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Es war vor Jahresfrist in der Stadthalle Wiehl im Bergischen Land. Das „King of Swing Orchestra“ hatte sich so richtig in den Woody Herman-Klassiker „Four Brothers“ reingeschafft, als die „Sister“ der „Brothers“, Susanne Heitmann am Bariton, bei ihrem Solo derart volltönig und hot in ihr Big Horn stieß, dass aus dem vollbesetzten Saal eine eruptive Applauswelle gegen die Bühne rollte. Eine Frau am Baritonsaxophon ist an sich nicht so bemerkenswert. Susanne Heitmann selbst nennt eine ganze Reihe von Kolleginnen wie Christine Hörmann oder Kathrin Scherer, die jedoch kleine Formationen vorziehen. Aber dass eine Frau im Saxophonsatz professioneller Big Bands den Tieftöner spielt, hat nach wie vor Seltenheitswert. Es bedarf außer einer persönlichen Vorliebe für Big Bands besonderer Fähigkeiten. Susanne Heitmann Dass die gebürtige Hamburgerin und heute in Köln lebende Susanne Heitmann (34) über solche Fähigkeiten verfügt, hatte schon Peter Herbolzheimer erkannt, als sie Mitglied des BuJazzO war. Er holte sie mit 22 Jahren in seine „Rhythm Combination & Brass“, als Nachfolgerin von Bubi Aderhold und Steffen Schorn. Sie blieb volle zehn Jahre dabei. „Mein erster Gig mit der Rhythm Combination & Brass war im Jahr 2000 auf der Düsseldorfer Jazz Rallye und der letzte bei Peters Beerdigung“, erzählt Susanne mit spürbarer Wehmut, „ich habe ihm viel zu verdanken, viel von ihm gelernt, auch von den vielen berühmten Musikern, die ich durch ihn kennen gelernt habe.“ Als Beispiel nennt sie John Roucco, „einer der besten Saxophonisten und vor allem Klarinettisten, die es meiner Meinung nach gibt, auch wenn er unbegreiflicherweise hierzulande kaum bekannt ist, vielleicht weil er keine CD unter seinem Namen veröffentlicht hat. Dabei war und ist er beim BuJazzO ein großartiger Dozent, und im Saxophonsatz der Rhythm Combination & Brass war er unverzichtbar. Ein unglaublicher Typ… Auch von Eric van Lier habe ich viel gelernt, allein schon dadurch, dass er als Bassposaunist stets hinter mir stand oder saß.“ Herbolzheimer hatte übrigens entgegen der klassischen Anordnung Bassposaune und Bariton statt auf die äußere linke auf die rechte Seite, in die Nähe des Bass und der Rhythmusgruppe, platziert. Susanne Heitmann war in dieser Band die erste und lange Zeit auch die einzige Frau. Das war nicht immer einfach, denn sie begegnete einigen Vorbehalten, auch Vorurteilen der männlichen Übermacht und musste sich erst durch ihr Können durchsetzen. Seit die Altsaxophonistin Karolina Strassmayer vor sieben Jahren als erste – und bis heute einzige – Frau in die WDR Big Band aufgenommen wurde, was großes Aufsehen über die Fachmedien hinaus erregte, hat sich – auch atmosphärisch – vieles für Frauen in den Bläsersektionen der Männer-Domäne Big Band gebessert. In ihrer Schulbigband spielte Susanne Heitmann Klarinette. Als der Baritonspieler aufhören wollte und nach einem Nachfolger suchte, „drückte er mir sein Instrument in die Hand und meinte, das wäre doch was für mich.“ Sie nahm es zum Ausprobieren mit nach Hause. „Zuerst bin ich fast ohnmächtig geworden und mir wurde schwarz vor Augen wegen der vielen Luft, die da rein musste. Aber bald fand ich immer mehr Gefallen an dem Instrument, nicht nur wegen der tiefen Tonlage, sondern auch, weil man mit dem Bariton eine eigene Stimme in der Band hat. Auch sind die Einsätze des Baritons besonders abwechslungsreich. Meist spielt man mit dem Saxophonsatz zusammen, mal aber auch nur mit den Posaunen, mal nur mit dem Bass und dann auch mal ganz allein. Das Baritonsaxophon hat in einer Big Band eben eine ganze eigene Funktion, bildet mit Bassposaune und Kontrabass das Fundament für den ganzen Klangkörper, vor allem für die Trompeten. So hatte ich mich frühzeitig für das Baritonsaxophon als Hauptinstrument entschieden und bin dabei bis heute geblieben.