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um 55 Arts Club läuft man über zwei Hinterhöfe und dann eine Kellertreppe hinab. Doch hinter der Kellertür bietet sich nicht etwa das nostalgische Klischeebild einer kleinen, schummrigen und überhitzten Jazz-Spelunke. Im Gegenteil: Die Tür öffnet sich zu einem geräumigen Saal, dessen Bühne von zwei riesigen Flatscreens flankiert wird. Das Publikum ist für Jazzverhältnisse jung und trinkt eher Cocktails als Bier. „Ich wollte so ein Feeling rüberbringen, wie ich es aus New Yorker Jazzclubs kenne“, meint Andreas Hommelsheim, Gründer und Geschäftsführer des 55 Arts Club. Im Januar hat Hommelsheim den Club mitten im Berliner Ausgeh-Bezirk Schöneberg eröffnet. Die Besonderheit: Es handelt sich um einen Teilzeit-Club. Am Wochenende bildet das Kellergeschoss eine Ebene der Latino-Großraumdisko „Havanna Club“; dann vollführen hier Salsa-Pärchen ihre Drehungen. Der 55 Arts Club zieht donnerstags ein. Die Ansiedlung im Schöneberger Hinterhof ergab sich zufällig. „Einer meiner ehemaligen Geschäftspartner hat sein Büro hier im Haus“, erzählt Hommelsheim. „Bei einem Besuch habe ich entdeckt, dass sich nebenan eine Salsa-Disko befindet, in der gelegentlich am Wochenende Konzerte stattfinden. Also habe ich mit dem Betreiber vereinbart, dass wir werktags einen der Säle nutzen können.“ Hommelsheim war einst Musiker und Musikproduzent. Außerdem führte er fast zwei Jahrzehnte eine Filmsynchronfirma, deren Anteile er nun in den 55 Arts Club transferierte. Die Anlaufphase des Clubs finanziert er also aus privaten Mitteln. „Ich habe immerhin eine Crew von acht bis neun Leuten“, rechnet er durch. „Für Übertragungen heure ich auch Freelancer an der Kamera an. Das Personal für Einlass, Bar und Garderobe übernehme ich vom Havanna Club.“ Dennoch kostet der Eintritt gerade mal zwölf Euro. Als weitere Einnahmequelle will Hommelsheim das Internet aufbauen. Sämtliche Konzerte werden per Live-Stream übertragen. Wer nicht vor Ort weilt oder keine Lust hat auszugehen, kann jede Veranstaltung für 2,99 Euro am heimischen Computer verfolgen. „Vor einigen Jahren habe ich in Tel Aviv eine kleine, gemütliche Bar entdeckt“, erinnert sich Hommelsheim. „Die Betreiber übertrugen ihre Veranstaltungen mit einer Webcam ins Internet. Diese Idee ging mir nicht mehr aus dem Kopf.“ Er selbst geht die Aufnahmen hochprofessionell an. „Wir zeichnen mit mehreren Kameras auf; die Tonqualität ist super. Von einigen Konzerten erstellen wir auch DVDs“, berichtet er stolz. Mit seiner Programmgestaltung dehnt der Clubbetreiber den Begriff Jazz weit in Richtung Rock, Pop, Soul und Blues aus. „Mir ist es egal, aus welcher Ecke die Musiker kommen. Entscheidend ist für mich die Qualität“, meint er. Im Mai reicht die Bandbreite von Barbara Dennerlein über Milla Kays Vocal-Swing-Pop bis zur Soulband des Dänen Thorbjørn Risager. Den roten Faden bildet ein gewisser Groove. Intellektuelle Free Jazzer und atonale Avantgardisten haben Hausverbot. „So etwas wird man hier nicht hören – weil es nicht meinen eigenen Musikgeschmack trifft“, stellt Hommelsheim klar. Der 55 Arts Club hat auch eine Art Hausband, in der Hommelsheim selbst am Klavier sitzt. Sie trägt den kryptischen Namen „55 Fifty Five“. Hommelsheim blickt zuversichtlich in die Zukunft des Clubs. „Wir sind noch in der Anlaufphase; da kann ich keine aussagekräftigen Statements treffen“, räumt er ein. Jedoch habe er „viel ermutigendes Feedback“ erhalten. „Der Club spricht sich rum. Dass sich das Ganze kommerziell trägt, kann man nach so kurzer Zeit nicht erwarten.“ Am Horizont zeichnen sich bereits weitere Vermarktungsmöglichkeiten ab: Hommelsheim ist Kooperationen mit einigen Bars außerhalb Berlins eingegangen, die Aufzeichnungen aus dem 55 Arts Club übertragen. Antje Rößler |
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