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Jazzzeitung
2005/06 ::: seite 1
titelstory
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Aus den Angeboten der Musikgenres nimmt sich Colin Towns gerne, was
Bigbands einen unorthodoxen Jazzkick gibt. Der britische Film- und Theaterkomponist
hat keine Hemmungen, sich bei Rock, Pop oder Klassik zu bedienen, um dann
aus den Zutaten eigene Stilkonzepte zu entwickeln. Ebenso wenig hatte
sich auch das US-amerikanische Rockunikum Frank Zappa um Konventionen
gekümmert. Colin Towns hat aus dessen Repertoire „Hot Licks
(And Funny Smells)“ ausgewählt und als Zappalogie für
die NDR Bigband arrangiert.
Jazzzeitung: Sie haben schon mehrmals Material anderer
Popgruppen verarbeitet, warum nun Zappa-Songs?
Colin Towns: Vom NDR wurde ich gefragt, ob ich an einem
solchen Projekt interessiert sei, das dort schon seit längerer Zeit
in Planung war. Weil Frank Zappa so einzigartig war, habe ich über
die Schwierigkeiten nachgedacht.Wenn man zu viel von dem weg nimmt, was
Frank Zappa repräsentierte, entfernt man sich von seinen komplexen
Ideen. Schließlich wurde mir klar, dass es klappen kann, weil er
am Ende seines Lebens für große Formationen geschrieben hat.
Und es war die NDR Bigband, die Frank Zappas Musik feiern wollte. Deshalb
betrachtete ich das Projekt von diesem Blickwinkel. In anderen Worten:
was kann ich den Musikern überlassen, was wäre für sie
angemessen zu spielen, und was wäre gut für den Stil, in dem
Frank Zappa komponiert hat. Was man keinesfalls tun kann, ist seinen individuellen
Humor zu imitieren. Wenige können diese Art Humor spielen, und auf
CDs wirkt er selten. Deshalb musste ich sehr vorsichtig sein, sonst hätte
ich verpasst, was für Frank Zappa gültig war. Das war schwieriger
als alles, was ich bisher getan habe. Ich wollte keine simple Hommage
mit nachgespielten Songs bringen, sondern diese Musik als unverbraucht
vorstellen. So hat sich die NDR Bigband das Zappa-Universum angeeignet
und den bedeutenden Komponisten gewürdigt.
Jazzzeitung: Ihre Arrangements haben offenbar das satirische
Design der Zappa-Songs intensiviert, indem Sie die originalen Texturen
gedehnt oder gestaucht haben. War das Ihre Methode?
Towns: Frank Zappa hat alle möglichen Musikstile
erforscht und sie verwendet. Für ihn gab es keine Regeln. Als ich
einige seiner Songs betrachtete, dehnte ich sie, um herauszufinden, wie
die NDR Bigband damit arbeiten kann, denn wir konnten sie nicht so wiedergeben,
wie Frank Zappa sie notiert hatte. Man hat zu berücksichtigen, dass
da viel Energie drin ist, sonst versteht man diese Musik nicht. Ich habe
die Arrangements entsprechend meinen Gefühlen und mit Respekt vor
Frank Zappa geschrieben, aber so, dass sie jetzt zur Stilgarderobe der
NDR Bigband passen.
Jazzzeitung: Würden Sie Ihre Arbeit als Re-Komposition
oder Neu-Erfindung dieser Musik bezeichnen?
Towns: Für mich sind das keine Re-Kompositionen.
Ich habe diese Musik durch die Brille der NDR Musiker betrachtet und so
vielen Solisten wie möglich Gelegenheit gegeben, ihre eigenen Gefühle
darzustellen. Vorurteilen wie die Musik von Frank Zappa sei schmutzig
oder schlecht, habe ich versucht entgegen zu wirken. Wir haben uns schon
davon entfernt, was Zappa komponiert hat. Aber Zappa hat für sich
keine Regeln akzeptiert, warum hätten wir Regeln beachten sollen?
Ich denke, mit der NDR Bigband habe ich seine Musik neu entdeckt, und
wir waren überrascht, wie vielgestaltig sie ist.
Jazzzeitung: Es fällt auf, dass Sie die für
Zappa typischen Perkussionsparts kaum übernommen haben.
Towns: Ja, ich habe die Perkussionparts offen gelassen.
Ich möchte Musiker nicht in enge Jacketts pressen, insbesondere nicht
die Rhythmussektion.
Jazzzeitung: Haben Sie Frank Zappa jemals kennen gelernt?
Towns: Ich habe ihn nie getroffen. Bisher war ich auch
kein Zappa-Fan, weil ich mit so vielen anderen Projekten beschäftigt
war. Von Musikern aus den Niederlanden habe ich zunächst einiges
über seine Musik gehört. Dann haben Freunde in London mir viele
Informationen gegeben und mit mir zusammen Zappa-Filme angeschaut. Das
war für die Vorbereitung dieses Projektes nützlich. Besser ist
jedoch, wenn ich vorab nicht zuviel weiß und meine eigenen Gefühle
zur Musik entwickeln und damit etwas Eigenes machen kann. Gegen akademische
Übungen habe ich eine starke Abneigung. Sie wirken wie scholastische
Diskurse, die ich nicht studiert habe und die ich auch nicht studieren
möchte. Ich bleibe bei dem, was ich kann.
Hans-Dieter Grünefeld
Platten-Tipp
Colin Towns & NDR Bigband: Frank Zappa’s Hot Licks (And Funny
Smells)
Rent a dog rad 2007-2, AL!VE
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