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Menschen, die unter Hochdruck stehen oder solchen erzeugen, sehen eigentlich anders aus, irgendwie angestrengter. Diese drei Herren hier produzieren die Energie eines alpinen Kraftwerks – aber sie lassen es sich nicht anmerken. Trotz der Druckwelle, die aufs Auditorium niedergeht, wirkt es, als würden es sich beiden Schweizer und der Österreicher auf der Bühne der Münchner Unterfahrt für zwei Stunden gemütlich machen. Jojo Mayer schüttelt locker Rhythmen aus den Handgelenken, als würde er mit einem ganzen Bündel Sticks jonglieren, Bassist Heiri Känzig schunkelt verzückt mit seinem korpulenten Instrument und Saxofonist Harry Sokal gibt den großen Stoiker.
Bei Rock- und Popgruppen kommt das öfter vor: da tun sich alte Recken nach Jahren wieder zusammen, oft trübe, träge, grau und feist geworden, um noch einmal an einst glorreiche Zeiten zu erinnern, um noch einmal ein paar Cent vom damaligen Ruhm abzuschöpfen. Das klingt dann auf der Bühne oft so traurig wie es optisch aussieht. Im Jazz taucht das Phänomen der Reunion nicht sonderlich häufig auf. Die, um die es hier geht, hat nach zwölfjähriger Auszeit so reingeknallt, dass gleich mehrere Fachorgane vom „Comeback des Jahres“ sprachen. War ja auch kein Wunder bei dem, was Depart live und mit ihrem Album „Reloaded“ (ACT) abgeliefert haben: Jazz mit Frischesiegel, der verschmitzt tänzelt, mächtig schiebt, unwiderstehlich swingt, elegant rockt und beherzt instrumental jodelt. Nachdem sich Heiri Känzig und Harry Sokal, beide einst in den Diensten des Vienna Art Orchestras stehend, in der letzten Zeit wieder öfter über den Weg gelaufen waren, fasste man den Entschluss, das gemeinsame Trio, das sich 1994 auflöste, neu zu beleben – und überraschte den in mittlerweile in New York lebenden Schlagzeuger Jojo Mayer mit dem Entschluss. „Die Explosivität und Energie ist bei uns so ausgeprägt wie früher. Das hat das Trio immer so interessant gemacht, dass es da immer eine Spannung gab. Entwickelt haben wir uns über die Jahre natürlich viel weiter. Jetzt harmoniert und disharmoniert alles mit einer ganz anderen Reife“, sagt Harry Sokal. Und Heiri Känzig ergänzt: „Die Spannung entsteht durch die Unterschiedlichkeit unserer Charaktere. Je unterschiedlicher die Menschen sind, desto mehr Spannungsfelder gibt es – weil jeder an einen anderen Punkt gehen will.“ „Eine elektrisch pulsierende Mixtur aus alpiner Folklore und
New Yorker Downtown-Grooves, aus flirrenden Sax-Hymnen und rumpelnden
Rhythmen“,
befand Frank von Niederhäusern in der DRS-Radiozeitung nach dem
Neustart. Wie schätzen denn die drei Departisten ihren derzeitigen
musikalischen Status ein? „Die Stücke sind offener und wir
improvisieren viel mehr als früher“, sagt Mayer. „Wir
haben jetzt nicht mehr den Drang, die Welt einreißen zu wollen“,
meint Sokal. „Stimmt“, bestätigt Känzig. Noch mal
Harry Sokal: „Wir sind viel toleranter geworden und wissen viel
besser, was wir wollen. Und zwar jeder für sich. Wir haben früher
mehr konstruiert. Heute ist da eine andere Ehrlichkeit vorhanden. Und
wir sind so drauf, dass wir uns einfach immer sagen: schaun mir mal.“ Ssirus W. Pakzad |
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