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Jazzzeitung
2002/05 ::: seite 16
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Eine weitere Staffel der Blue Note-Rudy-Van-Gelder-Reissues ist erschienen. Aufgenommen und remastered
von dem wohl legendärsten Ton- und Aufnahmeingenieur des Jazz, Rudy Van Gelder. Mit kenntnisreichen Liner Notes
von Bob Blumenthal, der die Aufnahmen aus heutiger Sicht jazzhistorisch einordnet. Und alles noch dazu so preisgünstig,
als ob mit dem klassischen Jazz des legendären Labels auch die Preise der 60er- und frühen 70er-Jahre neu
aufgelegt würden. Claus Lochbihler stellt drei der insgesamt zehn Re-Issues vor.
Freddie Hubbard: Open Sesame
Blue Note/RVG Edition 7243 4 95341 2 4
Nach einem besseren Debütalbum wird man lange suchen müssen. Freddie Hubbard bis dahin nur
Sideman etwa der Montgomery-Brüder (Wes Montgomery: Finger Pickin/Pacific Jazz), John
Coltranes (auf dessen späten Prestige-Aufnahmen) und seines WG-Genossen Eric Dolphy (auf dessen Blue Note-Debüt
Outward Bound) war erst 22 und kaum zwei Jahre in New York als er dieses klassische, bis in den
kleinsten Ton inspirierte Hardbop-Feuerwerk einspielte. Die prophetische Titelnummer, mit der das Album eröffnet
wird, sollte Recht behalten: Mit diesem Sesam Öffne dich betrat einer der größten und
vielseitigsten Trompeter die Bühne des modernen Jazz. Von diesem Traumalbum nahm eine Karriere ihren Ausgang,
an die Hubbard nach längerer Auszeit wegen Alkoholabhängigkeit und diverser Gesundheitsprobleme erst wieder
in den vergangenen Jahren anknüpfen konnte. Neben Hubbards brillantem Trompetenspiel feurig, in technischer
Hinsicht, atemberaubend, an Saxophon-Maßstäben orientiert, mit einer Klangschönheit, die von knackig
kompakt bis lyrisch-balladesk reicht ist Open Sesame stark vom starken Spiel des Tina Brooks
geprägt. Der Tenorsaxophonist trug mit der Titelnummer und einer weiteren Komposition (Gipsy Blue)
ganz wesentlich zum frischen Sound des Albums bei: Tina Brooks als Komponist, das klingt ein wenig nach osteuropäisch
geprägtem Ethno-Hardbop.
Bobby Hutcherson: Dialogue
Blue Note/RVG Edition 7243 5 35586 2 8
Freddie Hubbard fünf Jahre (1965) nach seinem Debüt als Sideman des Vibraphonisten und Marimba-Spielers
Bobby Hutcherson, auf einer Platte, auf der es eigentlich keine Sidemen gibt: Der Trompeter hat sich auch stilistisch
zum Alleskönner entwickelt, findet sich innerhalb offener, freier, avantgardistischer Spielkonzepte so inspiriert
zurecht wie bei klassischem Hardbop. Neben Hubbard hatte Hutcherson für Dialogue die besten Musiker
der Blue Note-Avantgarde ins Studio geladen: Der erst in letzter Zeit wieder entdeckte Pianist Andrew
Hill steuerte als Musical Director dieser Aufnahmen die meisten Kompositionen bei: Zum Beispiel Catta,
einen abstrahierten Mambo, oder einen in freier Gruppenimprovisation interpretierten Marsch (Les Noirs Marchant).
Donald Byrd: Slow Drag
Blue Note/RVG Edition 7243 5 35560 2 0
Wer von Billy Higgins, dem im Mai vergangenen Jahres verstorbenen Meisterschlagzeuger, der auf über 700 Jazz-Aufnahmen
zu hören ist, nicht genug bekommen kann, wird hier fündig. Donald Byrds Slow Drag ist als
das Album bekannt geworden, auf dem Billy Higgins singt. Sein souliger Sprechgesang ist auf der langsam,
aber intensiv groovigen Titelnummer zu hören. Feinste Rare Grooves, wie sie nur von Billy Higgins
zusammen mit Cedar Walton (Klavier) und Walter Booker (Bass) stammen können, zieren auch die zweite Funk-Nummer
des Albums, Jelly Roll von Sylvester Sonny Red Kyner, dem Saxophonisten dieser Aufnahme,
einer der letzten, die Donald Byrd im typischen Blue Note-Sound einspielte bevor er sich der Fusion
und elektrischen Klängen zuwandte.
Claus Lochbihler
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