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Manchmal lässt man im Hintergrund den CD-Player laufen und achtet nicht weiter auf die Musik. Doch ganz plötzlich drängt sie sich dann in den Vordergrund und man muss sich erst besinnen: Was höre ich da eigentlich? So könnte es Ihnen bei Claus Raible ergehen. Dessen Musik macht es sich schnell bequem im Bopper-Ohr, aber mit einem Mal verlangen unerhörte Bläsersätze, ein ungewohnt powerndes Altsaxophon, eine originell perlende Klavierlinie Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit: Was höre ich da eigentlich? Taylors Wailers? Jackie McLean? Herbie Nichols?
Jedenfalls, die Musik könnte aus dem Jahr 1957 sein, denken Sie, aufgenommen von Rudy Van Gelder in Hackensack, New Jersey. Ist sie aber nicht. Sie ist aus dem Jahr 2000 und aufgenommen von Stephan van Wylik in Obing, Oberbayern. Sie erschien auch nicht auf Prestige oder Blue Note, sondern auf Thorsten Scheffners Organic Music, einem Label, das sich allerdings in der Cover-Gestaltung und selbst im Logo ganz anachronistisch an der guten, alten Blue-Note-Marke orientiert. Nichts könnte besser passen für den Bebop-Pianisten Claus Raible, den Bud-Powell- und Thelonious-Monk-Verehrer. Bebop spielen ist einfach das, was ich will, sagt der 35-Jährige. Freiheit ist völlig stilunabhängig. Ich mache daraus keine Philosophie. Wir wissen ja: Viele junge Musiker wollen heute ihr eigenes Ding durchziehen, wollen ganz anders klingen als andere und dann liefern sie am Ende doch nur einen schwachen Abklatsch der Giants von einst. Claus Raible dagegen verkündet schlicht, der Bebop sei sein Ideal und dann spielt er diesen 60 Jahre alten Stil mit einer Vitalität und einer Autorität, die echt und packend und unverbraucht und kein bisschen nostalgisch sind. In seinem Monk-Konzertprogramm etwa hat er sich Thelonious the Onliest so bis ins Detail zu Eigen gemacht, dass man den Mann mit den verrückten Kopfbedeckungen sofort vor sich sieht, sobald man die Augen schließt. Und jede kleine Abweichung von Monks Stil wird da gleich unendlich bedeutungsvoll. Einen wunderbaren Partner dafür fand Raible im Saxophonisten Johannes Enders, aber die beiden passen durchaus nicht immer zusammen. Ich bin ja so was wie ein Stilist, konstatiert der Bebop-Freak Raible. Für Johannes eigene Musik bin ich nicht der Richtige. Schon auf der Grundschule hat Raible den Jazz entdeckt, mit 14 kam er zum Klavier, mit 16 packte ihn der Bebop: Da hörte ich Fats Navarro mit Tadd Dameron. Das war ein unglaubliches Schlüsselerlebnis. Nach dem Studienabschluss mit Auszeichnung in Graz und einem Jahr in Wien zog es Raible an die Wiege des Bebop nach New York und dort unweigerlich in die wöchentlichen Workshops von Barry Harris, dem Professor des Bop-Pianos. Barry Harris ist ein starker Typ, sehr eindrucksvoll, da nimmt man als Pianist unweigerlich was mit. Ich wusste nichts von diesen Workshops, als ich rüberging. Aber ich kannte seine Platten und fand immer: Das ist ja Wahnsinn, was der spielt. Als er seinen Schlaganfall hatte, besuchte ich ihn im Hospital, und da hing über seinem Bett ein Bild von Bud Powell. Keiner hat die Stilistiken von Powell und Monk so leidenschaftlich studiert wie Barry Harris: Er kann sie perfekt imitieren. Auch bei Claus Raible fühlt man sich den großen Legenden des Bop-Pianos ganz nahe. Wüsste man nicht, dass Lunar Web, das Eröffnungsstück seiner Trio-Platte, eine Eigenkomposition ist, würde man es wohl auf Bud Powells Platten Time Waits oder The Scene Changes suchen wollen. Mit seiner zweiten CD, Loopin With Lea, präsentiert Raible ein anderes Konzept: ein Sextett mit drei Bläsern. Das Sextett war schon immer mein Ding. Die Dreistimmigkeit der Bläser ist einfach ein Schritt übers Quintett hinaus. Diese Besetzung hat die Beweglichkeit einer Combo, aber das Orchestrale einer Big Band. Gegründet wurde das Sextett bereits 1996 in New York, damals noch mit Alt, Tenor und Trompete, doch Raible zog es zu dunkleren, tieferen Farben hin. Heute sorgen ein Baritonsax und eine Posaune für die sonore Grundierung, während Brad Leali am Altsaxophon zu explosiv boppenden Höhenflügen startet. Brad ist einer von den ganz herausragenden Altisten, sagt sein Freund Raible. Er war fünf Jahre lang Lead-Altist in der Count-Basie-Band. Für die weiteren Höhenflüge in der Band ist natürlich der Pianist selbst zuständig: Nicht umsonst hat er damals, als er als kleiner Schuljunge den Jazz entdeckte, auch seine Begeisterung für Flugzeuge erworben. Bei Claus Raible halten Kindheits-Vorlieben offenbar lange vor: Seine Flugzeug-Leidenschaft verraten Stücktitel wie Laird Turner Meteor oder Jive Bomber. Und wenn man so Piano spielt wie Claus Raible und regelmäßig abhebt in den siebten Bebop-Himmel, dann ist das wahrscheinlich auch ein bisschen wie Fliegen. Hans-Jürgen Schaal Diskografie
Claus Raible Trio auf Tour
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