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Schülerkonzerte nerven lautet der Stoßseufzer von Johannes Gerstengarbe, Gitarrist im Jugendjazzorchester Sachsen-Anhalt, am Montagabend, 4. März, hinter den Kulissen der Freien Kammerspiele Magdeburg. Die Band soll das allererste Sonderkonzert der Reihe Jazz in der Kammer gestalten, und das am Mittag in Schönebeck gegebene Schülerkonzert hatte offensichtlich mehr geschlaucht, als man sich es vorgestellt hatte.
Und doch sind solche Veranstaltungen gerade in einem Bundesland wie Sachsen-Anhalt wichtig, in dem Musikmachen nur bei einer kleinen Schicht Jugendlicher als selbstverständlich gilt (nur jedes 18. Kind nimmt oder erhält hier Instrumentalunterricht) und in dem es keine Musikhochschule gibt. Klar, dass sich dann die, die sich solcher Aufgaben annehmen, eher gestresst vorkommen. Dietmar George, Geschäftsführer des Landesmusikrats Sachsen-Anhalt, verantwortlich für das Jugendjazzorchester (JJO) und von Haus aus Musiklehrer, zeigt dafür Verständnis: Sicher ist es anstrengend, einen Saal voller Schüler zu bespielen, die zumeist in unseren Konzerten erstmalig mit Jazz in Berührung kommen, eher Techno oder HipHop für sich in Anspruch nehmen, aber wer sollte es sonst tun? Jugend kann sich selbst am besten überzeugen, dazu bedarf es keiner pädagogischen Belehrungen, sondern vielmehr Mut und noch mehr lebendiger Beispiele. Und so übel sei die Kiste ja auch nicht gelaufen, seien doch die Bandmitglieder gefeiert worden und Sebastian Gille, der Altsaxophonist, der Winner des imaginären Publikumspreises geworden. Ansgar Striepens, Professor für Jazz an der Musikhochschule Weimar und seit zweieinhalb Jahren der Leader des Jugendjazzorchesters Sachsen-Anhalt, sieht es ähnlich. Es ist fast unglaublich, mit wie viel Enthusiasmus, Spaß und enormen spielerischem Potenzial an die Sache herangegangen wird, wie die Mitglieder bereits in der Probenarbeit über sich selbst hinauswachsen. Auch er hält Schülerkonzerte für wichtig, sind die jungen Menschen doch potenzieller Nachwuchs oder wenigstens mögliche Rezipienten von Jazzmusik. Und wenn wir nur bei einem Schüler pro Konzert das Interesse an dieser Musik wecken, sei es als Spieler oder als Hörer, dann hat es sich schon gelohnt. Gleichzeitig ist es für das JJO eine Herausforderung, auch vor so einem gleichaltrigen Publikum zu bestehen und dabei eine professionelle Einstellung zu trainieren. Nun aber gelte es, das am 23. Februar in Halle zum Premierenkonzert erreichte Niveau zu bestätigen, und damit entschwindet Striepens in den Backstage-Bereich, seine Band um sich zu scharen und zu motivieren. Was die Hörer dann in Magdeburg geboten bekommen, lässt ihnen erst ein ungläubiges Staunen in die Gesichter fahren, gefolgt von spontanem Szenenapplaus und einem begeisterten Ende. Das Programm stellt höchste Anforderungen. Noch bis 1999 hatten so genannte Schüler-Arrangements die Band geprägt, und fast wäre sie an dieser permanenten Unterforderung gescheitert seit Striepens sich ihrer angenommen hat, sind sie ad acta gelegt. Gerade das war es, was bei seinem Antritt die jungen Musiker überzeugte. Rückblick: Wenn ich in meine Musikschule komme, formulierte seinerzeit im November 1999 der damalige Orchestersprecher Jens Hildebrandt, sehe ich die jungen Geiger/-innen im Haus, die fast alle nur ein Ziel haben: Mitglied des Landes-Jugendsinfonieorchesters werden. Und das, weil sie (nur) dort Mahler, Strawinsky, Beethoven und so spielen können, und in welcher Qualität! Das