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Was gibt es Größeres, Edleres, Erhebenderes als einen lackierten Flügel? „Steinway macht Persönlichkeiten.“ Das weiß jeder Amateur-Klimperer und meint, er dürfe jetzt beim Spielen vor sich hin sabbern wie Gould oder Jarrett und habe mit dem Klavierkauf schon die Schallplattenreife erworben. In Wolfsburg bauen sie vor lauter Renommierwut sogar ein Auto mit Klavierlackierung. Bei so viel Persönlichkeits-Glanz tunen sich die Motoren ganz von selber: Nicht nur der Lack, weiß die musikbegeisterte VW-Werbung, auch „der Klang erinnert an einen Konzertflügel“. Also bitte nicht erschrecken, wenn Sie auf der Autobahn bald von einem Oscar-Peterson-Solo überholt werden! Natürlich gibt es auch Unangepasste, die gegen das Luxus-Gehabe der Klavieristen rebellieren und ihre Klangkarossen mal schnell auf der Straße zerschellen lassen. Der Franzose François-René Duchable hat seinem Flügel wenigstens einen Wassertod gegönnt, bevor er seine Pianisten-Karriere beendete. Klavier-Sadisten bevorzugen Foltermethoden in Form avantgardistischer Kompositionen mit Spielanweisungen wie dieser: „Entfernen Sie zunächst den Fangerfilz, biegen Sie den Fangerdraht um den Hammerkopf und brechen Sie mit Hilfe des Mechanikbalkens die Dämpferprallleiste entzwei. Reißen Sie die Hammerleiste heraus und stemmen Sie sie so gegen den Diskantsteg, dass sich die Mechanikbacke löst.“ Auf eine genaue Notenvorlage hat der Komponist verzichtet. Pianologen meinen: Klavierhass ist als Perversion in der Verehrung mit angelegt. Daher versuchen sie, Pianisten ein „kameradschaftliches“ Verhältnis zum Instrument zu vermitteln. Vorbildlich gelang ihnen das im Fall der Popsängerin Tori Amos, die verriet: „Ein Bösendorfer ist ein Freund. Zusammengerollt liege ich unter ihm. Ich verstecke meinen Lip Gloss darin und meine Geheimnisse.“ Wer wäre da nicht gern Klavier? Rainer Wein |
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