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Red Garland „Und der Hammer flog aus seiner Gabel – und
einige Saiten gaben kreischend ihr Leben auf ...“ (Carl Maria
von Weber). Stellen Sie sich in etwa so das Klavierspiel eines Boxers
vor? Nicht doch! Leichtgewichtspreisboxer
Red Garland, von Erroll Garner nicht weniger als von Bud Powell beeinflußt,
war nicht nur einer der unterhaltsamsten Pianisten der Hardbop-Ära.
Es gibt kaum einen Pianisten der Jazzgeschichte, dessen zarter Anschlag
so sehr an Glöckchen gemahnt. In seiner Delikatesse trifft sich
Garland auch mit dem Lieblingspianisten seines damaligen Brötchengebers
Miles Davis, der Garland aufforderte, in der Art Jamals zu spielen. Gottlob
verfügte Garland über das „gewisse Etwas“, das
ihn auch bei so einem Unterfangen unverwechselbar macht. Ebenso finden
wir hier „Ahmad’s Blues“, ein Nebenprodukt einer Davis-Session,
das Garland einen Plattenvertrag bei Prestige verschaffte. Dave Brubeck Quartet Ein lange entbehrter Klassiker! Als ich im Jahr 2000 Brubecks „80th Birthday Collection“ zusammenstellte, war „Jazz At Wilshire“ unbekannt und unerreichbar. Am 20. Juli 1953 im regulären Quartett mit Paul Desmond (as), Ron Crotty (b) und Lloyd Davis (dr) in L.A. aufgenommen, wurde das Album erst 1956 von Fantasy veröffentlicht, nachdem der mittlerweile berühmte Pianist zu Columbia gewechselt war. Das riecht zwar nach Resteverwertung, mit dem man noch am Erfolg des Entfleuchten teilhaben will, doch nichts von Paul Desmond und Dave Brubeck aus dem Jahr 1953 ist zweitrangig! Sie hatten damals ihren Durchbruch, eroberten für das Quartett und damit für den Jazz allgemein Colleges, Universitäten und (wie im vorliegenden) Fall, kleine Konzertsäle als Spielstätten. Warum das Konzert erst heute sein digitalisiertes Comeback schafft, läßt sich nur vermuten. Vielleicht, weil zwei Konzerte des Jahres „At Oberlin“ und „At The College Of South Pacific“ noch gelöster, genialer gerieten, bei ähnlichem Repertoire. Die traumhaft sichere Interaktion, die von gegenseitiger Inspiration und erstaunlicher Intuition, ja Gedankenlesen zwischen Brubeck und Desmond zeugte, verströmte auch „At Wilhire Ebell“, eine schwer in Worte zu fassende Magie. „Too Marvelous For Words“ entspricht dem Titel. Weil der Mitschnitt für eine CD zu kurz ist, hat man es um andere Live-Aufnahmen des Jahres 1953 ergänzt. Charlie Parker Wenige haben die Jazzgeschichte so gründlich umgekrempelt wie Charlie Parker, der neben Dizzy Gillespie und Thelonious Monk wichtigste Mitbegründer des modernen Jazz in den 40er-Jahren. Demgegenüber bedeuten die 50er-Jahre zwar keine grundlegenden Änderungen seines klassisch gewordenen Programms, keineswegs aber ein Abgleiten in die reine Routine oder (wie wegen der Aufnahmen mit Streichern unterstellt wird) in den Kommerz. Obwohl Parker mit seiner chaotischen Lebensweise seiner Karriere selbst im Wege stand und nicht zuletzt durch seinen Drogenmißbrauch seine Gesundheit ruiniert hatte, konnte sich „Bird“ in den letzten Lebensjahren zu Höhenflügen aufschwingen, die zum einen von Norman Granz für Verve im Studio aufgenommen wurden, zum anderen mit Rundfunk- und Privatmitschnitten aus New York, Portland und Boston dokumentiert wurden. Die vorliegende Doppel-CD beginnt im Juli 1953 (also leider erst nach dem Massey-Hall-Konzert) und endet im