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Jazzzeitung
2003/03 ::: seite 17
rezensionen
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Jaap Kool: Das Saxophon (mit zahlreichen Abbildungen und Notenbeispielen),
Verlag Erwin Bochinsky, Frankfurt/M./280 Seiten
Faksimile-Nachdruck eines 1931 erschienenen Buches von dem damals
in Deutschland lebenden Holländer Jaap Kool.
Vergnüglich zu lesen, denn der Autor geht sehr ins Detail und
schweift auch immer wieder in andere Gebiete ab, vor allem in die Akustik.
Er liebt dieses Instrument sichtlich (damals in Deutschland recht ungewöhnlich).
Der Jazz wird einige Male wohlwollend erwähnt; allerdings hatte
sich bis dahin auch noch nicht viel auf dem Saxophon getan. Der Bau
damaliger Saxophone wird bis ins Einzelne genau beschrieben; allein
das lohnt schon die Lektüre. Einige Irrtümer hat der Herausgeber
in einem Anhang richtiggestellt und zudem auf neuere Entwicklungen hingewiesen.
Neben den technischen Feinheiten erfahren wir aber auch vieles über
den 1814 in Belgien geborenen Erfinder Adolphe Sax, der ein bemerkenswertes
Leben führte. 1841 hatte er in Brüssel sein erstes Saxophon
fertiggestellt (keineswegs seine einzige Neuschöpfung), mit dem
er anschließend zu Fuß (!) nach Paris ging, um es Hector
Berlioz vorzuführen.Von da an war er in ständige Kämpfe
um Anerkennung mit Plagiatoren, Neidern und anderern verwickelt, die
das Saxophon rundweg ablehnten. Die Kraft für diese Auseinandersetzungen
könnte er schon in frühester Jugend erworben haben, denn er
überlebte als Kind eine schier unglaubliche Kette von Unglücksfällen:
einen Treppensturz, eine verschluckte Stecknadel, einen zu heißen
Ofen,Vergiftungen mit Zinkvitriol, Weißblei, Kupferoxyd und Arsenik
(auch der Vater war Instrumentenbauer und Erfinder), einen vom Dach
herabfallenden Stein, und schließlich wäre er noch beinahe
ertrunken. Aber das Schicksal hatte Besseres mit ihm vor – er
sollte ja das Saxophon erfinden.
Safford Chamberlain: An unsung cat the life and music of Warne Marsh
The Scarecrow Press, Inc./Lanham, Maryland, and London/395 Seiten
Zehn Jahre lang sammelte der Autor Material zu diesem Buch (u.a. führte
er über 200 Interviews), das einem Tenorsaxophonisten gewidmet
ist, dessen Bedeutung zeit seines Lebens nur von wenigen erkannt wurde.
Dabei war er für Lee Konitz der ideale Bläserpartner in den
Gruppen von Lennie Tristano (siehe Jazz-Zeitung vom Juni 2000) und auch
später. Dazu Lee Konitz: „…I can‘t think of…
any horn player that I‘ve ever had that kind of affinity with…
He was an inspiration, to play on the same bandstand with… You
had to play at your highest level, or else fall by the wayside, because
he was in there doing these ingenious things with the music“ (S.280).
Warne Marsh war ein großartiger Improvisator mit vielen eigenen
Ideen und einer hochentwickelten Artikulationstechnik; er arbeitete
mehr mit feinen, sehr differenzierten Veränderungen des einzelnen
Tones als beispielsweise Coltrane. Aber er wurde als Außenseiter
betrachtet, kümmerte sich kaum um Geschäftliches und er war
weiß! Wer denkt, nur schwarze Musiker können großen
Jazz spielen – und das denken leider immer noch viele –
muss sich sagen lassen, dass er ein sehr eingeschränktes Gesichts(Hör)feld
hat.
Man studiere nur etwa Warne Marshs Improvisationen über „Body
and Soul“ vom 21.4.80 (siehe CD-Besprechung im gleichen Heft),
das zu den sieben transkribierten Solos in unserem Buch gehört:
ganz anders als die berühmte Hawkins- Aufnahme vom 11.10.39, aber
musikalisch durchaus gleichwertig.
Warne Marsh war ein ausgesprochener Einzelgänger, dabei aber
sein Leben lang finanziell von seiner Mutter abhängig, diese wiederum
vom Vermögen seines Vaters, in Hollywood ein bekannter Kameramann,
der 1938 sogar einen Oscar bekam; er starb drei Jahre später, als
sein Sohn 13 Jahre alt war. Diese Abhängigkeit ist sehr ungewöhnlich
in einem Beruf, der im allgemeinen zu früher Selbstständigkeit
führt.
Safford Chamberlain hat Leben und Werk von Warne Marsh in sehr überzeugender
und detaillierter Form herausgearbeitet. Hoffentlich findet sein Buch
die vielen Leser, die es verdient, und hoffentlich hören sie dazu
möglichst viele Aufnahmen; sie werden eine Menge an bedeutsamer
Musik entdecken. Und hoffentlich fügt der Verlag bei der nächsten
Auflage das schmerzlich vermißte Register hinzu.
Joe Viera
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