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Jazzzeitung
2002/05 ::: seite 2
nachrichten
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Mit den Jazzern seit jeher per du
Kennen Sie du? Die Publikation mit dem aus nur zwei Buchstaben
bestehenden Titel ist Europas älteste monatlich erscheinende Kulturzeitschrift (gegründet 1941). du
ist eine Ausnahme im Blätterwald der Magazine. Es strahlt eine Großzügigkeit aus, die die meisten
Printmedien vermissen lassen: großformatig, vierfarbig, edles Papier und nicht zuletzt eine Themenwahl, die
relativ frei von Moden und PR-Kampagnen ist.
Die du-Themenpalette vermittelt einem das Gefühl von Freiheit und Luxus, beides lebensnotwendig.
Dass sich die du-Redaktion nicht mit Tagesaktuellem herumschlagen muss, geht aus der folgenden kleinen
Titelübersicht hervor: Radio, George Tabori, Aberglauben, Die Blondine,
Freiheit, Korea, John Le Carré, Am Anfang war die Kunst, Net
Art, Elfriede Jelinek, Vietnam, Die Ostsee, Neue Literatur
Warum ich das alles hier aufzähle? du gibt seit jeher auch dem Jazz gebührend Raum. Dies belegen
Ausgaben wie Giant Steps, All that Funk: James Brown, G. Clinton, Louis Armstrong,
Thelonius Monk und seit Februar lieferbar Charles Mingus, The Talking Bass. Namhafte Autoren
wurden eingeladen, das Phänomen Mingus zu beleuchten, zu untersuchen und ein bisschen auch zu verehren:
Manfred Papst, Wolfram Knauer, Peter Niklas Wilson, Brian Priestely, Hans -Jürgen Schaal, Wolfgang Sandner, Peter
Rüedi, Ian Carr und andere. ak
Musiker gründen eigene Labels
Skinfire Records nennt Charly Antolini sein neugründetes Label. Hier
wird er künftig seine neuen Produktionen und die besten Wiederveröffentlichungen publizieren. Hier eine
kleine Auswahl der geplanten Skinfire-Veröffentlichungen:
Charly Antolini: Loose and easy (2001) mit: Andrei Lobanov (tp) Marko Djordjevic (tp) Steve Hooks
(ts) Rocky Knauer (b) Sava Medan (b) David Gazarov (p) Charly Antolini (dr)
Charly Antolini: The Jubilee (1995/96) mit: Charly Augschöll (ts) Martin Schrack (p) Karsten
Gnettner (b) Charly Antolini (dr) und Bruce Adams (tp, fl)
Charly Antolini-Danny Moss: The Drivers (1988), mit Danny Moss (ts) Brian Lemon (p) Len Skeat (b)
Charly Antolini (dr).
Der Pianist Werner Lener gründete ebenfalls ein Label: BoogieBop Music. Die erste Produktion kommt unter dem
Titel Werner Lener Trio feat. Bill Ramsey & Woody Shaw (1987) auf den Markt. Bill Ramsey, schon immer Jazzinterpret
mit schwarzer Stimme, hat vor vielen Jahren der Mimi mit dem Krimi und der Bauchtänzerin Suleika
den Laufpaß gegeben. Heiß swingend und professionell lässt er die Post abgehen, gilt er doch als
einer der besten Jazzsänger Europas und brillanter Scat-Improvisator. Wenns nicht swingt, kannst
dus besser gleich vergessen, ist seine Devise. Dementsprechend gehen die Titel mit ihm auch gewaltig ab.
Der Trompeter und Flügelhornist Woody Shaw, einer der großen des Bebop, der bereits mit den wichtigsten
Jazzstars der Welt, wie Eric Dolphy, Horace Silver, Dexter Gordon, Herbie Hancock und vielen anderen musiziert hat,
konnte kurz vor seinem frühen Tod dafür gewonnen werden, zusammen mit dem Wiener Saxophonisten Christian
Plattner und dem Werner Lener Trio diese bleibende Erinnerung an eine phantasievolle Persönlichkeit aufzuzeichnen.
Das Resultat: swingender Bebop und einfühlsame Balladeninterpretationen.
