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Die Film-Berlinale klagte vor einiger Zeit über den Mehltau, der auf dem deutschen Film liege. Mehltau: ein staubähnlicher Pilzbelag. Ja, wir kennen das auch aus dem Jazz. Da heißt er Mehldau – ein Falscher Mehltau also (Peronosporacea). Der entzieht allem Organischen durch Saugorgane die Nahrung, fördert (so das Lexikon) Fäulnis, Verfärbung und Blattabfall und gaukelt uns vor, das Schwelgen in Verfall und Vergänglichkeit sei schön und aufregend. In der schimmelartigen Pilzschicht finden sich all die Abbauprodukte ausgesogener Kultur: Chopineske Sentimentalität, Proustsche Seelenzerfaserung, romantischer Masochismus. Die Reststoffe heißen stimmungsvoll dann „Sehnsucht“, „Resignation“ und „Rückblick“, ein Rilke-Wort braust schicksalsschwer daher („Ein Hauch um nichts. Ein Wehn im Gott. Ein Wind“), auch Goethes Werther und Wilhelm Meister geistern fratzenhaft herum – eben die ganze breiig-germanophile Verquastheit eines ziellosen, sich selbst rätselhaften Sturms und Drangs. Viele verwechseln solchen Pilzbelag mit einer edlen Patina, einer eleganten Stilisierung zwischen Rausch und Kunst. „Musik ist mysteriös, ich finde kaum Worte dafür“, tönt es dann zuweilen dumpf aus der pilzigen Tiefe. „Musik bedeutet nichts anderes als das, was sie ist. Letztlich verweist sie immer nur auf sich selbst.“ Das trifft zu: Diese mehlige Schicht ist ein eigensüchtiger Schmarotzer, ein geschlossenes System wie Paranoia und der deutsche Idealismus. Nicht umsonst dient Hegel unserem Falschen Mehltau als Vorbild. Solche Schwärmerei für dunklen Tiefsinn ist ein Vorrecht der Jugend. Die guckt gerne mal blasiert-gequält und berauscht sich am Weltjammer. Aber das muss auch wieder aufhören, Kinders, sonst wird es zum Pilzbelag, zum Halluzinogen. Raucht das einfach weg und entdeckt den Dschungel unterm Mehltau. Da ist noch Licht und Farbe. Ich meine es superehrlich. Rainer Wein |
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