Vorbilder und Akustikjazz verbindet, angenehmer ist?
Vogt: Vielleicht. Der Sound von [re:jazz] klingt klassisch,
wäre
aber vor dem Jahr 2000 nicht denkbar gewesen. Die Musik ist neu, fühlt
sich aber nicht so an. Vielleicht ist das der Punkt: der „Wohlfühlfaktor“.
Weiß ich nicht. Ich fühle mich im Club beim Plattenauflegen
genauso wohl wie beim Jazz im Konzertsaal. Wir haben jedenfalls ein Schubladendenken
ad acta gelegt. Und das führt ein junges Publikum an den Jazz heran
und ein älteres an die Elektronik. jazzzeitung: Wie siehst du das – ist [re:jazz] jazziger als manch
andrer Jazz? Oder eher poppiger und danceorientierter als Durchschnitts-Jazz
und spricht somit ein breites Publikum an, das nicht allzu sehr auf Jazz
festgelegt ist?
Vogt: Unsere Musik wird höchst unterschiedlich rezipiert. Je nach
musikalischer Sozialisierung des Hörers klingen wir für ihn:
jazzig, poppig, loungig, tanzbar, neu, altmodisch. Alles Schlagworte,
die ich schon über uns gehört und gelesen habe. Du siehst,
höchst gegensätzlich! Tatsache ist, dass wir an die verschiedensten
Plattensammlungen gut andocken. Ich tue mich schwer, uns zu beschreiben
und kategorisieren – wir haben halt ein breites Spektrum! Unser
Hauptanliegen ist, Schönheit zu schaffen. Und wir klingen so, wie
sich das für uns gut anfühlt.
jazzzeitung: Wenn Originale zur Umsetzung durch [re:jazz] ausgesucht
werden, wie gehst du da ran? Sprich, wo suchst du nach Material? Hilft
es dabei, dass du auch als DJ tätig bist?
Vogt: Die Coverversionen wählen ich und Jan Hagenkötter von
Infracom aus. Er ist auch der ausführende Produzent für [re:jazz].
Zum Teil hatten wir die Stücke schon für das Vorgängeralbum „Point
Of View“ auf dem Zettel, zum Teil war erst jetzt die Zeit dafür
gekommen. Es sind aus Sicht des DJ, wenn man es auf einen Nenner bringt, „all
time favourites“. Schwierig macht es der Respekt vor diesen, im
Original so unverwechselbaren und großen Stücken: Es ist leichter,
einen Song zu bearbeiten und umzuinterpretieren, dem man weniger Bedeutung
beimisst. Gerade bei „Rock It“ oder „Finally“ sitzen
die Originale derart fest im Gehör, dass man nur schwer eine neue
Herangehensweise findet. Da hilft ein Gedankenspiel, etwa: Wie hätte
das Stück geklungen, wenn es ein Brasilianer 1970 komponiert hätte?
Carina Prange |