Information und Vertrieb für beide Labels: www.jazz-network.com/shop
Barmusik aus München
Schon bei meinem ersten Besuch hat mich dieser Ort fasziniert. Bereits
damals hat mich ein sonderbares Gefühl des Abhandengekommenseins erfasst, es war wie beim Eintreten in eine andere
Welt weit entfernt vom alltäglichen Leben. So beschriebt Stefan Winter, Chef des Plattenlabels Winter &
Winter sein Verhältnis zu Bars. Insbesondere die Atmosphäre in Münchens berühmtester Bar Schumanns
hat es ihm angetan. Besitzer Charles Schumann war von der Idee, eine Art Bar-Soundtrack oder Hörfilm herauszugeben
spontan begeistert. Als Pianist fungiert Fumio Yasuda, die eigenartige Musikauswahl kann auf den ersten Blick befremdend
wirken, da die Vorlieben einzelner Stammgäste der American Bar berücksichtigt wurden: so steht das Weiße
Rössl neben Gone With The Wind oder Bewitched. Die zugehörigen Drinks kann
man sich übrigens nach Originalrezepten im Booklet selber zu Hause mixen. Wohl bekomms. (Winter & Winter
910 081-2/edel) ug
Gil Evans
Der Pianist, Komponist und Arrangeur wurde am 13. Mai 1912 als Ian Ernest
Gilmore Green in Toronto, Kanada, geboren, nahm aber später den Namen seines Stiefvaters an und wurde so zu Gil
Evans. Er gründete seine erste Band 1933 in Kalifornien, während des Krieges war er unter anderem in Augusta,
Georgia, stationiert. Nach dem Krieg zog er 1946 nach New York, wo seine Wohnung in der 55. Straße zu einem
beliebten Treffpunkt von Musikern wie Gerry Mulligan, Dave Lambert, George Russell, Miles Davis und Charlie Parker
wurde. 1949 und 1950 ergaben sich aus der Zusammenarbeit mit Miles Davis zahlreiche Aufnahmen, die unter dem Titel
Birth Of The Cool in die Jazzgeschichte eingingen. In den nächsten Jahren wurde es in Sachen Jazz
ruhiger um ihn, doch als Miles Davis 1957 zu Columbia Records wechselte und ihn für sein Album Miles Ahead
engagierte, begann für ihn eine ertragreiche kreative Zeit, in der er sein künstlerisches Potential sowohl
für andere einsetzte als auch mit eigenen Ensembles zu begeistern verstand. Zu seinen musikalischen Wegbegleitern
zählten unter anderem Claude Thornhill, Cannonball Adderley, Kenny Burrell, Astrud Gilberto und Lee Konitz. Er
verstarb am 20. März 1988 in Cuernavaca, Mexiko.
Für Maison du Jazz haben Laurent Cugny und Jean-Pierre Chazal eine eindrucksvolle Homepage (www.gil
evans.org) gebaut, die Jazzfans in französischer und englischer Sprache eine Biografie, eine Auflistung der Sessions
und eine umfangreiche Diskografie, eine Bibliografie, aber auch einen Index der von ihm aufgenommenen Stücke
und der Musiker, mit denen er kooperierte, liefert. Hier wird schnell deutlich, dass Gil Evans ein Musiker war, der
sich dem Schubladendenken entzog. Der musikalische Grenzgänger zeichnete sich beispielsweise auch für die
Filmmusik zu Absolute Beginners verantwortlich, in dem u.a. David Bowie und Sade zu sehen sind.
Besondere Aufmerksamkeit ist derzeit beim Kauf der CD Birth of the Cool geboten, denn die gibt es auch
als Deluxe Edition unter dem Titel The Complete Birth Of The Cool die ist zwar etwas
teurer, enthält dafür aber zusätzlich Radiomitschnitte einer Session aus dem Jahr 1948 im Club Royal
Roost. Komplementär ist die Ende 1960 mit Johnny Cole aufgenommene Platte Out of the Cool (Impulse/Universal
Vertrieb) empfehlenswert. Auch die amerikanische Wiederveröffentlichung seiner Scheibe Plays the Music
of Jimi Hendrix (RCA Victor/ BMG Vertrieb) bietet den Hörern einige Extras, darunter Alternate Takes von
Angel, Castles Made Of Sand, Up From The Skies und Gypsy Eyes. Ein
echtes Highlight ist die 6-CD-Box Miles Davis & Gil Evans: The Complete Columbia Studio Recordings,
die auf der Website www.miles-davis.com/GilEvans/ ausführlich beschrieben wird. Hochgelobt wurde auch seine Zusammenarbeit
mit Popsänger Sting. Offiziell zu kaufen gibt es das Digi-Pack Strange Fruit (Itm), ein Mix aus sechs
Titeln mit Sting, aufgenommen 1987 in Perugia, und drei Titeln, die Gil Evans 1976 in Beograd aufführte. Auf
der Wanderschaft durch das Internet stößt man aber auch auf ein Bootleg mit dem Titel Last Session,
einem Mitschnitt vom Umbria Jazz 87 Festival in Perugia, Italien, auf dem das ganze Konzert von Sting
mit Gil Evans und seiner Band zu hören ist.
