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Unlängst mit dem Echo als „Förderer des Jazz“ und dem Münchner Musikpreis bedacht, Top-Ranking in der amerikanischen Jazz-Bibel „Down Beat“ – es ist sozusagen offiziell, dass die Unterfahrt einer der weltweit besten und wichtigsten Jazzclubs ist. Doch den Weg hinein muss man erst einmal finden. Einstein: Neben dem Saal für den Jazzclub Unterfahrt gibt es noch vier bespielbare Gewölbehallen. Foto: Stefan Michalik Ein unkundiger Jazzfreund übersieht das unscheinbare Sammelschild leicht, das ihn in die Durchfahrt hinter dem Haidhausener Unionsbräu nahe des Max-Weber-Platzes lotst. Danach geht es hinunter in die ehemaligen Bierkeller der Brauerei und durch einen langen Gewölbegang. Meist wird er dort niemanden antreffen, der ihm den Weg weist – und das war, das Sammelschild verweist darauf, von Anfang an ganz anders gedacht. Sollte doch die Unterfahrt nur Teil eines pulsierenden „Kulturzentrums Einstein“ sein. Das nämlich war der Plan, als die Stadt Mitte der Neunziger das riesige, auf 2700 Quadratmetern vier Gewölbehallen, ein Foyer, einen Saal (den die Unterfahrt bezog) und mehrere Nebenräume umfassende Kellergewölbe erbte und mittels eines 3,9 Millionen-Zuschusses von der Städtebauförderung des Bundes aufwändig (nämlich für insgesamt 6,5 Millionen Euro) renovierte – mit der Auflage einer „soziokulturellen Nutzung“. Eine „Kulturkooperative Haidhausen“ – unter anderem mit dem „Theater rechts der Isar“, dem Kik-Kinderkino, der Latin Percussion School, dem Freien Musikzentrum und bildenden Künstlern – zog 1998 mit der Unterfahrt, welche aus ihrem verwinkelten Kneipendomizil in der nahen Kirchenstraße geflüchtet war, ein. Doch während die Unterfahrt prosperierte, nach und nach die Zahl ihrer Trägervereinsmitglieder wie der Besucher verdoppelte, lief nebenan so ziemlich alles schief. Denn schnell wurde klar, dass sich die vier an einem Gang aufgefädelten Hallen schalltechnisch wie von den Besucherströmen her gar nicht gleichzeitig bespielen lassen, von den hohen Betriebskosten ganz zu schweigen. Als Erster zog das „Theater rechts der Isar“ schon 2001 wieder aus, der komplette Nutzungsvertrag wurde rückwirkend aufgelöst und eine Odyssee begann. Elf lange Jahre versuchte die Stadt in mehreren Anläufen vergeblich, einen lebendigen, funktionierenden Betrieb neben der Unterfahrt zu installieren. Ein Konzept nach dem anderen scheiterte, einschließlich eines im Stadtrat einstimmig abgeschmetterten vom eigenen Kulturreferat. Alle möglichen städtischen Kulturgrößen wurden zwischenzeitlich bereits zum Retter ausgerufen, von einer Initiative des lokalen Bezirksausschusses bis zum Hallenmogul Wolfgang Nöth. Vor sechs Jahren sollte es dann gar der Trachtenverein Isargau richten. Vom OB Christian Ude als „besonders multikulturelle Lösung“ begrüßt und selbst vom Unterfahrt-Vorstand befürwortet, stellte sich aber rasch heraus, dass der Verein seine Trachtler schlicht nicht dazu bewegen konnte, in einen Keller zu gehen. Zugleich hatte man sich mit dem täglichen Unterhalt eines so großen Areals übernommen. Wieder wurde das „Kulturzentrum“ zur renovierten Ruine. Geschäftsführer und Konzeptschmied: Stefan Michalik. Foto: Allan Richard Tobis Da hatte der Vorstand der Unterfahrt, inzwischen ja eine solide, fast schon mit Bestandsgarantie ausgestattete Institution, die Faxen dicke. „Wir