Dezember 1954. Aus dem Todesjahr 1955 ist kein einziger Ton erhalten. Die mit sehr guten Liner Notes ausgestattete Edition ist dank der verschiedenen Quellen sehr facettenreich: Parker im Studio und live mit eigenen Combos, mit Streichern, mit lokalen Begleitgruppen, als Gast bei Stars wie Gillespie und Kenton, mit eigenen Kompositionen und seinem abschließenden Cole-Porter-Song-Book … Sie wäre unschlagbar, wenn sie auch vollständig wäre. Miles Davis Ein Blick auf den Titel der 10-CD-Box genügt, ihre Bedeutung zu erkennen, ein zweiter auf den Preis (sie ist oft unter 40 Euro zu haben), sie zu kaufen. In der Tat wurden hier erstmals (fast) sämtliche Einspielungen des Trompeters versammelt, die zwischen 1948 und 1955 außerhalb der Studios entstanden sind. Früher mußte man sie sich auf verschiedenen, zum Teil seltenen und teueren Veröffentlichungen zusammensuchen. Als Bonus findet sich sogar ein Stück mit Benny Carter aus dem Jahr 1946. Die wichtigen 48er Aufnahmen als Sideman Charlie Parkers sind nicht dabei, dafür aber spätere Beispiele des Zusammenspiels mit seinem „Entdecker“. Obwohl einige dieser Tondokumente eine jämmerliche Aufnahmequalität aufweisen, waren viele von ihnen nie so gut zu hören! Sie bieten eine wertvolle und aufschlußreiche Ergänzung zu den damaligen Studioplatten für Capitol, Prestige und Blue Note. Nur live kann man das 1955er Comeback in Newport an der Seite von Monk hören. Oder wie die Band, die im Capitol-Studio als „Birth Of The Cool“ in die Geschichte eingehen sollte, im Royal Roost noch gar nicht auf die „coole“ Zurückhaltung eingeschworen war. Wie Miles sich fast verstellt, um neben seinem Idol Dizzy auf der Bühne zu punkten. Der Kommentar ist – trotz Schnitzern wie der Verwechslung von Charlie Ventura und Lucky Thompson in der Soloreihenfolge – gut. Man sollte ihn auf Französisch lesen. Louis Armstrong Vol.7 der Armstrong-Reihe mit Aufnahmen der Jahre 1946/1947 ist mit „Stop Playing Those Blues featuring Jack Teagarden and including the famous Town Hall Concert“ überschrieben. Doch selten hört man Satchmo mit einer so vielfältigen Auswahl großartiger Blues, darunter „Back O’Town Blues“ und „Jack-Armstrong Blues“. Die gute Zusammenstellung sollte eher heißen: „Stop Playing with Big Band”. In der Zeit der vorliegenden digitalisierten Schellacks (die mit einer Ausnahme für RCA Vitor entstanden) nahm Armstrong schweren Herzens Abschied von seiner Big Band (die noch mit dem Stück „Endie“ vertreten ist), um mit kleinen Formationen wieder an die Combo-Tradition seines Frühwerks anzuschließen. Nach den Einspielungen mit den „Hot Six“ (mit Barney Bigard) und den „Dixieland Seven“ (mit Kid Ory) entstanden die ersten Aufnahmen der „All Stars“. Ihr Town Hall–Konzert vom 17. Mai 1947, das den Wendepunkt markiert, gehört auch zu deren besten: Zum einen liegt es an Sidemen vom Kaliber eines Jack Teagarden. Doch auch Armstrongs Einfälle wirken um einiges spontaner als in der späteren All-Star-Routine. (Später nahm Armstrong seine Konzerte auf, um sich das Beste aus seinen Improvisationen für den nächsten Tag zu merken – so improvisierte er schließlich immer weniger.) Ein rundum beglückendes Album eines Sängers, der das Herz berührt, eines Trompeters, dessen Sound die Strahlen der Sonne spiegelte. Marcus Woelfle |
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