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„The Gift“ heißt sein vorletztes, 1996 eingespieltes Album. Gordon Brisker war „gifted“, überdurchschnittlich begabt: Er spielte Tenor als Hauptinstrument, auf sehr hohem Niveau, in einem Stil, den man der Coltrane-Schule im weiteren Sinne zuordnen kann und der ihn als Geistesverwandten von Wayne Shorter und Joe Henderson ausweist. Daneben beherrschte er Flöte, Klarinette, Klavier sowie das Handwerk des Komponierens und Arrangierens für Bigbands, wovon etwa Woody Herman profitierte, dessen Orchester er 1960 bis 1962 angehörte. Und er hatte die Gabe, sein Können als Pädagoge weiterzureichen, in angesehenen Institutionen wie dem Berklee College. Dabei wusste er, dass es nicht nur um Vermitteln von Technik ging, wie sein Buch „Jazz Improvisation and the Inner Person“ (1993) zeigt, eine eher auf mentale und lebenspraktische Aspekte hinweisende Fibel für den Improvisationsanfänger. Man kann Briskers „gift“ also durchaus als dickes Geschenkpaket betrachten. Einige Kollegen haben das bemerkt, etwa Louie Bellson, Bobby Shew und Anita O’Day, die ihn 1987 bis 1995 als Leiter ihrer Begleitgruppe einsetzte. Mehr als in Amerika (wo er keine angemessene Beschäftigung fand und auch sein Tod kaum zur Kenntnis genommen wurde) hat man in Australien sein Gabenbündel zu schätzen gewusst, wo er von 1995 bis 2001 am Konservatorium von Sidney lehrte. Dort war er Kollege des Pianisten Mike Nock, der für das Label Naxos seine beiden letzten Alben produzierte. Sein vermutlicher Schwanengesang „My Son John“, 2001 mit dem Trompeter Tim Hagans, dem Pianisten Mike Nock, dem Bassisten Anthony Cox und dem Drummer Billy Hart eingespielt und durchaus eigenständig in der Tradition der Miles-Davis-Quintette der 60er-Jahre stehend, bildete diskographisch den Schlussstein einer Laufbahn, die am 12. September 2004 in Cincinnati endete, wo er am 6. November 1937 geboren worden war. Nachrufe wurden kaum geschrieben. (Wie gut, dass es Internet gibt: www.gordonbrisker.com) Dabei bietet so ein Anlaß immerhin die verspätete Möglichkeit, für ein großes Geschenkpaket Danke zu sagen. Marcus A. Woelfle |
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