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„Die Bamberger Jazzszene ist gar nicht so klein – auf die Größe der Stadt bezogen!“ So sieht es mit gebührendem Stolz Pianist Tex Döring als halboffizieller Selbstdarsteller und Sprachrohr der oberfränkischen Szene. Die hat natürlich auch einen festen Wohnsitz: Den als ordentlichen Verein 1974 am 1. Oktober gegründeten Bamberger Jazzclub in der Oberen Sandstraße 18 – mitten in der verwinkelten, von historischen Fachwerkhäusern und engen Kopfsteinpflaster-Gassen geprägten Altstadt.
Dort darf man sich hinter der schweren Eingangstür erst einmal entscheiden: Links wartet die allem Anschein nach Ende der 1970er mit Würde steckengebliebene Rockkneipe „Stilbruch“. Rechts geht es steil abwärts in die frisch renovierten, erstaunlich luftig und offen wirkenden Jazz-Katakomben. Das dreißigjährige Jubiläum der offiziellen Vereinsgründung wird dort und in den benachbarten, geräumigeren Haas-Sälen von Oktober bis Dezember entsprechend stilvoll gefeiert: Mit Starkonzerten von Larry Coryell und Billy Cobham (10.11.) – und der seit vielen Jahren bewährten und erfolgreichen Programm-Mixtur aus Gastauftritten und regionalen Musikern wie mit der lokal berühmten „Schweinsohr Section“ (11.12.), mit dem Trio „Schmuck – Schullan – Hellwich“ ergänzt um einen Überraschungsgast (3.12.) oder dem Harald Hauck – Norbert Schramm Quintett (26.11.). Von der sonst überall gefürchteten Besucherflaute und Krisenstimmung ist hier wenig zu spüren. Man erwartet keine Wunder, wenn etwa bei Free Jazz-Konzerten der Keller leerer bleibt als sonst. „Da geben wir auch mal das Eintrittsgeld zurück, wenn jemand nach dem zweiten Stück schon die Ohren voll hat“, sagt die langjährige Vorstandsfrau Marianne Benz. „Aber das kommt eigentlich kaum jemals vor“. Das sind allerdings Randerscheinungen. Das Hauptaugenmerk von Programmchef Georg Fößel liegt auf Modern Jazz, Fusion und vor allem auch der Nachwuchsförderung: Bühnen für Newcomer sind rar. Abhilfe schaffen regelmäßige Sessions, organisiert von Harald Hauck, der sonst bei allen Konzerten für den richtigen Live-Sound sorgt. Pünktlich zum Vereinsgeburtstag freut er sich über die neue Anlage und das noch nicht einmal eingespielte neue Klavier. „Das übernehme ich doch gerne“, grinst Tex Döring, der mit seinem Trio momentan übrigens ebenfalls ein rundes Bandjubiläum feiert – das vierzigste! Glaubt man Döring, dem unermüdlichen Jazzoriginal, ist die Luft seit Gründung seines Trios merklich dünner geworden. „Damals bin ich sogar bei Chat Baker einmal ganz frech eingestiegen bei einem Pariser Konzert – so etwas ist heute kaum mehr vorstellbar. Die jungen Musiker sind immer besser ausgebildet, aber der Weg nach oben wird immer schmaler.“ In Bamberg sind die monatlichen Sessionkonzerte als Nachwuchspodium erstaunlich gut besucht. „Da kommen viele Schüler und Studenten“, erklärt Marianne Benz. „Ist ja auch umsonst“, schiebt Wolfgang Hundt schnell hinterher und hat als offizieller Finanzchef ein waches Auge auf das begrenzte Vereinsbudget. Der städtische Jahreszuschuss ist knapp bemessen und für das laufende Geschäftsjahr noch nicht einmal gesichert. „Bei uns läuft es nicht wie in Neuburg mit Audi“, bedauert Hundt mit einem Augenzwinkern zu den Sponsoren. Die Grundlage bilden regelmäßige Beiträge von derzeit 380 Vereinsmitgliedern. Die stetige Erfolgsgeschichte des Bamberger Jazzclubs, der mit ehrenamtlicher Arbeit die Leerstellen im konservativen Kulturangebot rund um die Bamberger Symphoniker kontinuierlich füllt, ist auch die Geschichte einer spürbar demokratischen Vereinskultur. „Auf keinen Fall Vereinsmeierei“ lautete das Credo der fünf Vereinsgründer um Randolf John. Erlebt man die seit 20 Jahren amtierende Vorstandsfrau Marianne Benz im Gespräch mit Programmplaner „Schorsch“ Fößel, der ebenfalls schon seit 20 Jahren dabei ist, spürt man die Fähigkeit zu konstruktiver Diskussion, aber auch Sinn für die jeweils eigenen Grenzen. Man kann einander deutlich widersprechen, ohne sich dabei gleich aushebeln zu wollen. Man lacht herzlich miteinander - und schuftet gemeinsam – Dienstschluss ist an Konzerttagen in den frühen Morgenstunden. Von der in vergleichbaren Vereinen noch immer üblichen Männerbündelei fehlt hier jede Spur. Ob deshalb auch so viele Frauen gern regelmäßig in den Jazzkeller kommen? „Das ist mir noch gar nicht so bewusst aufgefallen“, gibt Marianne zu. „Aber stimmt – hier ist es so ziemlich gemischt und es kommen auch viele ganz junge Hörer.“ Gemischt: Die Vokabel, die im üblichen Sprachcode die abverlangte kommerzielle Anpassung an ein bestimmtes Zielpublikum und den Musikmarkt gnädig verschleiern soll, meint hier etwas ganz anderes. „Gemischt“ steht im Bamberger Jazzclub auch für den bewussten Antitrend, für eine gewisse Widerborstigkeit gegenüber aktuellen Strömungen wie dem massiven Einfall der Weltmusik in den Jazz, der dadurch leider auch als Stilbegriff bis zur Unkenntlichkeit verwässert wird. In der konservativen kleinen Domstadt Bamberg in Oberfranken scheint die Jazzwelt jedenfalls noch in Ordnung zu sein. „Wir würden am liebsten immer so weitermachen“, sinniert Marianne Benz und stößt schon mal an - auf die nächsten 20 Jahre. Reinhold Horn
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