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Way Out West... mitten in der Mojave-Wüste ist 1957 das Foto entstanden, das zu einer Ikone wurde: Sonny Rollins mit Horn, Stetson und Patronengurt im Wilden Westen, auf dem trail von der Ostküste an die sonnige Westküste. Der Mann, der diesen magischen Moment mit der Kamera inszenierte, war William Claxton, der Cowboy aus Hollywood, wie ihn Miles Davis nannte. Julian Benedikt (Blue Note A Story of Modern Jazz) hat Clax nun einen ganzen Film gewidmet: Jazz Seen (Bundesstart: 25. April 2002, Soundtrack bei Universal, Buch bei Taschen). Den Look des Westcoast-Jazz hat keiner so geprägt wie William Claxton. Was dem Jazzmusiker sein Instrument, sagt Claxton, ist dem Fotografen seine Kamera. Ein Werkzeug nämlich, auf das man am liebsten verzichten würde, das man jedoch braucht, um die Gedanken, oder was immer man ausdrücken will, zu transportieren. Jazz und Fotografie ähneln sich für Claxton in ihrem Gefühl für Spontaneität und Improvisation: Genau in dem Moment, in dem man etwas hört oder sieht, wird es durch die Aufnahme festgehalten.
Verweile doch, Augenblick, du bist so schön Wenn man die alten Fotos aus den Fünfzigern und Sechzigern auf der Leinwand wiedersieht, ist es wie eine Begegnung mit einer alten Freundin: die magic moments haben sich eingebrannt ins Unterbewusstsein, wie die alten Melodien, die uns einst begleiteten. Als siebenjähriger Junge legte Claxton ein Sammelalbum an, das er mit Bildern von Duke Ellington, Cab Calloway, Lena Horne oder Fred Astaire füllte. Damals träumte er davon, einen Nachtclub zu besitzen wie aus einem Astaire-Musical: Ein Club, in dem alles schwarz-weiß ist, außer den bunt zusammengewürfelten Gästen aller Hautfarben. Ein Traum, der freilich in den Dreißigern nicht nur Lichtjahre von der amerikanischen Wirklichkeit entfernt war, sondern auch von Hollywood. Fred Astaire selbst trat damals noch in Minstrel-Show-Manier mit blackface als Mister Bojangles auf. Die Art-Deco-Welten Hollywoods haben jedenfalls seine Fantasie angeregt wie die alten Bildbände über Ägypten, in denen er so gerne blätterte. Irgendwann in den späten Vierzigern war es dann so weit. Claxton trieb sich selbst in den Clubs rum, in denen seine Idole auftraten, Miles Davis oder Charlie Bird Parker, den er sogar in das Haus seiner Eltern einlud. Durch seine Begeisterungsfähigkeit und Gastfreundlichkeit war der große schlaksige Kerl einer der ihren geworden. Und so wurde er 1952 zum Art-Director und Fotografen von Dick Bocks neu gegründetem Westcoast-Label Pacific Jazz. Dort entstanden innerhalb weniger Jahre die klassischen Aufnahmen von Art Pepper, Gerry Mulligan und Chet Baker. Es war Claxton, der das Image des James Dean des Jazz entscheidend prägte. Zwar wurden sie keine dicken Freunde, aber sie teilten eine Schwäche für schnelle Autos, Claxton stand auf Sportwagen, Baker bevorzugte dagegen Straßenkreuzer. Chet war begeistert von seinen Fotos, machte aber nie viel Worte darum. Wenn ich ihm ein neues Foto zeigte, sah er es sich an. Er betrachtete es aufmerksam studierte es genau. Dann legte sich ganz langsam ein Lächeln auf sein Gesicht und er sagte Yeah, Clax. Zu dieser Zeit ist auch eine Fotoserie mit Chet Bakers schwarzer Geliebten Helima entstanden: An einem warmen Sommertag besuchte ich Chet in seinem Wohnort Redondo Beach, um ein paar Fotos für ein Plattencover zu machen. An der Tür begrüßte mich eine junge Frau mit Namen Helima. Sie sah in ihrem Sommerkleid so frisch und hübsch aus, dass ich sie unbedingt mit auf den Fotos haben wollte. Ich nahm die beiden mit zu einem unbewohnten Nachbarhaus, das gerade umgebaut wurde. Dort setzte ich sie auf eine nackte Fensterbank. Von hinten strömte ein weiches Licht durch das Fenster, das für die richtige Stimmung sorgte. Die Fotos wurden 45 Jahre später zum Vor-Bild für eine Serie mit dem Trompeter Till Brönner und einem schwarzen Model. Was gedacht war als Hommage an Chet Baker (Chattin with Chet), führte bei den Puristen zu einem Missverständnis. Man warf Brönner, der für Jazz Seen den famosen Soundtrack geliefert hat, Rassismus vor. Dabei war alles nur eine Idee des Träumers Claxton gewesen. Hollywoodreif war Claxtons Begegnung mit seiner Muse Peggy Moffitt, die Julian Benedikt wie so vieles im Leben des Fotografen nachinszeniert hat. In einer stürmischen Nacht gewann er die Frau seines Lebens und gleichzeitig verlor er wegen eines sintflutartigen Regens einen Großteil seines Kapitals, seine Negative. In den Sechzigern stand Claxton etwas im Schatten seiner Frau, denn Peggy Moffitt war als Model des Designers Rudi Gernreich zur Mode-Ikone der Sixties geworden. Doch Claxton erfreute sich am Erfolg seiner Frau und freundete sich mit dem Schauspieler Steve McQueen an, den er wegen seiner typisch amerikanischen Mischung, extrem intelligent, extrem ungebildet sehr verehrte. Im Film kommt es irgendwann zu einem Gipfeltreffen in Monte Carlo: William Claxton meets Helmut Newton. Jeder der ewigen Jungs bewundert die Arbeit des anderen. Doch während der Erotomane Newton, den Benedikt ebenfalls portraitiert hat, seine Models nur als Frischfleisch oder Rohmaterial betrachtet und keinerlei Beziehung mit ihnen eingehen will, braucht Claxton die Interaktion. Its a chemical reaction, thats all, singt Hildegard Knef als Ninotschka. Und das könnte Claxtons Credo sein: die Chemie muss stimmen. Und wie man einen solchen magic moment inszenieren kann, verrät uns Claxton auch bei einer Fotosession mit Cassandra Wilson und dem Pianisten Jacky Terrasson. Sie sollen sich etwas ins Ohr flüstern, bittet er sie. Freilich sei es unwichtig, was sie nun genau miteinander anstellen würden, gesteht er danach freimütig relaxt, denn er wolle mit dieser Bitte nur ein verlegenes Gefühl erzeugen. Den erotischen Moment danach, den dagegen halte er mit der Kamera fest, den in-between moment. Immer wieder geht es in Julian Benedikts zärtlichem Film über Jazz und Fotografie um Timing und Rhythmus. An einer Stelle verrät der Arrangeur Russ Freeman das Geheimnis des coolen Westcoast-Sounds. Die Modedroge Nr. 1 sei dort Heroin gewesen, meint er: Jeder, der denkt, dass er durch Heroin besser spielt, ist verrückt. Es macht einen nur langsamer. Einige der Musiker haben später diese Entdeckung der Langsamkeit mit dem Leben bezahlt. Aber so weit sollte Claxtons Empathie nie gehen. Lieber hörte er ihnen einfach mit seinen Augen zu. Viktor Rotthaler |
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