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„Im Jahr 1943 geboren zu sein, das hat auch etwas Gutes“, erklärte einmal Fritz Pauer, der am 14. Oktober jenes Kriegsjahres in Wien-Margareten das Licht der Welt erblickte: „Man war mit eingebunden in eine Zeit des Wiederaufbaus, des Wachstums, es war nach 1945 Bewegung an allen Ecken und Enden zu spüren. Die Menschen wollten, dass sich alles zum Bessern wendet. Es war eine Zeit des Aufbruchs!“ Fritz Pauer Mitte der 90er-Jahre. Foto: Archiv Den Jazz erlebte der Sohn eines kreativen Konditors, der auch malte, Gedichte schrieb und Teppiche knüpfte, in Zeiten nach den großen Zerstörungen des Krieges als „lebensbejahende Kraft“. Ab seinem fünften Lebensjahr wurde er in klassischem Klavierspiel unterwiesen. Er studierte am Konservatorium der Stadt Wien auch Violine, Klarinette und Gitarre, doch mit 16 beschloss er, Jazzmusiker zu werden. Das erste mit eigenem Geld gekaufte Saxophon schenkte er aber Hans Koller, dem Vater des modernen Jazz in Österreich. „Die Begegnung mit Hans Koller“, so Pauer, „war ein großer Gewinn für mich, ich möchte fast sagen: Wäre ich ihm nicht begegnet, wäre ich nie Jazzmusiker geworden”. Mit 17 debutierte Pauer in der Band einer österreichischen Jazzlegende, Fatty George, der in Wien ein eigenes Lokal hatte, Fatty’s Saloon. Da Fatty George mit seiner Band traditionellen und modernen Stil spielte, hatte der junge Pauer 1960 bis 1962 dort die Möglichkeit, sich ein breites Repertoire an Stücken und Stilelementen zu erarbeiten. Schon als Teenager lernte er die Crème de la crème des österreichischen Jazz kennen, Größen wie Friedrich Gulda, Karl Drewo, Hans Salomon und eben Hans Koller. Mit ihm nahm Fritz Pauer 1962 seine erste Platte auf, „Multiple Koller“. Gewisserweise trat Fritz Pauer in die Fußstapfen von Joe Zawinul, der bei Fatty George als auch mit Hans Koller Klavier gespielt hatte, aber mittlerweile in den USA lebte. „Mich hat zunächst Joe Zawinul beeinflusst, den ich damals im Radio gehört habe. Mich haben sein Klavierklang, seine Kreativität und seine Art zu spielen besonders fasziniert”, hat Pauer einmal bekannt. Als die ihm wichtigsten Pianisten nannte er, wie dem Plattentext des 1965 in München aufgenommenen Don-Menza-Albums „Morning Song“ zu entnehmen ist, Herbie Hancock, Bill Evans und Paul Bley. Dort findet sich auch das nette Pauer-Zitat: „Jazz ist das wahre Leben. Aber die Leute wollen die Wahrheit nicht. Deshalb sind all diese Schnulzen so beliebt.“ Von 1964 bis 1968 lebte Fritz Pauer in Berlin. In Dug’s Night Club und der Jazz Gallerie kam es zur Zusammenarbeit mit Größen wie Herb Geller, Johnny Griffin, Don Byas, Booker Ervin, Dexter Gordon, Art Farmer, Carmell Jones, Annie Ross, Leo Wright und Pony Poindexter. Das Resultat daraus waren zum Teil lebenslange Freundschaften, so war Fritz Pauer für den Trompeter Art Farmer in Europa der Pianist der Wahl. 1966 gewann Fritz Pauer den ersten Preis bei dem von Friedrich Gulda angeregten internationalen Nachwuchswettbewerb in Wien. Seither waren Gulda und Pauer gut befreundet. Pauer unterrichtete Guldas Sohn im Klavierspiel. Gulda spielte nicht nur gerne mit Pauer, er spielte auch gerne dessen Kompositionen. Auf dem Album „Fata Morgana. Friedrich Gulda live at the Domicile“ tut Gulda beides. Seit jener Zeit bildete Pauer mit Gulda und Zawinul das Triumvirat berühmter österreichischer Jazzpianisten von internationalem Rang. Durch seine ausgedehnte pädagogische Tätigkeit prägte er ganze Generationen junger Jazzpianisten. Von 1968 bis 1982 wirkte er als Klavierlehrer in der Jazzabteilung des Wiener Konservatoriums. Von 1982 bis 1984 leitete er die renommierte Swiss Jazz School in Bern und seit 1989 unterrichtete er an der Jazzhochschule in Graz. „Wenn ich Anfängern einfache Dinge vermittle, gewinne ich selbst, weil ich wieder zu dieser Einfachheit zurückkommen muss.“ Mit der deutschen Jazz-Szene, insbesondere der Münchens war er eng verbunden. Er nahm in unseren Breiten auch viele Platten auf, einige live im Domicile, darunter jene mit der Gruppe „Mythologie“ und dem Klaus Weiss Orchestra. Überhaupt verband ihn mit dem unvergessenen Münchner Drummer Klaus Weiss eine fruchtbare Zusammenarbeit. „Er ist ein hervorragender Begleiter und ein exzellenter Solist. In seinem Spiel sind die Wurzeln des Jazz lebendig“, hat Klaus Weiss einmal über Fritz Pauer gesagt. Mit viel Finesse begleitete er Sängerinnen. Nach dem frühen Tod von Conny Giese im Jahr 2000 erlebte man Pauer als idealen Klavierpartner der deutschen Melanie Bong, der Serbin Maja Jaku, der Italienerin Anna Lauvergnac und in lyrischer Zwiesprache mit der amerikanischen Altsaxophonistin und Sängerin Sheila Cooper, mit der er 2006 „Tales Of Love and Longing“ aufnahm. Bis zuletzt war Fritz Pauer ein zu recht geehrter Tonschöpfer, zumal in Österreich, wo Jazzmusiker auch aus offizieller Sicht zum Stolz der Kulturnation beitragen. „Fritz Pauer gehörte zu jenen herausragenden Persönlichkeiten des österreichischen Musikschaffens, die dem Jazz einen österreichischen Klang zu geben vermochten. 2003 wurde ihm das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich verliehen, 2008 erhielt er den Berufstitel Professor und den Würdigungspreis für Musik des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur“, erklärte Kulturministerin Dr. Claudia Schmied nach seinem Tod. Als Fritz Pauer am 1. Juli 2012 in einen Zug nach Wien gestiegen war, um dort eine neue CD abzumischen, hatte er, ähnlich wie Fats Waller, unerwartet seine letzte Reise angetreten. Er war ein Musiker, der seine Hörer und Kollegen, nicht nur durch seine Musik, sondern auch als Mensch berührte. Die Sängerin Sheila Jordan sprach sicherlich für viele: „What a great guy he was and what a fantastic musician. He was so caring and such a wonderful human being to be around.” Marcus A. Woelfle
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