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Jazzzeitung
2002/05 ::: seite 20
education
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Der Pianist Manfred Schmitz, geboren 1939 in Erfurt, studierte an der Fachgrundschule für Musik in Sondershausen
und an der Musikhochschule Franz Liszt in Weimar. Nach seinem Staatsexamen nahm er an verschiedenen Musikschulen
seine Lehrtätigkeit auf. Schon seit 1960 konzertierte er überaus erfolgreich mit seinem mehrfach preisgekrönten
Manfred-Schmitz-Jazz-Trio bis in die 80er-Jahre. Von 1968 bis 1984 unterrichtete er an der Weimarer Musikhochschule
und arbeitet nun schon über 30 Jahre künstlerisch eng mit der weltbekannten Brecht-Interpretin Gisela May
zusammen, die er seit 1969 auf unzähligen Konzerttourneen begleitet. Bis heute ist er stellvertretender Leiter
der Berliner Musikschule Treptow-Köpenick. Jazzzeitungsredakteurin Ursula Gaisa befragte Schmitz anlässlich
des Erscheinens von Der NEUE Jazz Parnass zu seinem Werk.
Jazzzeitung: Seit wann sind Sie als Lehrer tätig, was hat Sie an der pädagogischen Aufgabe gereizt?
Manfred Schmitz: Als Lehrer tätig bin ich seit 1962. Die kreativen Aspekte haben mich schon immer am Unterrichten
gereizt: In erster Linie möchte ich die Kinder und Jugendlichen nämlich zum sprechenden Musizieren
bewegen, das heißt sie sollen nicht nur die schwarzen Pünktchen spielen und treffen. In meiner Zeit mit
Studenten an der Musikhochschule in Weimar hat sich eine Art Philosophie herauskristallisiert: Alles, was schwarz
ist, muss man erst einmal genau üben und fließend spielen können. Wenn das nach 8 oder 14 Tagen funktionierte,
stellte ich fest Alles getroffen ist gut, und jetzt kommen wir zur Musik.
Als ich selber noch studiert habe, gab es einen tollen methodischen Ansatz: Während der letzten beiden Studienjahre
hatten wir nämlich Übungsschüler, um das, was wir gerade gelernt hatten, an den Schülern
im positiven Sinne ausprobieren zu können. Denn es ist ja nicht automatisch so, dass man das Gelernte
auch wirklich weiß. Man weiß es erst, wenn man in die Praxis gestellt wird und reagieren muss. Und dann
muss man selber Wege finden jeder Mensch ist ja Gott sei Dank unterschiedlich , und ob das Ganze funktioniert,
merkt man an den Ergebnissen und Reaktionen des Schülers. Dann erst kann das richtige Lernen beginnen, und das
hört nie auf.
Jazzzeitung: Was war, beziehungsweise ist Ihnen im Laufe Ihrer Karriere wichtiger: die künstlerische
oder die pädagogische Arbeit?
Schmitz: Für mich ist das nicht trennbar. Ich lerne ja selber immer noch etwas dazu mit jedem Schüler,
am meisten mit den schwierigsten. In jeder Unterrichtsstunde finde ich auch wieder zu mir als Komponisten. Vieles,
was mir einfällt, entsteht aus der Situation, das kann man nicht am Schreibtisch erfinden. Das Arbeiten mit lebenden
Situationen ist das Fruchtbringende. Wenn man nur dabei sitzt und kommentiert Zu laut, zu leise, und jetzt den
vierten Finger aufs Fis, dann funktioniert gar nichts. Insofern ist das alles für mich eine Einheit.
Jazzzeitung: Was hat Sie motiviert, die Urausgabe des Parnass Ende der 70er-Jahre zu verfassen und die darin
enthaltenen Stücke zu komponieren?
