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Vage erinnere ich mich an ein Konzert vor etwa einem Vierteljahrhundert.
Durch Zufall landete ich als Milchbart eines Abends im „Allotria“ in
der Münchner Türkenstraße. Auf der Bühne saß ein
einzelner Musiker, nicht eben groß von Statur, Schnauzbart, eine
Kapitänsmütze auf dem Kopf und eine Gitarre unter dem Arm.
Er hieß Oscar Klein und erklärte den Blues: Erst eine Stimme
auf der Bass-Saite, dann eine zweite, eine dritte und vierte dazu.
Und noch Gesang. Vor den erstaunten Augen und Ohren dieses selbst ein
wenig musikalisch dilettierenden Knaben war ein musikalisches Wunderwerk
entstanden, an dessen verblüffende Wirkung ich mich tausende Konzerte
später noch bis heute erinnere.
Geboren 1930 in Graz, wurde er von seinen Eltern zunächst auf die Baseler Kunstgewerbeschule geschickt, wo er unter anderem die Grundlagen für seinen zweiten Beruf als Grafiker lernte. Während dieser Jugendjahre, die das Ende des Zweiten Weltkriegs und eine Invasion der swingenden Musik erlebten, brachte er sich autodidaktisch zunächst das Gitarre-Spielen bei. Kaum volljährig arbeitete Klein als Kunsterzieher in Florenz, entdeckte für sich das Kornett und lernte sein zweites Instrument. Derart begabt dauerte es nicht lange, bis er auch auf der Bühne mehr und mehr im professionellen Umkreis zu hören war. Seine elegant swingenden Linien und bei Bedarf bluesig growlenden Trompetentöne prägten seit den späten 50ern den Sound der „Fatty George Band“, der „Tremble Kids“, der „Dutch Swing College Band“. Lionel Hampton lud ihn ein in seine Band, ebenso Dexter Gordon oder Earl Hines. Klein wurde zu einer Größe innerhalb des Dixie-, Swing- und New Orleans-Revivals und er ließ es sich nicht nehmen, in Clubs und auf Festivals ebenso gerne zu spielen wie in Schulen oder bei Workshops. So würde er wahrscheinlich, wenn jemand eine Geschichte des deutschen Wirtschaftswunder-Jazz aus der Perspektive der Hörer schriebe, auf den vorderen Rängen der improvisierenden Missionare landen, als ein Original, das zwar die Musik nicht neu erfunden, durch seine Freude, Virtuosität und Überzeugungskraft aber für viele erfahrbar gemacht hat. Am 12. Dezember 2006 starb Oscar Klein im Alter von 76 Jahren überraschend in seiner schwäbischen Wahlheimat Plüdershausen. Der Captain hat den Hut genommen. Ralf Dombrowski |
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