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Jazzzeitung
2012/04 ::: seite 6
portrait
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Den gemeinsamen Traum verfolgen
Karolina Strassmayer und Drori Mondlak leiten eine Band und komponieren im Team
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Feminin-verträumt oder unnahbar streng, derart gegensätzlich präsentiert sich die österreichische Saxofonistin Karolina Strassmayer auf Bildern. Die zwei Seiten schließen sich keineswegs aus, wie dem Interview mit ihr zu entnehmen ist. Es wurde zusammen mit ihrem musikalischen Partner und Ehemann, dem in Mexiko City geborenen Schlagzeuger Drori Mondlak geführt. Gemeinsam führt das Paar auch das Quartett „Klaro!“, dem noch Gitarrist Cary DeNigris und John Goldsby – wie Strassmayer bei der Big Band des WDR in fester Stellung – am Bass angehören. Kürzlich hat die Band auf dem amerikanischen Label Lilypad Records (Chicago) ihr drittes Album „Joining Forces“ herausgebracht. Moderner Jazz, lyrisch, leidenschaftlich und geschmeidig swingend, enthält es schöne Melodien und treibende Grooves über teils ungewöhnliche Themen. So setzt sich Strassmayer in „The Tragic Lives of Maximilian und Carlota“ mit dem Leben und gewaltsamen Tod des Habsburgers Maximilian I., Kaiser von Napoleons Gnaden in Mexiko, und dessen Ehefrau Charlotte auseinander. Nach Maximilians Ermordung verfiel Charlotte dem Wahnsinn und starb 60 Jahre später, 1927, in ihrer Heimat Belgien.
Foto: Helge Strauss
JazzZeitung: Sie sind Mitglied der WDR Big Band. Welche Bedeutung hat es, als erste Frau in einem renommierten Männerorchester zu spielen?
Karolina Strassmayer: Zuerst war das Interesse besonders bei Frauenzeitschriften sehr groß, aber der Aufschrei der Medien war schnell verebbt. Dann durfte ich wieder einfach nur Musikerin sein und mich auf meine Musik konzentrieren. So schmeichelhaft die Aufmerksamkeit anfangs gewesen sein mag, so nervig ist es auch, immer wieder auf das Frau-Sein angesprochen zu werden. Die WDR Big Band ist ja nicht die erste Band, in der ich „die einzige Frau“ war. Es war von Anfang meiner Karriere an so. Mittlerweile beobachte ich mit großer Freude, wie auch in Deutschland immer mehr junge Frauen zu grandiosen Musikerinnen werden. Dass auch die WDR Big Band eine Musikerin in ihren Reihen hat ist auf jeden Fall ein wichtiges Signal.
JazzZeitung: Welche Relevanz hat der Feminismus – zu dem sie sich bekennen – heute noch?
Strassmayer: Auf jeden Fall hat Feminismus heute noch Relevanz! In vielen Bereichen sind Frauen schon sehr weit gekommen, in ihren Leistungen sowie in der allgemeinen Wahrnehmung und Akzeptanz. Aber es gibt trotzdem noch viel zu tun, um Gleichberechtigung zu erreichen. Ich freue mich, wenn talentierte junge Frauen bei mir Unterricht nehmen und ich meine Erfahrungen mit ihnen teilen kann.
JazzZeitung: New York ist nach wie vor das Mekka des internationalen Jazz. Sie gehen von dort zurück ins alte Europa. Warum?
Strassmayer: Fünfzehn Jahre in New York waren für mich eine extrem prägende Erfahrung, musikalisch wie menschlich. Ich pflege immer noch eine sehr aktive Beziehung zur Stadt und zur Jazzszene, habe einen Wohnsitz in Manhattan, und tanke regelmäßig die „New York Energy“. Ich habe dort gelernt, mich nicht von Angst aufhalten zu lassen und war von extrem motivierten Menschen umgeben. Das hat mir unheimlich gut getan und auf mich abgefärbt. In meiner idyllischen Heimat Österreich hätte ich nie diese Energie und den Drive entwickelt, obwohl es da eine sehr gute und vielfältige Jazzszene gibt. Die New Yorker Energie hat mich oft mitgerissen und mich jenseits meiner subjektiv empfundenen Grenzen gebracht. In Köln dagegen habe ich die nötige Ruhe und den Fokus, meine authentische Stimme als Improvisatorin und Komponistin zu entfalten.
JazzZeitung: Drori, sie sind mit Joe Morello und Max Roach verglichen worden. Wie geht man(n) mit so etwas um?
Drori Mondlak: Ich war natürlich sehr geehrt und berührt, weil ich diese großartigen Künstler sehr schätze. Melodische Orientierung, Finesse und die Leichtigkeit des Touch auf dem Schlagzeug waren mir immer sehr wichtig und ich freue mich, dass sie in meinem Spiel hörbar sind. Joe und Max waren beide melodische Schlagzeuger, sie hatten großen Einfluss auf mich. Als ich mir Joe Morello als Lehrer ausgesucht hatte, kannte ich seine immensen technischen Fähigkeiten gar nicht. Ich habe von 1987 bis ‘92 bei ihm studiert. Ich hörte eine seiner Aufnahmen mit Besen, er hatte einen so wundervoll leichten Touch und spielte mit unglaublicher Subtilität. Andere Schlagzeuger, die mich inspirieren sind Roy Haynes, Elvin Jones, Max Roach, Shelly Manne, Tony Williams, Jack DeJohnette, Buddy Rich und Philly Joe Jones. Außer Shelly Manne habe ich sie alle in New York live erlebt.