kennen uns nach den vielen Jahren einfach am besten hier unten aus und wissen am ehesten, was geht und was nicht“, sagt der Vorsitzende Michael Stückl. „Um endlich die Rahmenbedingungen für die Unterfahrt zu sichern“, wie er ergänzt, bewarb man sich also Ende 2010 selbst als Betreiber, setzte sich gegen drei Mitbewerber durch und gründete eine gemeinnützige und haftungsbeschränkte Unternehmergemeinschaft, in der der Unterfahrt-Trägerverein „Förderkreis für Jazz und Malerei“ und fünf seiner Vorstände als Gesellschafter fungieren. „Wir wollten von vornherein eine klare Trennung zwischen Unterfahrt und Einstein“, erläutert Kassier Thomas Müller. „Die Vorstände sind ganz bewusst persönlich als Gesellschafter eingetreten, damit unsere Mitglieder nichts befürchten müssen. Wir haben natürlich Hoffnung, aber das Einstein bleibt eine unsichere Dampferfahrt.“ Mit Stefan Michalik wurde ein hungriger Quereinsteiger als hauptamtlicher Geschäftsführer und Konzeptschmied gewonnen. Und nach einem Jahr Verhandlungen und Vorarbeiten geht es nun mit dem „Grand Opening“ vom 12. bis 14. Oktober los. Kultur aller Art soll – dank eines ausgeklügelten Belegungsplans störungsfrei – endlich Leben in den Keller bringen. Das Theater soll im Einstein in verschiedenster Form heimisch werden, mit dem ausgezeichneten englischsprachigen Ensemble „Be Me“, mit klassischem Sprechtheater, zweimal im Monat mit Impro-Theater von der preisgekrönten Truppe „Isar 148“, aber auch mit Kleinkunst, indem das Schwabinger Heppel & Ettlich ab und an nach Haidhausen „fremdgeht“, so wie am 13. Oktober mit dem Musikkabarettisten André Hartmann. Außerdem wird eine Halle als Proberaum genutzt: lokale Kompanien wie das Teamtheater haben da ebenso nachgefragt wie der weltreisende Star Robert Castle mit seinem International New York Theatre oder auch das Ensemble für Alte und Neue Musik, das hier seine Neuproduktion im Cuvillies-Theater proben wird. Auch Literatur und Talk bekommen einen festen Platz. Die beliebte Prosa-Lesereihe junger Autoren „speak & spin“ wird im Herbst einziehen. Besonders glücklich sind die jungen, eng mit Berlin und Leipzig vernetzten Münchner Lyriker „meine drei lyrischen ich’s“ über die Möglichkeiten für Lesungen, die sonst, vom „Lyrischen Kabinett“ abgesehen, in der Stadt Mangelware sind. Gesprächsreihen, nicht zuletzt zu Themen aus der Musik, schlagen den ersten Bogen zur Unterfahrt, genau wie ein erweitertes Konzertprogramm. Die Neue Musik mit ihren Berührungspunkten zu visueller, digitaler und elektronischer Kunst wird nochmals gestärkt, mit den exzellenten Festivals „Frameworks“ und „Lautwechsel“ des Kulturreferats sowie mit den Reihen der Vereine „Offene Ohren“ und „Signalraum“. Dazu kommt nun die Weltmusik, die im Termingedränge der weltweit gefragten Unterfahrt selten einen Platz findet: Zum Auftakt kommt Gitarrenvirtuose Ahmed El-Salamouny mit Brasilianischem und der 15-köpfige internationale Chor Catchatune. So könnte das Einstein tatsächlich ein Treffpunkt für Musikliebhaber über den Jazz hinaus werden. Vielleicht wird es also endlich was mit den „Synergieeffekten“, die ein florierender Kulturbetrieb für die Unterfahrt auslösen könnte. Wenn es diesmal klappt, hat ein Jazzclub ein ganzes Kulturzentrum gerettet. Das dürfte weltweit eine Premiere sein. Oliver Hochkeppel
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