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No risk, no jazz – so hätte man das Eröffnungskonzert des 30. Südtirol Jazzfestival Alto Adige im Stadttheater Bozen auch nennen können. Vor den versammelten Honoratioren, den Sponsoren, dem internationalen Fachpublikum, den neugierigen Sommer-Touristen und den Mikrophonen des Bayerischen Rundfunks war Festivalchef Klaus Widmann auf volles Risiko gegangen. „Encounters“, Begegnungen, so war der Abend übertitelt, und man hatte keine Band, keinen einzelnen Stargast eingeladen, sondern Künstler unterschiedlichster Couleur gebeten, sich mit der Kunst des jeweils anderen auseinanderzusetzen. Das ließ die Zuhörer nicht kühl: Eingeweihte Jazz-Kenner fieberten den ungewohnten Begegnungen entgegen und hatten beinahe mehr Lampenfieber als die Musiker selber. Jazz-Novizen wiederum ließen sich fesseln von der Vielfalt, den Überraschungsmomenten und kribbelnden Augenblicken, die sie miterleben durften. Schlagzeuger Jim Black, Gitarrist Bebo Ferra, Mandolinenspieler Hamilton De Holanda, Trompeter Paolo Fresu, Sänger David Linx, Pianist Diederik Wissels und die Posaunisten Gianluca Petrella und Nils Wogram erfüllten das Motto „Begegnungen“ mit vitalem Jazz und postulierten gleich am ersten Abend des zweiwöchigen Festivals, dass „Begegnung“ durchaus paradigmatischen Charakter für das Festival hat. Le Rex auf dem Ritten: Marc Stucki (li.) und Andreas Tschopp spielen vor der Feltuner Hütte. Foto: Susanne van Loon Begegnungen erlebten aber nicht nur die Musiker, sondern auch das neugierige Publikum: Auf welchem anderen Jazzfestival kann man einem Friedensnobelpreisträger nicht nur zuhören, sondern ihn persönlich treffen wie den Argentinier Adolfo Perez Esquivel? Und später am Abend an einem poetischen Tangokonzert des Juan Pablo-Jofre Romarion Duo zu seinen Ehren teilnehmen. Wo anders sonst kann man sich meilenweit verfahren, um das Schweizer Quintett Le Rex schließlich auf knapp 2.000 Meter Höhe auf der Feltuner Hütte am Ritten zu erleben – und während dieser Suche Südtiroler Erdpyramiden passieren, durch unberührte Landschaften fahren und Land und Leute kennen lernen? Wo anders kann man nach einem Abend mit dem Jazz Duo Le Bang Bang im lauschigen Innenhof des Luna-Hotels an der Premiere der neuesten Videowandbespielung des futuristischen Museion teilnehmen und dabei einen vortrefflichen Lugana kosten? Herausragend auch die Begegnung mit dem Schaffen der diesjährigen Artists in residence, Matthias Schriefl und Angelika Niescier. Der immens vielgestaltige musikalische Kosmos von Trompeter Schriefl, irgendwo angesiedelt zwischen Lederhose und Designerkluft, und die freien Improvisationen und komplexen Partituren einer Angelika Niscier hinterließen bleibenden Eindruck. Annähernd 200 Künstler waren gekommen und viele mischten sich auch außerhalb ihrer Konzerte ins Publikum, denn in Südtirol reisen sie nicht am Tag nach dem Gig ab wie sonst üblich. Hier bleibt man gerne länger, trifft Kollegen und macht Urlaub. Das Südtirol Jazzfestival ermöglicht aber nicht nur Begegnungen mit seinen Künstlern, sondern durch die geschickte Auswahl und Kombination der Spielorte im ganzen Land auch eine Begegnung mit der Provinz Südtirol, wie sie kein Reisebüro im Programm hat. Andreas Kolb |
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