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Der blinde englische Pianist George Shearing (geb. 1919) war in seinem Heimatland schon bekannt, als er 1947 in die USA übersiedelte, mit Frau und sechsjähriger Tochter, 2000 US-Dollar in der Tasche, ohne einen Vertrag, nur mit der Zusage Leonard Feathers (ebenfalls aus England stammender, damals in den USA schon ziemlich prominenter Jazzkritiker), ihm zu helfen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gewann er 1949 die Aufmerksamkeit der Musikwelt mit seinem neuen Quintett, dessen vor allem durch das Zusammenspiel von Klavier, Vibraphon und Gitarre geprägter cooler Sound sofort auffiel; keine Jazzgruppe hatte vorher je so geklungen. Der „Shearing Sound“ wurde zu einem Markenzeichen und zum Vorbild für viele Musiker, auch in Deutschland. Aufnahmen wie „September in the ram (1949) und „Lullaby of Birdland“ (1952) wurden Verkaufserfolge. Von da an stand George Shearings Karriere nichts mehr im Wege. Die beiden genannten Titel sind übrigens auf der als Ergänzung zu diesem Buch gedachten Doppel-CD „Lullabies of Birdland A Musical Autobiography“ enthalten (CONCORD CCD2.-2311-2). Eine detaillierte Darstellung seines Lebens (analog etwa zu dem hervorragenden Buch über Wild Bill Davison, siehe Besprechung im gleichen Heft) dürfen wir hier allerdings nicht erwarten. So bleibt vieles unerwähnt. Aber die Lektüre lohnt sich trotzdem.
Einer der originellsten Musiker des frühen Jazz war der Kornettist Wild Bill Davison (1906-89), dessen zupackende, hitzige Spielweise einen bemerkenswerten Gegenentwurf zu der Louis Armstrongs darstellt. Seinen Spitznamen hatte er nicht ohne Grund: er liebte Whisky und Frauen,
war fünfmal verheiratet (und zahllose Male nicht) aber er liebte
auch Pünktlichkeit und Anzüge (mit der bunten Bekleidung seiner
europäischen Begleitmusiker im letzten Drittel seines Lebens konnte
er sich nie anfreunden). Er war ohne Zweifel ein bedeutender Musiker,
aber keiner der auf eine große Karriere aus war, die er dann aber
doch machte, wenn auch nur sehr langsam. Eine der Ursache lag in seinen
schwachen Notenkenntnissen, die ihm ein Engagement als Big Band- oder
Studiomusiker verwehrten. Ob er sich dort als der Individualist, der er
war, wohlgefühlt hätte, ist freilich eine andere Frage, aber
es hätte seine manchmal ziemlich prekäre finanzielle Situation
sehr verbessert. Er war auch kein Leader-Typ, sondern ein Follower, wie
der Autor ihn nennt, der dort spielte, wo er sich ergab, am liebsten jeden
Tag im Jahr (seine Ausdauer war legendär). Er wuchs im Staate Ohio
auf, machte 1925 seine ersten Plattenaufnahmen mit dem wenig bekannten
Chubb-Steinberg Orchester und brauchte lange, bis er über Chicago
schließlich 1941 nach New York kam und Anschluss an den Kreis um
Eddie Condon fand. In „That’s a plenty“ vom 19. November
1943 (auf COMMODORE) ist er dann voll da und swingt (wie die ganze Band),
dass es eine wahre Freude ist. Da war er bereits 37 Jahre alt und endlich
musikalisch zu Hause. Joe Viera |
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