“ Susanne Heitmann spielt – dieser Hinweis für Musiker und Experten – ein Bariton Selmer Super Action Serie II mit tief A. Wie für Holzbläser selbstverständlich, beherrscht sie neben ihrem Hauptinstrument auch Querflöte, Klarinette und vor allem die für Baritonsaxophonisten obligatorische Bassklarinette. Sie hat nach einem Jahr in Arnhem ihr Hauptstudium an der Kölner Musikhochschule – bei Claudius Valck und Wolfgang Engstfeld – absolviert. Nach dem Studium galt es erst einmal, als freiberufliche Musikerin Fuß zu fassen und sich in der Szene einen Namen zu machen. Herbolzheimer hat sie an Peter Fleischhauer für dessen „King of Swing Orchestra“ weiter empfohlen: „Wie schon Peter Herbolzheimer, so halte auch ich Susanne für eine außergewöhnliche Musikerin auf ihrem Instrument. Perfekte Phrasierung und Intonation sowie das musikalische Feingefühl, ihren ‚fetten’ Sound ausgeglichen in den Gesamtsound des Saxophonsatzes zu integrieren, zeichnen sie aus.“ Einen festen Platz im Saxophonsatz hat Susanne Heitmann auch in den zwei Big Bands von Ed Partyka. Einmal das von Volvo gesponserte und von der Stadt sowie dem ConBrio-Verlag unterstützte „Jazz Orchester Regensburg“, dem erstklassige internationale Musiker (aus HR Big Band, Vienna Art Orchestra, George Gruntz Concert Band u.a.) angehören. Zum zweiten das „Ed Partyka Jazz Orchestra“, das – ebenfalls hochkarätig besetzt – zumeist in Berlin spielt und produziert. Susanne Heitmann schätzt die Arbeit bei Ed Partyka besonders, denn „er spielt seine eigenen Kompositionen und Arrangements sehr modern und mit unglaublich viel Energie“. Partyka wiederum über Susanne Heitmann: „She is an excellent ensemble player, terrific sight reader and she plays exceptional bass clarinet. She is also an excellent improviser, but she prefers to not play solos but concentrates mainly on making the saxophone section and the band sound great.“ Susanne Heitmann liebt Big Bands, nicht nur, weil sie selbst gern in Großformationen spielt, sondern weil sie die Exaktheit und Kompaktheit dieser sich aus lauter Individualisten zusammensetzenden Kollektive bewundert. Zu ihren Favourites gehört immer wieder Count Basie, dicht gefolgt von Thad Jones/Mel Lewis, Terry Gibbs’ Dreamband, Gerry Mulligans Big Band im Village Vanguard („sein Saxophonsatz ist so tight, so dicht zusammen in Timing, Phrasing, Blending und Intonation, das ist der Wahnsinn!“), nicht zuletzt die Francy Boland/Kenny Clarke Big Band. An Arrangeuren bewundert sie besonders Maria Schneider, an deren Workshops sie zweimal teilgenommen hat, und Bob Brookmayer. Bei aller Vorliebe für Big Bands schätzt sie aber auch die kleine Besetzung. Gemeinsam mit Kristina Brodersen, as, hatte sie ein Quintett – mit Henning Gailing, b, Tobias Weindorf, p, und Jens Düppe, dr – für ein Gerry Mulligan/Johnny Hodges-Projekt gebildet, das nach einigen erfolgreichen Auftritten aus diversen Gründen erst einmal auf Eis liegt. So konzentriert sie sich auf ihr eigenes Trio „Just 3“ mit Andreas Dahmen, g, und Jakob Kühnemann, b. Auch tritt sie als klassische Soloflötistin auf Vernissagen und anderen Kulturevents auf. Mit großem Spaß spielt sie scharfe Riffs in der Kölner Soulband „Rachel & The Soul Criminals“ (CD „plain & simple“, Soulplex Rec.). Eigene CDs kann sie (noch) nicht vorweisen, „aber“, bemerkt sie lachend, „ich bin auf vielen schönen CDs mit dabei“. Zwei davon hebt sie besonders hervor: „Rien Berkel meets Jerry van Rooyen: The Charme of You“, ELK Musik 2006, und „Ed Partyka Jazz Orchestra feat. Afrat Alony: ‚Songs of Love Lost’“, Mons Records, 2010. Von den zahlreichen Herbolzheimer-CDs schätzt sie vor allem „Bigband Bebop“, Koala Record 1984, und „20 Jahre Live in Concert“, Mons Records 1992. Wegen ihrer Anfang März geborenen Tochter Marie hat Susanne Heitmann, die mit dem gefragten Lead-Trompeter Tobias Weidinger zusammenlebt, eine längere Pause eingelegt. Aber ab Herbst spielt sie wieder, etwa mit dem Ed Partyka Jazz Orchestra (20./21.9. in Hamburg, 5./6.10. in Berlin) sowie mit dem Jazz Orchester Regensburg (September und Dezember). Auch Gigs mit ihrem Trio „Just 3“, mit dem sie für nächstes Jahr eine CD plant, sind gebucht. Jedenfalls wartet sie voller Ungeduld darauf, neben ihren anderen Instrumenten wieder in ihr geliebtes Big Horn stoßen zu können. Dietrich Schlegel |
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