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Sogar das Interview hat Monika Roscher mit Hintersinn arrangiert. Das Münchner Café Kosmos verströmt den diskreten Charme der 1950er-Jahre auf sympathisch (nach)lässige Weise. Dass das Titelfoto der CD-Eigenproduktion hier entstand, merkt der Fragesteller erst, als die Big-Band-Leaderin schon weg ist. So wie man sich bei ihren Songs oft erst hinterher so richtig klar macht, was da an scheinbar disparaten Zutaten alles drin-steckte, während sich beim Zuhören alles ganz selbstverständlich ineinander zu fügen schien. Foto: Juan Martin Koch Big-Band-Songs? Jazz-Orchester-Sätze? Indie-Nummern? Einer Zuordnung zu einem bestimmten Genre oder Format entzieht sich das, was die 1984 im Fränkischen geborene Gitarristin für ihre vor gut einem Jahr gegründete, 18-köpfige Formation schreibt, ganz beiläufig. Und ebenso lässig erzählt sie davon, wie es eigentlich dazu kam, dass wir jetzt hier sitzen, um über die ersten Auftritte und die Anfang November bei Matthias Winckelmanns Enja-Label erscheinende offizielle Debüt-CD reden. Dabei stellt sich zum Beispiel heraus, dass neben der Sozialisation am heimischen Klavier und dem Nachspielen von diversem Radiorepertoire das Freizeitverhalten von Jugendlichen im US-Bundesstaat Illinois an Monika Roschers musikalischem Werdegang nicht ganz unschuldig ist. Denn weil die Gastschwester nebst Altersgenossen nach Schulschluss gerne mal für den Rest des Tages vorm Fernseher verschwand, geriet ihr das Austauschjahr zum Übecamp mit Langzeitfolgen. Zurück in Langenzenn hatte sich der ältere Bruder mit dem Jazzbass-Studium in eine Richtung aufgemacht, von der die Schwester sich zunehmend „angefixt“ fühlte – Pilgerreisen in Nürnberger Jazzclubs und erste, allerdings noch erfolglose Hochschul-Bewerbungen waren die Folge. „Vielleicht lag es auch daran, dass ich da mit der Stratocaster aufgetaucht bin, die mir mein Vater als Dauerleihgabe überlassen hatte…“, erinnert sich Moni Roscher an diesen zwischenzeitlichen Rückschlag. Mit amtlicher Jazzgitarre und einer gewissen Lockerheit klappte es schließlich an der Münchner Musikhochschule, wo im Kompositions-Kurs bei Gregor Hübner dann auch die Geburtsstunde der Big-Band-Komponistin Roscher schlagen sollte. Nachdem sie im Fach Arrangement beinahe an der Transponier-Funktion der Notations-Software gescheitert und durchgefallen wäre, bekam sie für ihr erstes Stück „Failure in Wonderland“ enormes Feedback. „Mit der Gitarre lag ich immer so im Mittelfeld, würde ich sagen, aber das hier löste richtig was aus.“ Unter anderem auch ungläubige Nachfragen der Studienkollegen zur Idee, beim Diplomkonzert diese und zwei weitere Nummern in Big-Band-Besetzung zum Besten zu geben. Und schließlich auch Begeisterung beim zufällig ebendort anwesenden Produzenten und Toningenieur Philipp Winter, dessen Engagement die erste, mittlerweile schon wieder vergriffene CD mit fünf Nummern unter anderem zu verdanken ist. „This shit is berserk!“ Thees Ullmanns Ausruf als Montagsdemo-Jurymitglied des BR-Zündfunk bringt die Reaktionen auf den Punkt, die dem „Monika Roscher Orchestra“ (so der neue, amtliche Name) seither entgegenschlagen. Sie zeigen, dass die Jazz-Schublade zu eng ist für das, was hier in einer altehrwürdigen Besetzung heran-, ansonsten aber haarscharf an den damit verbundenen Erwartungen vorbeischlittert. Da wird in „Failure in Wonderland“ Monika Roschers per Vocoder ins Trip-hoppige verfrachtete Stimme von zunächst nur hereintröpfelnden, dann aber zu reißenden Fluten sich versammelnden Bläsergewässern fortgespült (nachzuhören unter www.monikaroscher.com). Oder es wird in „When I fall in love“ (nicht verwandt oder verschwägert mit dem gleichnamigen Standard) ein Jazzrock-Riff im Balkan-Brass-Style umgebogen, bevor Roschers rotziges Gitarrensolo beinahe so prall hereinfährt, als habe sich Donald Fagen mit Steely Dan noch einmal die „Green Earrings“ ins Ohrloch gefädelt. Ihre Synthese heterogener Stile hat sich Monika Roscher nicht am Reißbrett ausgedacht, sie entspricht einfach ihren Hörerfahrungen und Vorlieben: „Rock und Pop ist oft ein wenig simpler gestrickt, dafür funktioniert aber der Ausdruck viel unmittelbarer, es entsteht auf schlichte Weise eine Tiefe, die mich sehr anspricht. Auf der anderen Seite liebe ich das Abgedrehte, das ‚Ausgecheckte‘ am Jazz. Beides möchte ich zusammenbringen, weil es für mich auch das Leben selbst widerspiegelt.“ Die oft zu Achtminütern sich auswachsenden Gebilde (großartige Soli inklusive) gehen meist von einfachen Zellen aus, die an der Gitarre entstehen, und manchmal bedarf es eines Anstoßes von außen für die Weiterentwicklung. Die erste Idee für die „Parade“, ein Glanzstück im Bandrepertoire, trug die Komponistin mehrere Monate mit sich herum. „Ich wusste nicht genau, was das war, also habe ich es Roger Janotta gezeigt und der meinte: ‚Hey, das ist ein Trauermarsch!‘“. Und noch eine Anregung kam vom Altmeister: „Du musst Carla Bley und Kurt Weill hören!“ Das sind dann auch zwei der Assoziationsbilder, die mit der Parade vorüberziehen. Ein anderes Bild brauchte die Leaderin, um ihren wunderbaren Musikern das zu entlocken, was ihr vorschwebte: „Die haben das toll gespielt, aber es sollte mehr nach New Orleans klingen. Also erzählte ich von einem Leichenzug, der munter auf einen Abgrund zugeht – und darüber hinaus…“ Mit solchen kleinen Geschichten lässt sich – das zeigte der an allen Pulten mit Hochspannung zelebrierte Auftritt beim Regensburger Jazzweekend – auch ein Publikum jenseits des Jazz-Mainstreams in die eigenartige Klangwelt dieser Big Band hineinziehen. Hinzu kommt Monika Roschers Bühnenpräsenz, die maskierten Leadgesang, Stratocaster-Ausflüge und das Dirigat ungerader Taktarten nonchalant unter einen Hut bringt und der Formation eine gehörige Portion Unverwechselbarkeit verleiht. Die würde nicht nur jedem Jazz-Cub und -Festival, sondern auch so manchem Indie-Live-Event gut zu Gesicht stehen. Text/Foto: Juan Martin Koch |
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