JazzZeitung: Musikalisch bewegen Sie sich mit ihrem Album „Point in time“ auf etablierten Pfaden. Was verbinden Sie mit Modern Jazz?
Mondlak: Unsere Musik ist moderner, melodischer und swingender Jazz. Wir spielen fast ausschließlich Eigenkompositionen von Karolina und unserem langjährigen musikalischen Weggefährten, dem Gitarristen Cary DeNigris. Ich schreibe auch immer ein paar Stücke für jede CD. Wir sind alle drei sehr mit der Tradition des Swing und Blues verbunden. In meiner New Yorker Zeit habe ich viele Stile gespielt, von frühem Jazz bis zu Blues und Free Jazz.
JazzZeitung: Erzählen sie ein wenig von den musikalischen Stationen und ihrem Werdegang.
Mondlak: Als ich neun war, zogen wir nach London und wenig später nach New York City. Meine Mutter liebte Musik und daher lernte ich Klavier. Aber erst als ich mein erstes Schlagzeug bekam, wurde Musik wirklich wichtig. Ein paar Jahre später begann meine Liebe für Jazz. Um mich weiterzuentwickeln, kehrte ich zurück nach New York. Die Stadt ist absolut einzigartig. Ich hatte Gelegenheit mit Größen wie Joe Williams, Ernestine Anderson, Chris Potter, Frank Foster, Lew Tabackin, Don Friedman, Danny Mixon und Lynn Seaton zu spielen.
Musik war immer mein Fokus. Allerdings hat es gedauert, bis ich gelernt habe meine Liebe fürs Schlagzeugspielen zu nähren, die spirituelle Verbindung zu meinem Instrument zu vertiefen und meine eigene Stimme als Musiker zu entwickeln. Musik ist eine spirituelle Reise für mich. Mit Karolina zusammen unsere Musik zu entwickeln, ist klasse. Wir haben fünf CDs aufgenommen und die nächste ist schon in Planung.
JazzZeitung: Wer hat die Hosen an? In der Musik natürlich.
Mondlak: Wir sind in unserer Beziehung ebenbürtig und treffen alle wichtigen Entscheidungen gemeinsam. Wir arbeiten extrem gut zusammen und setzen unsere individuellen Talente und Vorlieben dementsprechend ein. Das war natürlich ein langer Lernprozess, aber es funktioniert. Wir haben größten Respekt voreinander, und natürlich auch für unsere Mitmusiker.
JazzZeitung: Viele Paare, die gleiche Berufe haben, scheuen vor einer Zusammenarbeit zurück. Wie ist es für sie? Führt die Teamarbeit zu Spannungen?
Strassmayer: Spannungen? Ja klar! Aber es ist auch wunderschön, den gemeinsamen Traum mit vereinter Kraft zu verfolgen. Deshalb heißt unser aktuelles Album auch „Joining Forces“. Früher hatte ich meine Band, in der Drori mitspielte – und umgekehrt. Uns war beiden wichtig, der Boss in der eigenen Band zu sei. Mit unserer persönlichen Beziehung hat sich aber auch unsere musikalische entwickelt. Gegenseitiger Respekt und blindes Vertrauen haben uns an diesen Punkt gebracht: Wir pflegen eine intensive kreative Zusammenarbeit, bleiben jedoch zwei starke Individualisten.
JazzZeitung: Vermischt sich da manchmal Privates und Berufliches?
Mondlak: Musik ist ja nicht unser Beruf, sondern unser Leben. Das lässt sich gar nicht trennen. Und das ist auch gut so.
JazzZeitung: Wie regeln Sie die alltäglichen Aufgaben zu Hause – spülen beispielsweise?
Strassmayer: Demokratisch und unspektakulär.
JazzZeitung: Komponieren sie auch gemeinsam?
Strassmayer: Ich schreibe zuerst eine Skizze mit Melodie, Akkorden und einer Idee für den Groove. Dann spiele ich es Drori vor, er setzt sich ans Schlagzeug und schlägt Grooves vor.
Beim Spielen merke ich dann, wo der eine oder andere Akkord geändert werden will – und fertig! Ich liebe sangbare, lyrische Melodien und versuche diese mit spannenden Akkorden zu verflechten. Drori hat ein untrügliches Gespür für Spannungsbögen und immer gute Ideen für Arrangements. Meistens ist es natürlich so etwas wie „Oh, I think this tune needs a drum solo!“
JazzZeitung: Welche Bedeutung hat für Sie jeweils die Familie?
Strassmayer: Ich habe eine sehr innige Beziehung zu meinen Eltern und werde immer dankbar sein, dass sie mich unterstützt und diesen für ein steirisches Mäderl doch sehr ungewöhnlichen Lebensweg haben gehen lassen.
Mondlak: Ich besuche meine Familie regelmäßig in New York. Wie die meisten Eltern hatten sich auch meine eine Zukunft mit finanzieller Sicherheit für ihre Kinder gewünscht. Deshalb war meine Entscheidung, Musiker zu werden, zuerst etwas schwierig für sie.
Michael Scheiner
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