Schmitz: Ich bin ja in der DDR aufgewachsen, habe in Weimar an der Musikhochschule studiert und unterrichtete
dann an verschiedenen Musikschulen, Meiningen, Erfurt, Hildburghausen... Zu dieser Zeit wurden an diesen Einrichtungen
die TuM-Abteilungen, also Tanz- und Unterhaltungsmusik-Bereiche, ins Leben gerufen. Das heutige Pendant wäre
Jazz, Rock, Pop. Als diese Abteilung auch in Weimar an der Hochschule gegründet wurde, war von Anfang
an klar, dass ich stark involviert sein würde. Wir hatten aber kein Unterrichtsmaterial. Es kamen also die ersten
Studenten an, die sich durch Musikhören dem Jazz angenähert hatten und das richtige Feeling mitbrachten,
aber die Pfötchen funktionierten eben noch nicht entsprechend. Jeder Musikstil, jede Epoche hat für
diesen Zweck ihre Etüden. Je nachdem, was der Schüler für Schwierigkeiten hatte, schrieb ich ihm also
Stücke in die Finger. Ruckzuck waren um die 70 Stücke entstanden, so dass nach ein oder zwei Jahren, als
wir wieder Prüfung hatten, viele Schüler genau diese Kompositionen vorspielten. Der Fachbereichsleiter Alo
Koll, ein in der DDR bekannter Orchesterleiter, war während der Prüfungsabnahme so begeistert von der Fülle
der Stücke, dass er in der darauffolgenden Woche während einer Sitzung des Komponistenverbandes in Leipzig
einen Lektor des Deutschen Verlages (Wieland Ziegenrücker) darauf aufmerksam machte. Eigentlich wollte der nur
ein paar neue Kompositionen für ein geplantes Album verwenden, als ich ihm dann aber vorspielte, stellte er fest:
Nee, das geht nicht so, wir müssen da etwas extra machen. Und so ist der Jazz Parnass entstanden,
hatte natürlich noch keinen Titel, aber wir waren uns auch dahingehend einig, dass das Werk vom Schwierigkeitsgrad
eine weitere Spannweite als das Vorhandene umfassen müsse. Also habe ich ausgehend von den schon vorhandenen
schwierigen Stücken runtergeschrieben in die leichten Regionen. So wurde daraus ein zweibändiges Werk, in
dem es von sehr leicht kontinuierlich über die beiden Bände bis hin zum Schwierigkeitsgrad Staatsexamen
ging. Die Musikschulen in der DDR hatten eine andere Funktion sie waren die einzigen Zulieferer von Schülern
für die Hochschulen. Und die Hochschulen wiederum waren die einzigen Zulieferer für die Orchester und Bühnen.
Deshalb gab es an den Musikschulen Leistungsstufen, die unbedingt erreicht werden mussten, wenn man weiter wollte.
Jazzzeitung: Warum gibt es jetzt eine Neufassung, was hat sich in den vergangenen 30 Jahren verändert?
Was ist neu dazugekommen?
Schmitz: Nicht erst seit der Existenz des Jazz Parnass wollten und wollen viele Jugendliche diese Art
der Unterhaltungsmusik, also poppige Musik, spielen können. An den Musikschulen hatten und haben die Lehrer ein
gutes pädagogisches Potenzial und unter anderem den Vorsatz Ich werde nur das unterrichten, was ich selber
spielen kann. Dieser Umstand bremste natürlich die Kiste. Deswegen hatte ich von Anfang an zu jedem einzelnen
Stück methodische und kompositorische Hinweise formuliert, damit die Lehrer, denen solche Schüler unterkamen,
wenigstens sagen können: Hier steht das und das, wollen wir mal gemeinsam sehen, ob wir das so hinkriegen...
Die Optik wurde durch den Computersatz verbessert, und ich konnte all meine Erfahrungen aus den 30 vorhergehenden
Jahren aus Unterricht und Workshops einfließen lassen. Außerdem wollte ich die Diskrepanz zwischen einem
leichten und einem schwierigen Band abbauen. Um an die stilistisch interessanten schwierigeren Stücke heranzuführen,
sind nun so genannte Treppen entstanden, die sich auch aus der Unterrichtspraxis ergeben haben. Jetzt gibt es auch
im zweiten Band ganz leichte Vorübungen, man kann also nicht mehr von leicht und schwer sprechen. In der Notation
hat sich auch einiges getan, eine wesentlich verbesserte Optik fördert den Sucherdrang des Schülers, der
sich jetzt nicht mehr so schnell vom vielen Schwarz abschrecken lassen wird.
Interview: Ursula Gaisa
Der NEUE Jazz Parnass, Heft 1 DV 31085, Heft 2 DV 31086, Breitkopf & Härtel 2002, jeweils € 21,-
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