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Mit Petras Klavierkünsten geht es nicht so recht voran. „Aber vielleicht bin ich eine geniale Begleiterin!“, rief sie kürzlich. Also kramte ich mein altes Altsax hervor, das in seinem Sargkoffer längst zur ewigen Ruhe gebettet war, und begann die gleichen drei Stücke zu pusten, die ich vor 15 Jahren schon drauf hatte. Petra immerhin gefällt’s. Sie hat sich in das alte Blasrohr geradezu verliebt und will es ständig putzen. Fotos von Saxophonen zieren mittlerweile die Wände in der Küche, über ihrem Schreibtisch und sogar im Kinderzimmer. Unglaublich, wo Petra überall Bilder von saxierenden Menschen findet: in Modekatalogen, Bierreklamen, TV-Zeitungen, sogar in Juwelier-Prospekten! 90 Prozent dieser Bilder sind absoluter Quatsch. Etwa dieser blonde Schönling, der mit totaler Hingabe bläst, aber die Kappe auf dem Mundstück nicht entfernt hat; kein Wunder, dass er sich so anstrengen muss. Und dann die Rothaarige im Nachthemd, die ihr Alt wie eine tote Ratte von sich streckt und das (blattlose) Mundstück wie ein Magnum-Eis zwischen den Zähnen hält. Inzwischen achte ich auch beim „Tatort“ immer auf die Saxophonisten in diesen schummrigen Nachtbars: Da gibt es keinen, der wirklich spielt, ja, die Fingerbewegungen haben nicht das Geringste mit dem zu tun, was man hört. Einmal erklang sogar eine gestopfte Trompete, während irgendein Langhaariger mit Sonnenbrille mit einem Sopransax herumwackelte. Wir haben Tränen gelacht. In der Hochkultur ist es nicht besser: Letzte Woche sahen wir in Stuttgart Otto Dix’ „Großstadt“-Triptychon, dieses berühmte Dokument der frühen Jazz-Rezeption in Deutschland. Schauen Sie mal genau hin: Die Finger des Saxophonisten ruhen direkt auf den Klappendeckeln! So wäre aus dem Jazz nie was geworden. Rainer Wein |
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