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Jazzzeitung
2005/06 ::: seite 16
rezensionen
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Ted Gioia: The imperfect art Reflections on jazz and modern culture,
Oxford University Press, New York, 161 Seiten
Der Autor wirft einige Fragen auf, die selten gestellt werden, aber für
das Verständnis des Jazz wie für seine Zukunft wichtig sind.
Warum hat der „Mythos des Primitiven“ den Jazz so lange begleitet
? Hat er ihm geschadet ? (ich denke ja, und er tut es auch heute noch).
Sind große Jazzmusiker nur die, die als Romantiker dem individuellen
Exzess huldigen? Worin besteht eigentlich die Kommunikation zwischen Musiker
und Publikum? Was genau wird übertragen? Sind es Gefühle? Strukturen?
Ideen? Impulse? Gibt es eine Ästhetik des Jazz? Betrifft sie mehr
den Prozess des Spielens oder mehr das Ergebnis? Welche Rolle spielt Langeweile
im Jazz (eine merkwürdige Frage, mag mancher denken, aber der Autor
hat einiges dazu zu sagen)? Welche Bedeutung hatte der Gesang (welcher?)
bisher im Jazz. Es lohnt sich, darüber nachzudenken.
Gene Lees: Inventing Champagne – The worlds of Lerner and Loewe,
St. Martin’s Press, New York, 350 Seiten
Das Team Alan Jay Lerner (Textdichter/1918–86) und Frederick (Fritz)
Loewe (Komponist/1901–88) ist eines der letzten in der Reihe großer
amerikanischer Songteams wie George & Ira Gershwin, Rodgers &
Hart, Rodgers & Hammerstein… Wir verdanken ihnen unter anderem
die Musicals „Brigadoon“ (1947) und vor allem „My fair
lady“ (1956) und das Filmmusical „Gigi“ (1958). Lerner
schrieb außerdem das Libretto zu „An American in Paris“,
eines der besten Filmmusicals überhaupt.
Interessant ist, dass beide, obgleich unter den bedeutenden klassischen
amerikanischen Songschreibern „Spätgeborene“, weiter
vom Jazz weg waren als die meisten ihrer älteren Kollegen. Loewe
wurde in Berlin als Sohn des Operettentenors Edmund Loewe geboren und
kam 1923 mit seinem Vater in die USA, wo er nach dessen Tod blieb, sich
zunächst in allen möglichen Berufen durchschlug und erst Mitte
der 30er-Jahre begann, als Songkomponist allmählich Fuß zu
fassen. Lerner wuchs in New York auf als Sohn eines wohlhabenden Textilkaufmanns.
Beide lernten sich zufällig 1942 kennen; ihre Zusammenarbeit danach
dauerte mit Unterbrechungen bis 1972. Sie hatten in dieser Zeit auch andere
Partner, vor allem Lerner (Weill, Rodgers, Bernstein, Lane, Previn)
Gene Lees erzählt mit der bei ihm gewohnten Detailgenauigkeit;
manchmal übertreibt er sie etwas. Eine aufschlussreiche Lektüre,
bei der wir viel über das amerikanische Musik- und Theaterleben erfahren.
Leider gibt es für die vielen Zitate keinerlei Nachweise.
William McBrian: Cole Porter, Vintage Books, New York, 463 Seiten
Cole Porter (1891–1964) nimmt unter den großen Songkomponisten
des 20. Jahrhunderts eine Sonderstellung ein, denn er schrieb auch die
Texte selbst und was für welche: voller Sprachkunst, Anspielungen
und Witz. Von „Let’s do it“ (1928),. „What is
this thing called love“ (1929), „Love for Sale“ (1930),
„Night and Day“ (1932) über „Begin the Beguine“
(1935) und „I’ve got you under my skin“ (1936) reicht
die Palette seiner unsterblich gewordenen Melodien bis „You’d
be so nice to come home to“ (1942),“It’s alright with
me“ (1953) und „All of You“ (1954). Dabei war ihm dieser
Erfolg in keiner Weise in die Wiege gelegt worden. Aufgewachsen in einem
kleinen Ort im Staat Indiana stand er unter dem Druck seinen millionenschweren
Großvaters mütterlicherseits, dessen Geschäfte weiterzuführen.
Er entfloh dem schließlich 1917 nach Frankreich, als die USA in
den Ersten Weltkrieg eintraten (ob er damals auch kurze Zeit in der französischen
Fremdenlegion diente, lässt sich nicht mehr klären).
Er lebte bis 1937 vornehmlich in Paris, unterbrochen immer wieder durch
Reisen, nicht nur zurück in die USA, sondern auch in alle möglichen
Gegenden der Welt (besonders Venedig hatte es ihm angetan).1937 ereilte
ihn ein schwerer Reitunfall, an dessen Folgen er zeitlebens litt. Der
Autor – Englischprofessor an der Hofstra Universität –
hat das Leben Cole Porters sehr gründlich recherchiert und auch seinen
vielen Amouren reichlich Platz eingeräumt. Songtexte werden häufig
zitiert und analysiert, aber leider die Musik gar nicht. Warum hat der
Verlag hierfür nicht in einem Anhang einen geeigneten zweiten Autor
herangezogen? Ein großes Manko dieses ansonsten vorzüglichen
Buches. Leider vermisst man auch ein komprimiertes Werk- und CD-Verzeichnis.
Joe Viera
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