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Er gilt als einer der vielseitigsten Bassisten der Szene, spielt in verschiedensten Kontexten, nahezu omnipräsent, zumal im süddeutschen Raum. Der gebürtige Berliner Henning Sieverts lebt seit 1985 in München, wo er seinerzeit ein komplettes Journalistikstudium durchzog, obwohl ihm ein Studienplatz für Cello schon sicher war. Als freier Mitarbeiter des BR ist ihm die journalistische Ausbildung auch heute noch von Nutzen. Aber die von Kindheit an gepflegte Liebe zur Musik, die ihm als Schüler bereits diverse Preise in Kompositionswettbewerben einbrachte, zog ihn schon während des Studiums wieder in ihren Bann, die Münchener Szene nahm ihn mit offenen Armen auf, ohne ihn bis heute wieder loslassen zu wollen. Unter dem – gar nicht so geheimnisvollen – Titel „Hidden C“ (Intuition INT 3380 2) legt Henning Sieverts nun gemeinsam mit Matthias Nadolny, ts, Peter O’Mara, g, Glauco Venier, p, John Hollenbeck, dr, und – in drei Stücken – der römischen Sängerin Maria Pia de Vito eine betont melodiöse neue CD vor. Eine Präsentationstournee ist gerade abgeschlossen, eine weitere für November in Planung. Durchwebt und zusammengehalten vom roten Faden der sechs Miniaturen über das „Hidden C“ schlägt die CD einen weiten Bogen biographischer und geographischer musikalischer Impressionen, die ihre Schönheit in traumwandlerischer atmosphärischer Balance mehr und mehr entfaltet. Henning Sieverts zu den Themen
• Vielseitigkeit: Es gibt in vielen Hochschulen das Motto: „Du musst alles können, damit du irgendwie durchkommst als Profi.“ Das finde ich Quatsch. Ich will nicht unbedingt der Tausendsassa sein, der alles kann von Funk bis sonst wohin. Das Wichtigste ist, dass man nur die Musik spielt, die man wirklich liebt. Und ich liebe ganz unterschiedliche Musik: Mainstream, Modern Jazz, aber auch die Freie Improvisation. Manche Leute haben Probleme damit, weil sie mich dann nicht richtig einordnen können. Die wollen dann ‘ne Schublade aufmachen, das geht aber nicht. • Flexibilität: Wenn ich zum Beispiel mit Don Menza spiele – der fällt mir gerade als Beispiel ein, weil er wirklich ganz klassisch Hardbop spielt – oder als ich noch mit der RIAS-Big-Band gespielt habe, bevor die aufgelöst wurde, oder in anderen Big-Bands, das ist wie in der klassischen Musik, wenn man zum Beispiel Bach spielt: Da kommt’s darauf an, dass man sich auf diese bestimmte Stilistik einlässt. Das macht mir wirklich Spaß. Das ist natürlich ganz anders, als wenn ich etwa mit Rudi Mahall spiele. • Klassische Ausbildung: Rein technisch hat man eine gute Grundlage. Es hilft aber auch beim Hören. Ich habe ja mit dem Cello angefangen, vor allem die Bach-Solo-Suiten intensiv studiert, hab’ die sogar auswendig im Konzert gespielt. Das ist super anstrengend, aber es schult enorm – das Gehör, die Konzentrationsfähigkeit, melodisches Gedächtnis und was sonst noch. Da gibt’s bestimmte Weichenstellungen, wo’s so ähnlich klingt, aber dann geht’s anders weiter. Das gibt es analog natürlich auch im Jazz, zum Beispiel wenn man Standards spielt. Da sind dann auch häufig gewisse Weichenstellungen, die in eine neue Richtung deuten. • Cello: Als ich auf den Bass umgestiegen bin, habe ich das Cello ein paar Jahre gar nicht gespielt. Seit etwa zehn Jahren setze ich es wieder regelmäßig ein. Ich spiele insgesamt deutlich mehr Bass als Cello, aber ich liebe auch das Cello, seinen wunderschönen Klang. Mich reizen die verschiedenen Klangfarben, das Cello ist eine sehr schöne Klangergänzung zum Bass. Ich spiele es auch nach wie vor in Quintenstimmung – Oscar Pettiford hat es ja damals auf Quarten umgestimmt – und das hat den Vorteil, dass ich am Cello Sachen spielen kann, die am Bass gar nicht gehen, zum Beispiel akkordisch begleiten, wie das ja auch Ernst Reijseger macht. • „Hidden C“: Es gab Leute, die meinten, das C steht für Cello, weil das Cello auf der CD so selten vorkommt. Aber es ist eigentlich ganz simpel die Insel Hiddensee gemeint. Ein großer Teil der Musik auf der CD ist dort entstanden, speziell die Miniaturen, die ja alle „Hidden C“ heißen. Das ist eigentlich eine ganz klassische Zwölftonreihe, die aber bewusst nicht abstrakt atonal, sondern tonal klingt, gleichzeitig zwölftönig ist. Die verwende ich in den Miniaturen mal als Kanon, mal als Schleife, in verschiedenen Höhen und so weiter. Von den Umrissen her sieht die Insel ja wie ein Seepferdchen aus, ein Stück heißt auch „Little Seahorse“, das wollte ich unbedingt auf der CD haben, obwohl es schon ein älteres Stück ist, für meine zweite Tochter geschrieben, als die noch im Bauch war. So kam Eins zum Andern. Ironischer Weise fange ich die CD dann mit einem tiefen C an. • Komponieren: Ich habe als Schüler schon angefangen, habe auch schon ein Streichquartett oder Orchesterstücke geschrieben, auskomponierte Werke. Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich das gern intensivieren. Auch in den Bands, in denen ich mitspiele, trage ich immer Kompositionen bei. Die CD „Hidden C“ repräsentiert einen Teil meines Spektrums, die zarte lyrische Seite, die mir sehr am Herzen liegt. Ich habe aber auch schon andere Sachen gemacht, die Goldfischgesänge zum Beispiel, die sind vom Charakter her freier improvisiert, eher avantgardistisch. Dann gibt es eine Suite über Venedig, die habe ich mit Pietro Tonolo aufgenommen, einem venezianischen Saxophonisten. Was mich reizt, ist die eher kleine Form, die bewusste Reduktion, nicht simpel, aber bewusst konzentriert auf wenige Stimmen. Tobias Böcker |
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