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Den Geist fliegen lassen
Waldemar Bastos schöpft aus der reichen Musiktradition Angolas
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Angola – da denkt der unbedarfte Europäer an Bürgerkrieg und Hungersnot. Außer Sichtweite gerät dabei oft die reiche musikalische Tradition dieses Landes, die sich aus pulsierenden afrikanischen Rhythmen und schwermütigen portugiesischen Melodien speist. Der Sänger und Gitarrist Waldemar Bastos greift beide Strömungen auf. Das neue Album „Classics of my Soul“ zeigt seine enge Bindung an sein Vaterland, das er 1982 aus politischen Gründen verließ. Sein Weg führte ihn über Brasilien und Portugal; heute lebt der Künstler wieder in der angolanischen Hauptstadt Luanda und im kalifornischen Los Angeles.
Waldemar Bastos
JazzZeitung: Herr Bastos, streben Sie mit Ihrer Musik eine politische Wirkung an?
Waldemar Bastos: Meine Musik war nie im engen Sinne politisch, sondern eher eine Art humanistischer Wegweiser. Zu Kolonialzeiten kämpfte jeder Angolaner, der seine Sinne beisammen hatte, gegen die Portugiesen. Ich wurde von der Staatspolizei verhaftet und stand unter Hausarrest.
Aber auch nach der Deklaration der Unabhängigkeit, während der Anfänge des marxistischen Sozialismus, konnte ich meine Musik nicht so ausleben, wie ich mir das erträumt hatte. Deshalb ging ich ins Exil.
JazzZeitung: Wie sieht Ihr Alltag heute aus?
Bastos: Ich pendele zwischen Los Angeles und Luanda. Ansonsten unterscheidet sich mein Leben nicht von dem anderer Leute. Es gibt Dinge, die ich erledigen muss. Ich gehe an den Strand, treffe mich mit Freunden, trinke ein Glas Wein, erzähle Witze... Ich lese viel und nehme mir Zeit, darüber nachzudenken. Außerdem beschäftige ich mich mit religiösen Fragen.
JazzZeitung: Sprechen Sie mit Ihren Liedern auch Hörer an, die kein Portugiesisch verstehen?
Bastos: Ich hoffe, meine Musik ist tiefgründig und ehrlich genug, um auch diese Menschen zu erreichen. Neben dem Portugiesischen verwende ich weitere Sprachen: Kimbundu aus dem Norden Angolas und Ngundu, das man im Süden spricht.
JazzZeitung: Ihr neues Album hat einen gewissen melancholischen Zug. War das Absicht?
Bastos: Gegenfrage: Wie haben Sie sich nach dem Hören der Platte gefühlt? Gut oder eher depressiv?
JazzZeitung: Ruhig und friedlich.
Bastos: Sehen Sie! Ich würde die Musik nicht melancholisch nennen, auch wenn Vieles in Moll steht. Das ist Musik, bei der man den Geist fliegen lassen kann, zum Reflektieren und Nachdenken.
JazzZeitung: Wie kamen Sie auf den Einfall, ein Streichorchester einzubeziehen?
Bastos: Diese Idee hatte ich schon lange. Das London Symphony Orchestra war unsere erste Wahl, weil es ein sehr gutes und renommiertes Orchester ist. Wir schickten denen eine Aufnahme mit ein paar Liedern und bekamen schnell eine positive Antwort. Das ging ganz einfach.
JazzZeitung: Wie entstehen Ihre Songs?
Bastos: Jeder Mensch hat eine Gabe. Bei mir ist es das Singen und Komponieren. Ich nehme viele Dinge auf, auch unbewusst. Irgendwann bin ich damit angefüllt; dann müssen diese Dinge raus. Das plane ich nicht; das passiert einfach.
JazzZeitung: Wie sind Sie zur Musik gekommen?
Bastos: Meine Musikalität fiel früh auf, da ich schon als Kleinkind richtige Melodien pfeifen konnte. Meine Eltern waren Krankenpfleger. Sie sind von Ort zu Ort gewandert und haben Menschen mit Lepra oder Malaria betreut. Mit der Musik, die in den Dörfern gespielt wurde, bin ich aufgewachsen.
JazzZeitung: Was war das für Musik?
Bastos: Einerseits die angolanische Folklore und Musik aus anderen afrikanischen Ländern, andererseits die westliche Musik, die von den Portugiesen verbreitet wurde. Beides hat sich in Angola sehr harmonisch vermischt; wir haben ein reiches kulturelles Erbe. Auch in meiner Musik finden sich beide Einflüsse. Jede Kultur hat etwas zu geben. Wenn jeder das ernst nähme, gäbe es auf diesem Planeten Harmonie. Jede Kultur pflanzt ihre Blume im universellen Garten.
JazzZeitung: Wovon handeln die Lieder auf dem neuen Album?
Bastos: Die Platte enthält einige Eigenkompositionen sowie Stücke anderer Künstler, die ich für angolanische Klassiker halte. Was man als roten Faden nehmen könnte: dass es um schöne Dinge, um Werte geht; dass man sich auf die positiven Seiten des Lebens konzentrieren soll – egal was passiert. Das Album ist wie ein Fest, das man zuhause veranstaltet. Da möchte man auch das Beste geben und eine schöne Atmosphäre schaffen.
JazzZeitung: 2008 steuerten Sie einen Song zu dem Album „In the Name of Love. Africa celebrates U2“ bei. Wie sinnvoll finden Sie solche Benefiz- und Charity-Events für Afrika?
Bastos: Wenn jemand kommt und helfen will, sollte man erst mal von guten Absichten ausgehen. Aber natürlich haben nicht alle diese Veranstaltungen hehre Ziele. Wenn es vom Herzen kommt, dann ist es willkommen. Wenn aber nur ein Hauch Selbstbeweihräucherung dabei ist, hat das den gegenteiligen Effekt.
Interview: Antje Rößler
CD-Tipp
- Waldemar Bastos: Classics of my Soul
Enja/Soulfood
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