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Älterwerden ist nicht immer einfach. „Fürchterlich, eine Katastrophe“, sagt Michael Hornstein mit einem Augenzwinkern. „Als Bläser merkst du das Alter, du musst mehr üben. Aber es gibt ja eine Art Altersstil bei Saxophonisten, man spielt dann nur noch das Wesentliche. Da meine Musik sowieso auf Reduktion aufgebaut ist, habe ich da raffiniert vorgearbeitet.“ Seinen Humor jedenfalls hat der 50-jährige Münchner noch nicht verloren. Michael Hornstein Angefangen hat die Jazz-Begeisterung bei ihm – wie bei so vielen – mit der Musik von Charlie Parker. Genauer gesagt: mit dem schwarzen Dreifach-Album „Anthology“. „Ich kann mich wie heute daran erinnern“, sagt Michael Hornstein. „Es war im Haus eines Freundes und dieses Album war für mich wie eine Offenbarung: Ganz klar, Saxophonspielen ist die Welt. Das war für mich das Erweckungserlebnis, da war ich 14.“ Charlie Parker wurde Hornsteins Held, auch wenn sich der Saxophon-Anfänger auch in einer Fusion-Band versuchte. „Bei meinem ersten Auftritt – da war ich 15 – spielten wir ‚Chameleon’. Aber ich für mich selber: immer Charlie Parker. Da war wohl schon erkennbar, dass ich gegen den Lauf der Zeit gebürstet bin.“ Nach der Schule folgte das Jazzstudium in Graz, dann ein erster Ausflug nach Amerika zum „Onkel“, einem gewissen Bob Dorough – seines Zeichens Jazzsänger. Dann zurück nach München: Sechs, sieben Jahre lang blies Hornstein Tenorsax in der Rhythm&Blues-Formation von Fats Hagen. „Ich war zeitweise der einzige weiße Saxophonist in der Band. Da waren Eddie Taylor dabei oder Charles Walker. Ich habe von denen wahnsinnig viel gelernt. Wie Eddie Taylor, der keine Noten lesen konnte, aus dem Körper heraus gespielt hat, diese Blues-Licks: Das habe ich sehr gemocht. Wir haben Tanzmucke gespielt, immer dieses Fats-Domino-Programm rauf und runter: ‚Jambalaya’, ‚I’m Walkin’’… Davon konnte man damals leben.“ Bis heute besitzt Hornstein diesen relaxten, souveränen Ton, wenn er ins Horn bläst. Schwarz, knapp, geerdet. Auf den Saxophonisten Hornstein wartete schon Anfang der Neunzigerjahre das nächste „Erweckungserlebnis“: Ornette Coleman. Einige Jahre lang arbeitete er damals ganz „Ornette-like“ mit einem pianolosen Trio mit dem Schlagzeuger Fred Braceful und dem Bassisten Chris Lachotta. „Im Nachhinein betrachtet“, meint Hornstein, „war diese Musik eine Mischung aus Rhythm&Blues, Parker und Ornette.“ Rasch hintereinander entstanden die drei Jazz-CDs, die Hornstein bekannt machen sollten: „Langsames Blau“, „Dry Red“ und „Innocent Green“ – die beiden letzten mit dem Pianisten Roberto Di Gioia. „Vom Geschäftlichen her hätte ich daran anknüpfen sollen“, sagt Hornstein heute. „Mein Problem ist, dass ich zu viele Felder beackere.“ Oder wie es in den Liner notes zu seinem Debüt-Album „Langsames Blau“ heißt: „Michael Hornstein ist ein Hipster im besten Sinne des Wortes: Er tut genau zum richtigen Zeitpunkt das Richtige. Wenn alle anderen herausgefunden haben, was das war, ist er schon wieder ein Stück weiter.“ Der nächste Schritt hieß Techno: „Auch das war für mich eine Offenbarung. Diese ganze House-Szene fand ich wahnsinnig geil. Mein Inneres hat gesagt: Weg vom Jazz, hin zu elektronischer Musik.“ Seine persönliche Mischung aus Jazz und Elektronik brachte Hornstein bald schon in die Clubs hinein – nicht in die Jazzclubs, sondern in die Szene-Bars und Cafés der jungen Leute: „Ich wollte den Jazz ins Leben tragen und hatte jede Woche in München einen Gig.“ Der endgültige Durchbruch als Lounge-Jazzer kam 2007 durch die Macher von „Café del Mar“, die Hornsteins Stück „Carma“ auf „Vol. XIV“ ihrer weltweit populären Chill-out-CD-Serie packten. „Es gab plötzlich Leute in Malaysia, die mich kannten, Diskotheken-Besitzer in Dubai oder Beirut“, erzählt der Globetrotter und Ethno-Musikproduzent Hornstein. „Doch die Jazzmusiker fangen damit halt nichts an.“ Solche Diskrepanzen mit den Jazz-Puristen sind nichts Neues für ihn. Auch in seinen Rhythm&Blues-Tagen hat ihm die Jazzszene übelgenommen, „dass ich in ihren Augen den intellektuellen, richtigen, guten Jazz verraten habe für eine schmuddelige schwarze Tanzmusik.“ Seine elektronischen Lounge-Tracks bastelt Hornstein zu Hause am Computer zusammen: „Ich musste mir alles hart erarbeiten.“ Er greift dabei auch auf seine reichen Sound-Archive zurück oder lädt einfach einen Besucher zum Mitspielen ein – und er bläst natürlich sein relaxtes, geerdetes Saxophon darüber. „Lounge ist für mich eine sehr freie, sehr offene Musik, die alles impliziert: Geräusche, Jazz, Blues. Eine offene Musik – wie ich es auch vom Jazz erwarte. Weniger ein Genre, mehr eine Einstellung. Wenn ich das richtig verpacke, richtig produziere, kann ich da auch ein Freejazz-Solo unterbringen.“ Michael Hornstein hatte immer schon seinen eigenen Kopf – und sein eigenes Timing: „Mit dem, was ich momentan mache, bin ich sehr weit weg von dem, was im deutschen Jazzbetrieb gefragt ist. Aber es ist ein Irrtum, zu glauben, einfache Musik sei einfach herzustellen. Es ist schwierig, einfache Sachen zu machen, die trotzdem einen Reiz haben, nicht kitschig und platt sind. Da will ich eigentlich hin auf meine alten Tage“, sagt der 50-Jährige: „etwas machen, das verständlich ist. Eine intellektuelle, verkopfte Musik interessiert mich nicht mehr.“ Hans-Jürgen Schaal Aktuelle CDs
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