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Trotz aller deutsch-französischer Freundschaftsbekundungen kommt der kulturelle Kontakt zwischen den beiden Ländern nur mühsam voran. Eklatant ist dies im Jazz zu beobachten, wie jüngst ein Runder Tisch zum Thema „Deutsch-französischer Kulturaustausch: Jazz und improvisierte Musik“ ans Licht brachte. Im Vorfeld des Festivals „Jazz d´Or“ in Straßburg trafen sich Experten aus beiden Ländern: Musiker, Festival-Leiter, Produzenten, Agenten, Veranstalter und Journalisten. Behandelt wurde die aktuelle Lage des Jazz in Deutschland und Frankreich unter kulturpolitischen Gesichtspunkten sowie Fragen der grenzüberschreitenden Kooperation. Gravierende Unterschiede im politischen System, darin waren sich alle Teilnehmer einig, behindern den gewünschten Austausch. Während in Frankreich der zentrale Staat zuständig ist für jegliche finanzielle Förderung, sind es in Deutschland die Länder und Kommunen dank des föderativen Prinzips. Da bestehende Strukturen schwerfällig und kaum zu ändern sind, ist Kooperation nicht leicht. Sie geschieht meist durch persönliche Begegnungen und private Kontakte. Sie gilt es zu erhalten und auszubauen, trotz widriger Umstände. Neue nationale Strukturen zu schaffen allerdings, wäre Verschleiß. Dem Austausch dienlich ist nicht gerade die Ausländersteuer, an der sich die Gemüter erhitzten, vorwiegend die deutschen. Waren bislang Steuern von Künstlern selbst abzuführen, so ist es seit ein paar Jahren Aufgabe der Veranstalter, dies zu tun. Das Problem der Ausländersteuer insgesamt ist komplizierte und undurchschaubare Gesetzgebung, wie in den kontroversen Beiträgen deutlich wurde. Viele plädierten für eine Europäisierung in der Steuerpolitik, um Einheitlichkeit und Transparenz zu schaffen. Während die Forderungen der Finanzämter zahlreiche kleine Clubs in Bedrängnis brachten, blieb die französische Seite gelassener. Das Steuersystem trage letztendlich zum sozialen Schutz der Musiker bei. Informationsdefizite auf beiden Seiten und mangelnde Neugier auf Seiten des Publikums wurden als weitere Hindernisse ausgemacht. Was die Kooperation erleichtert, ist ein zentraler Ansprechpartner, wie ihn in Frankreich die AFIJMA darstellt. Die aus dreißig verschiedenen Festivalmachern sich zusammensetzende Vereinigung („Association des Festivals Innovants en Jazz et Musiques Actuelles“) ist ein Sprachrohr des Jazz. Vergleichbares gibt es in Deutschland nicht, was allgemein beklagt wurde. Dort muss mit Behörden oder der GEMA verhandelt, das Goethe-Institut gewonnen werden für Finanzierungsmöglichkeiten. Mit unterschiedlichen Ideen und Mitteln will die AFIJMA, wie ihr Sprecher Jacques Panisset abschließend betonte, den Austausch fördern. Strukturierende Aktionen sollen weitergeführt, nationale Institutionen mobilisiert und Projekte in beiden Ländern gefördert werden. Zu denken wäre an Resident-Künstler und daran, das seit langem bestehende deutsch-französische Jazz-Ensemble aus seinem Schattendasein zu führen. Und warum sollte es nicht möglich sein, im Jahr 2003, wenn das 40-jährige Jubiläum des Elisée-Vertrags ansteht, ein deutsch-französisches Festival auf die Beine zu stellen. Ein blendendes Beispiel für grenzüberschreitenden Austausch liefert seit 17 Jahren „Jazz d´Or“, das diesen Runden Tisch durchführte. Von Anfang an stellte Festival-Chef Philippe Ochem deutsche Musiker vor und kooperierte mit den rechtsrheinischen Nachbarstädten Kehl, Karlsruhe und Offenburg. Einleitend zum Festival 2002, das drei Wochen lang über verschiedene Bühnen Straßburgs und benachbarter Gemeinden ging, fand ein deutsch-französisches Wochenende statt, das, wie es hieß, mit der „Lebendigkeit der europäischen Jazz-Produktion“ bekannt machte. Sogleich ließ Doppelmoppel aufhorchen, nicht nur seiner originellen Besetzung wegen, sondern weil das Quartett seit 1981 freies Musizieren zum obersten Stilprinzip erhoben hat und dabei frisch klingt, sich nie in Routine verliert. Man kommt schnell zur Sache, die da klangliche Erforschung, Kommunikation und Interaktion heißt. Die Musik entsteht im Augenblick, ist folglich an Spontaneität und überraschenden Wendungen nicht zu überbieten, sondern kommt gleich einem reißenden Strom daher. Während Connie Bauer auf der Posaune mehrstimmige Geschichten erzählt, ist Bruder Johannes, ebenfalls Posaune, mit aggressiven, rauhbeinigen Tönen zur Stelle, die Gitarristen liefern einen Hintergrund, der von weltmusikalischen Ausflügen (Uwe Kropinski) bis zu dezenten Beatles-Reminiszenzen reicht (Joe Sachse). Begeisterung löste Louis Sclavis mit seinem neuen Quartett „Napoli´s Walls“ aus (Mederic Collignon,tp,voc,electronics/Hasse Poulsen,g/Vincent Courtois,c). Elektronisch aufgeputscht marschierte es „durch die schöne Stadt am Mittelmeer, die dem Glanz vergangener Tage nachträumt: ein fremdartiges, ungewohntes Abenteuer, dem die ephemeren Malereien von Ernest Pignon-Ernest auf den Mauern der Stadt als roter Faden dienen“ (Programmheft). Der Pianist Joachim Kühn geht konventioneller vor, doch nicht minder mitreißend und spannend. Tief über den Flügel gebeugt holt er Akkordfolgen und kleine Notenketten aus dem Instrument heraus. Dann plötzlich explodiert er in einem rasenden Lauf der rechten Hand, während die linke ostinate Bassfiguren unterlegt. Mit der Hommage an den verstorbenen Bassisten Peter Kowald hatte Straßburg einen bewegenden Nachmittag. Nach dem Dokumentarfilm „Off the road“, der den Kontrabassisten auf seiner USA Tournee 2000 zeigte, zelebrierte der Hamburger Multiinstrumentalist Heinz-Erich Gödecke eine meditative Solo-Performance. Wie kein zweites Festival lebt Jazz d´Or vom Austausch; der deutsch-französische Start hatte es in sich. Reiner Kobe
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