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„Wer jetzt noch da ist, den muß man ja fast zu den Wahnsinnigen zählen“. Von John Schröder derart geadelt, lassen sich die in eine enge Kinoröhre des Raumschiff Zitrone gedrängten Zuhörer mit wuchtigen Schwingungen einer Bassdrum aufputschen. Leise Echos einer rockig grummelnden Gitarre erzeugen dazu ein verzerrtes Panorama. John Schröder macht sich auf dem von Uli Jenneßen bereiteten Soundteppich lang und beginnt zu grimassieren. In die Weite ekstatischen Versunkenheit erhebt sich ein warmer Saxophonton. Allmählich sinkt Henrik Walsdorff ein in das Gebrodel um ihn herum, läuft heiß. Jenneßen rasselt zur Bassdrum wie ein springender Derwisch, belauert von John Schröders Jazzcore. Schröder dreht kurz am Knöpfchen und aus Westentaschen-Heavy-Metal wird offene Manie. Walsdorff klagt und schreit, Jenneßen türmt seine Drums zu einer Pyramide und bearbeitet jeden sichtbaren Quadratzentimeter. Freedom of Speech heißt, man muß den äußersten Gipfel besteigen, will man sich die Knochen nach einem verdammt stressigen Tag locker machen. Freedom of Speech ist keine Geheimwissenschaft, obgleich sich die Musik schwer einordnen läßt. Der Sound wandert aus einem verhangenen Weddinger Proberaum in die Kastanienallee und trägt den Charme eines großstädtischen Trottoirs vor sich her. John Schröder schaut wie diese Typen, von denen es in Berlin so viele gibt und von denen man jederzeit alles erwarten muß. Dann trifft ihn der Schlag, er zuckt irr und soliert mit qualmenden Reifen. Darüber stemmt sich Henrik Walsdorff, wie ein Mann, der niemals aus einem schrecklichem Gegenwind treten kann. Er singt auf dem Saxophon, man hört Flötentöne, Blues und Ernie’s Quietschentchen auf LSD. Zuletzt Uli Jenneßen, die Ein-Mann-Selbstbefreiungsgruppe. Der Kopf versinkt zwischen den Schultern vor klammheimlicher Freude über die nächste Raffinesse. Zusammen sind sie offen, dreckig und ein wenig gewalttätig. Manchmal muss sich Walsdorff die Ohren schützen, so gehen Jenneßen und Schröder zu Werke. Die angespannte Motivation Uli Jenneßens fließt in eine unablässige Soundsuche ein, die John Schröder geschickt mit Energie anreichert. Jenneßen ist nie elegant, eher verkrüppelt, schamlos. Schröder wiederum wechselt ständig die Position, verwechselt „Vielen Dank“ mit „viel denk“ und kann auch langweilen. Walsdorff lächelt verzückt und mit geschlossenen Augen. Sein Ton klingt immer nahe an der Stimme: lyrisch, entfesselt, spöttisch oder obszön. Der Bandname ließe sich mißverstehen, nicht aber die Band-Performance. Freedom of Speech sind Frei Improvisierte (Jazz) Musik und kein Soul-Recycling. Albert Weckert |
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