Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Ästhetische Offenheit, unbändige Spiellust und maximaler persönlicher Ausdruckswille – in dieser Hinsicht tun sich im europäischen Jazz immer wieder neue Wege auf. Viel davon stand am ersten Wochenende des Jahres in Münster im Rampenlicht. So zeigte die Formation „Big Zoom“ um den Schlagzeuger Lucas Niggli, wohin sich Ausdrucksformen der Gegenwart entwickeln. Niggli leistete das, was einen wirklich überlegenen Bandleader auszeichnet: Nämlich, die Mitspieler zur absoluten Höchstform zu inspirieren. Lustvoll setzte Niggli auf seinem Drumset ein Feuerwerk an aufregenden Impulsen frei, die nicht nur von einem überragenden Claudio Puntin an den Klarinetten dankbar aufgesogen wurde. Nur wirklich gute Bands funktionieren so in ihren stärksten Momenten!
Um drei Tage lang ein Publikum in ausverkauftem Hause kontinuierlich begeistert zu halten, bedarf es einer ausgewogenen Mischung. Um dabei höchsten musikalischen Anspruch konstant zu halten, war an Aufwand nicht gespart worden. Handverlesen waren die Musiker und Ensembles jenseits des üblichen Tourzirkus, und der WDR sorgte durch spürbar erweiterte Unterstützung für genug Medienpräsenz! Noch einmal Thema Schweiz: Die Atmosphäre dunkler Leidenschaftlichkeit kam auf, als die Schweizer Pianistin Sylvie Courvoisier durch ihr hemmungsloses Spiel Berge versetzte, während Mark Feldman auf der Violine einen multistilistischen Soundkosmos zum Glühen brachte: „Valse Noir“ hieß eine Kompositionen der beiden – der Begriff taugt zum Genrebegriff für die intensive Ausdruckswelt dieses Duos! Wie existenziell für den Jazz das Spannungsfeld mit außer-westlichen Musikprinzipien ist, bewies die Band des Oud-Meisters Rabih Abou-Khalil, wo modales Spiel in Vollendung geschieht. Wer bislang Khalils Musik als meditativ und „schön“ im Ohr hatte, den überraschte der immense offensive Druck, den Khalils exzentrischer Schlagzeuger Jarod Cagwin den verschachtelten Rhythmen verlieh. Und Tubaspieler Michel Godard dürfte wohl bald zum weltbesten blechblasenden Jazzbassisten gekürt werden! In weiße Roben gekleidet griff der kubanische Pianostar Omar Sosa in die Tasten des signalroten Steinways. Fetzige Kuba-Musik gab es dieses Mal pur – ohne Fremdeinflüsse und ohne großes Arrangement! Im Duett mit dem Congaspieler Anga Diaz wurde feurig drauflos gespielt, um alle Chancen eines offenen, spielfreudigen Dialogs zu nutzen, auch wenn die gängige Idiomatik nicht gerade durch viele neue musikalischen Ideen durchkreuzt wurde. Esbjörn Svensson ist mit seinem Erfolgsrezept nicht länger allein! Denn es gibt das Trio Töykeät aus Finnland, das mit quirligem Temperament einen melodisch flüssigen Klavierjazz hinlegte – mitreißende Qualitäten, die einen Durchbruch auf internationalem Parkett vorantreiben werden. Über die Jahre ist die italienische Musik-Prominenz in Münster so richtig heimisch geworden. Die sprühende Vitalität mediterraner Volksmusik war zu diesem Jahresauftakt für so manche intime Begegnung gut. Trompeter Paolo Fresu offenbarte sich als Lyriker, dessen Töne so sinnlich einnehmen, weil er nie derer zu viele spielen würde. Und er zeichnete für ein multimediales Projekt verantwortlich: Eine Großformation präsentierte sardische Volksmusik in einem kunstvollen Gesamtpanorama – live zu einem historischen Film, der Sardiniens Lebenswirklichkeit von einst in mächtigen Bildern dokumentierte! Stefan Pieper
|
|