muss doch auch für unser Jugendjazzorchester möglich werden. Und jetzt ist es soweit, folgen Arrangements von Bill Holman, Frank Foster, Thad Jones, Bob Florence, Clare Fischer und natürlich auch des Bandleaders selbst, läuft die Band zu Hochform auf. Boshaftigkeit artikulierend, setzen in Evil Eyes (Holman), dem Opener, die Tenorsaxophone (Jan Grepling und Susann Stephan) ihre glissandierenden Terzen, gibt die Band im Hintergrund in aller Coolness die dem Stück eigene Düsternis hinzu. Disziplin und Präzision auf professionellem Niveau, schneidend fahren die Breaks in die Parade. Unüberhörbar, dass neben der Suche nach Eigenständigkeit vor allem der Solisten auch Vorbilder eine wichtige Rolle spielen. Eines der größten ist sicher das Count Basie Orchestra und sein unvergleichlicher Swing wie bei You Can Have It, in dem sich Mandy Vicum (voc) bemerkenswert Diane Schuur annähert. In der Mehrzahl setzt Striepens jedoch auf Titel, die in Deutschland wenig oder sonst nicht zu hören sind. Wie soll die Band einen eigenen Charakter entwickeln, wenn sie dann doch nur das spielt, was andere schon unzählige Male brachten? lautet seine Devise. Erst ein eigenes Profil, auch über das Repertoire, macht sie unverwechselbar und damit attraktiv. Dazu gehört genauso die Pflege regionaler Tradition, die hier glücklicherweise mit Kurt Weill 1900 in Dessau geboren einen außerordentlich namhaften und international gewichtigen Protagonisten aufweist. Und so hat Striepens mit This Is New sein Versprechen eingelöst, für jede Arbeitsphase einen Weill-Titel für die Band zu arrangieren. Dabei legt er gleichermaßen Wert auf die Vielfalt von Handschriften. In den Arbeitsphasen zuvor war das legendäre Stan-Kenton-Arrangement des September Song im Programm gewesen, dieses Jahr ist ein überaus anspruchsvolles von Bill Dobbins, Barbara Song (Dreigroschenoper), hinzugekommen, das Dobbins für die WDR-Big-Band geschrieben hatte und dessen exklusive Aufführungsrechte dem Jugendjazzorchester Sachsen-Anhalt eingeräumt wurden. Höhepunkte des Kurt-Weill-Blocks sind aber einmal mehr der Song My Ship aus A Touch of Venus, gesungen von Tanja Pannier, von Striepens aus dem Seemannswalzer-Gestus in eine geradtaktige Ballade transformiert, und die Moritat vom Mackie Messer, ebenfalls arrangiert von Striepens, die in dieser Fassung als schrillbuntes Comic daherkommt Bänkelsang im 21. Jahrhundert, mit stahlglänzender Tenorstimme vorgetragen von Alexander Schafft. Als sich im letzten Titel des Abends, Revelation (arr.: Vince Mendoza), noch einmal die Band zur Höchstform aufschwingt und Sebastian Gille (as) im Chorus sich und seinem Instrument alles abverlangt, klatscht Gospel like das Publikum rhythmisch mit und entlässt das Jugendjazzorchester nur mit einer Zugabe: Zur Tradition wurde an dieser Position A Night in Tunesia im Arrangement von Peter Herbolzheimer, dessen Workshop im April 1999 das Jugendjazzorchester aus seiner Lethargie befreite und den Startschuss zu der rasanten Entwicklung des Orchesters unter der Leitung von Ansgar Striepens gab, über dessen erstaunliches Ergebnis sich nun das Publikum in Magdeburg freuen konnte. Im Oktober soll diese Entwicklung der Band auf einer CD festgehalten werden. Vor dem Konzert übergaben die Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt der Band einen Scheck über 750 Euro, auch die Buna Sow Leuna Olefinverbund GmbH unterstützt dieses Vorhaben mit 500 Euro. B. Bop Konzerttermine
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