www.bayernjazz.de
Nürnberger Nachrichten ehren Rainer Böhm
Auf Alfred Mangolds kleinem, aber feinem Nürnberger Qualitäts-Label
Jazz4ever hat der 25-jährige Mannheimer Pianist und Komponist Rainer Böhm als integraler Bestandteil
der Thomas Siffling Group gerade die neue CD Stories heraus- gebracht. Böhms erste eigene CD soll
im Juni kommen. Im gleichen Monat erhält der unter anderem von Peter Herbolzheimer, Rolf Kühn und Albert
Mangelsdoff geförderte Jazz-Aufsteiger in der Franken-Metropole den mit 5.000 Euro dotierten Internationalen
Jazzpreis der Nürnberger Nachrichten. Zur Preisverleihung am 20. Juni im Rahmen des Festivals Jazz
Ost-West 2002 präsentiert Rainer Sugerray Böhm seine aktuelle Gruppe L 14,
16. Mit Rainer Böhm wird nach Jens Thomas (2000) abermals ein Pianist mit dem Internationalen Jazzpreis
ausgezeichnet, der alle zwei Jahre an Nachwuchs-Jazzer unter 30 Jahre vergeben wird.
Reinhold Horn
Jazz-Preis Baden-Württemberg geht an Tempel
Der Pianist und Komponist Rainer Tempel erhält den diesjährigen
Jazz-Preis des Landes Baden-Württemberg. Der 1971 in Tübingen geborene Pianist habe das Jazz-Geschehen im
Lande nachhaltig beeinflusst, heißt es in der Begründung der Expertenjury. Mit seiner Arbeit als Keyboarder
und Pianist in verschiedenen Formationen beweise der Künstler seine stilistische Offenheit und visionäre
Kraft. Der mit etwas unter 13.000 Euro dotierte Preis wird im Herbst verliehen.
Gewinner des Deutschen Musikeditionspreises
Die Jury des Deutschen Musikverleger-Verbandes (DMV) hat unter der Leitung
von Professor Dr. Elmar Budde, Hochschule der Künste in Berlin, die Gewinner des Deutschen Musikeditions-Preises
2002 ermittelt. Bereits auf der
diesjährigen Frankfurter Musikmesse (März 2002) werden die prämierten
Ausgaben ausgestellt. Die offizielle Vergabe des Musikeditions-Preises 2002
erfolgt auf der DMV-Jahrestagung in Leipzig (Juni 2002). In der Kategorie 8b) Sachbücher geht der
Preis an das Buch Jazz-Standards (Bärenreiter
Verlag, Kassel-Basel-London-New York-Prag) sowie an das Buch Europäische Klaviermusik um 1900" (G.
Henle Verlag, München).
Klassiker zeitgemäß zubereitet
Eine neue Variante des Bootlegging also des Musik-Klauens macht von sich reden: DJs kreuzen
Hits zu Bastard-Pop, der zu allem Überfluss auch noch kostenfrei im Internet zu haben ist. Doch die Industrie
reagiert prompt und kauft sich die Mixer mittlerweile selber ein, um die besseren Kreuzungen legal auf dem Markt zu
haben. Das Phänomen macht auch vor dem Jazz nicht halt. Für das Label Verve (Universal 589 606-2, 2-CD)
produzierten Jason Olaine und Dahlia Ambach-Caplin Jazz-Klassiker von und mit Willie Bobo, Astrud Gilbert, Sarah Vaughan,
Billie Holiday, Nina Simone oder Ella Fitzgerald für den Dancefloor.
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