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Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass es so etwas wie Reinkarnation wirklich gibt, musste man ihn nur in der Kehle und auf den Stimmbändern einer jungen Frau aus Georgia suchen. Als Madeleine Peyroux 1996 ihr Debüt-Album „Dreamland” (Atlantic) veröffentlichte, glaubte manch einer, seinen Ohren nicht zu trauen. Dieser dunkle, offensichtlich von Whiskey, von Zigaretten und vom Leben getrübte Tonfall, diese bittersüßen Nuancen, diese Mischung aus Würde und leiser Verzweiflung – reinste Billie Holiday. Die Reaktionen, die Madeleine Peyroux mit ihrer Stimme damals auslöste, reichten von totalem Unverständnis über differenziert formulierte Zweifel bis hin zu stürmischer Begeisterung. Als die 22-Jährige dann auf Promotion-Tour für ihr Album ging, pampte sie so ziemlich jeden Journalisten an, der ihr den Billie Holiday-Vergleich unter die Nase hielt. Kein Kollege hat sich besonders gern an die Pressetermine mit der in Paris und New York aufgewachsenen mauligen Sängerin erinnert. Auch ich nicht.
Acht Jahre später ist Madeleine Peyroux aber offensichtlich mit sich im Reinen. In Hamburg gibt sie in der Bar des noblen Design-Hotels Dorinth Sofitel vor einem kleinen Zirkel von Medienleuten einen Showcase, um sich zurück zu melden. Sie stellt Musik aus ihrem zweiten, von Joni Mitchells Ex-Mann Larry Klein produzierten, charmant zwischen Jazz, Folk und Blues vermittelnden Album „Careless Love” (Rounder/ Universal) vor. Sie steht barfuß auf einer handtuchgroßen Bühne, strahlt ihr Publikum an, scherzt und flirtet. Musikalisch nimmt die diesmal hochsympathische 30-Jährige einen schon nach ein paar Takten gefangen. Man schließt die Augen und stellt sich vor, dass sie im Schaukelstuhl auf der Veranda eines Farmhauses sitzt und ganz versunken für sich selbst singt. Am nächsten Morgen. Ich spreche sie auf die Zickennummer an, die sie damals veranstaltete, wenn das Thema Billie Holiday fiel. „Von Billie Holiday habe ich ungeheuer viel gelernt, vor allem, dass man versuchen sollte man selbst zu sein. Je mehr ich singe, desto näher komme ich diesem Ziel. Warum ich damals bei den Interviews so ausgerastet bin?” Sie schlägt die Augen nieder. Es ist ihr offensichtlich peinlich. Sie knetet verlegen die Hände, lächelt scheu und antwortet dann etwas zögerlich: „Nun ja, ich wusste damals wirklich nicht, wie ich mit diesem Vergleich umgehen sollte. Ich war total überwältigt von der vielen Aufmerksamkeit, die ich erregt hatte. Mittlerweile kann ich damit viel besser umgehen. Heute sehe ich den Billie Holiday-Vergleich auch eher als Kompliment denn als Vorwurf. Ich hatte vor acht Jahren geradezu panische Angst vor meiner Verantwortung. Ich wollte damals weder eine zweite Billie Holiday sein, noch wollte ich, dass die Leute mir statt ihr zuhören. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass es viele Hörer, speziell die der jüngeren Generation gibt, die mit ihrer Musik gar nicht vertraut sind.” 200.000 Exemplare hat Madeleine Peyroux damals von ihrem Album „Dreamland” weltweit abgesetzt. Doch statt ihre Karriere gleich weiter voranzutreiben, hat sie sich erst mal eine Zäsur verordnet, ist in der Welt herumgereist, hat eine Zeit lang in einer christlichen Gemeinde in Nashville gelebt und besann sich dann ihrer Wurzeln – in dem sie wieder als Straßenmusikerin auftrat! „Andere Kollegen machen das bestimmt auch – sie geben es nur nicht zu”, lacht Madeleine Peyroux. „Sich da alleine hinzustellen, nur mit Stimme und Gitarre bewaffnet, diese Freiheit liebe ich. Da ich Autodidakt bin, habe ich manchmal Schwierigkeiten, einem anderen Musiker zu vermitteln, was er genau spielen soll. Da ist die Kommunikation schon etwas merkwürdig. Ich mochte diesen Purismus des Musizierens auf der Straße immer. Er hält die Musik wach, frisch und lebendig. Auf der Straße zu spielen ist übrigens nicht annähernd so seltsam wie man glauben möchte. Manchmal war es etwas komisch, wenn mich jemand erkannte und es zunächst nicht glauben wollte, dass ich es wirklich bin. Aber ich habe es nie erlebt, dass die Leute darüber pikiert waren oder dass sie es gar als imageschädigend empfanden. Mir hat nie jemand davon abgeraten, auf der Straße zu spielen.” Und dann verrät sie mir noch das Einmaleins des Straßenmusizierens. Ssirus W. Pakzad |
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