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Betörende Melodien. Wiederholungen. Zuckelnde Rhythmen. Wiederholungen. Musik zu offenbar nicht existierenden Filmen. Eine neue CD. Mit Musik, die fremdartig bekannt wirkt. Wiederholungen? „Day After Night Before“ enthält Remixe einiger auf „Songs“ enthaltener Stücke, eingerahmt durch zwei original eingespielte, bisher noch nicht veröffentlichte Titel („Day After“, „Night Before“ – so kommt auch der enigmatische Titel zustande). Was bleibt erhalten? Wie gesagt: Melodien. Wiederholungen. Rhythmen. Wiederholungen. Musik zu offenbar nicht existierenden Filmen – die ausgeprägte Melodiösität der Themen, die stets einen melancholischen Eindruck machen, zieht sich wie ein dunkler Faden durch beide CDs. Frappierend dabei ist, dass sich Ältere unter den Zuhörern mit Tijuana Mon Amour Broadcasting Inc. an Klänge und Bands erinnert fühlen, die die Jungs um Matthias Petzold entweder überhaupt nicht oder nur sehr beiläufig kennen, die sie zumindest nicht als bewusste Anregung empfinden: Mark Mothersbaugh, Cabaret Voltaire, Draisinen-Fahrgeräusche aus Tarkowskis „Stalker“, Osibisa, Adam Makowicz’s vom Sound her verzuckertes Kitsch-E-Piano, ja sogar Santana oder auch die Musik zu Willi Schwabes „Rumpelkammer“. Jüngere wiederum hören Tarwater oder Salaryman anklingen. Eine universale Musik für eine Welt in Zeitlupe, des individuellen Rückzuges, der Reduktion. Dort, wo aufschäumende Wasser in Stillstand übergehen, beginnen die Musiker von Tijuana Mon Amour Broadcasting Inc. ihr betörendes Nachtwerk. Musik wie ein Soundtrack zu Kamerafahrten über treibende, rinnende, tropfende, gelassen dahinfließende Nachtgewässer. Eine Herausforderung für Remixer? Kann man einen dunkel leuchtenden Edelstein so fotografieren, dass er noch intensiver als in der Natur strahlt? Neue Sichtweisen – neue Hörmöglichkeiten: Wie gehen Remix-Musiker-Kollegen mit dem Tijuana-Material um? Der Jorge-Remix von „Moriko & Jim“ wirkt knackiger, bizarrer, computerisierter als das Original auf „Songs“, ähnliches gilt für Solovyevs Remix des Titels „Black Paper“, dessen Original einem schleppenden, verschlierten Rockstück gleichkommt (während Jorge daraus ein erst country-spaciges, dann Dub- und Drum’n’Bass-artiges Heute-Stück macht). Frank Rumpelt schafft aus „To the Summer People“ ebenfalls eine Dub- und Drum’n’Bass-artige Version, Thaddeus Herrmann lässt „Sideman Song“ zu einem Hohelied auf stoisches Beharren werden. Das verspielt-übermütige „Roswita“ mutiert unter dem Einfluss der Medienkünstlerin CFM zu einem spieluhrenartigen, die Insignien des Vergehens (tropfendes Wasser, Vinylrillen-Knistern) thematisierende Klangstück. Winterberg (Christian Retzke) schließlich verwandelt die noisige Soundscape „Allein im All“ in einen stark rhythmisierten, an Maschinenmonotonie erinnernden Endlos-Soundfluss, der schließlich mit Anklängen an den Beginn von „Songs“, „Sand“, versickert. Alles in allem eine immer noch sehr visuell wirkende Musik. Übrigens: Berührungspunkte der beiden CDs mit der Welt des Films ließen sich auch ganz offenkundige finden. Mal abgesehen vom Stalker’schen Draisinen-Rattern betrifft das vor allem das dazugehörige Artwork. Die Covergestaltung der CDs „Songs“ (weiße durchbrochene Mittellinie einer nächtlichen Straße) und „Day After Night Before“ (mehrere Personen in scheinbar einer Person) erinnern sehr an David Lynch, ebenso der verdrehte Aufbau der Titelformulierung „Day After Night Before“. Chronologisch schlüssig wäre „Night Before – Day After“. So wie Lynch mit verdrehten Erzählabfolgen für Irritationen sorgt, erzeugen damit die Tijuana-Musiker einen geheimnisvoll wirkenden Interpretationskontext. Die CD wurde auf Doxa-Records veröffentlicht. Mathias Bäumel |
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