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Lil Hardin war nicht nur eine der ersten bedeutenden Pianistinnen, Komponistinnen und Bandleaderinnen in der Frühzeit des Jazz, sie war auch der Motor hinter der Karriere des jungen Louis Armstrong. Als Kind spielte die Halbweise Orgel in der Kirche. Klassisch ausgebildet, verdiente Lil sich ihre ersten Sporen, indem sie in einem Musikaliengeschäft Klavier und Noten vorführte. An diesem Klavier kam es auch einmal zum Kräftemessen mit Jelly Roll Morton. Trotz familiären Vetos kam ihre Neigung zum Jazz zum Durchbruch. Sie spielte im Chicago der 20er-Jahre in verschiedenen Bands, bei Sugar Johnny, Freddie Keppard und vor allem King Oliver. In seiner Band lernte sie den jungen Louis Armstrong kennen, dessen rundliche Gestalt und eigenwillige Frisur sie zunächst belächelte. Das musikalische Talent des Mannes, der offiziell nur zweiter Kornettist der Band war, beeindruckte sie freilich. Oliver fürchtete von seinem hochtalentierten Schützling ausgestochen zu werden; daher wollte er seinen potentiell größten Konkurrenten lieber in seiner eigenen Band wissen. Doch Lil Hardin, die Armstrong im Februar 1924 heiratete, stachelte Armstrongs Ehrgeiz an und er verließ Olivers Creole Jazzband, bei der er an der Seite von Lil Hardin seine ersten Aufnahmen gemacht hatte. Einige der Stücke hatte sie komponiert. Sie war drei Jahre älter, konnte mit dem Notenpapier besser umgehen und war sicher maßgeblich daran beteiligt, den an manchen Stellen noch rohen Diamanten so zu schleifen, dass sein Glanz weltweite Berühmtheit erlangen sollte. Nun spielte Satchmo als laut Plakat „weltbester Jazz-Kornettist“ kurzzeitig in Lils Band.„Sie hat ihn zu größerem und Besserem inspiriert“, erinnerte sich Preston Jackson. Daneben schribe sie ihrem Mann Stücke wie „My Heart“ auf den Leib. Auf diese Weise wirkte sie bei den wegweisenden Aufnahmen mit den Hot Five, Hot Seven und Lil’s Hot Shots mit, bevor Earl Hines eine Zeitlang zum bedeutenden Pianisten an Satchmos Seite wurde. Sie überwachte seine Karriere bis ins Detail. Spielte ein Trompeter im Lokal nebenan hohe es, dann setzte sie ihn auf hohe fs an. „Ich stand am Fuß der Leiter, hielt sie fest und sah ihn nach oben klettern“, resümierte sie ihre Rolle. Die Ehe war nicht lange glücklich und wurde 1938, nach sechs Jahren Trennung, geschieden. In einer LP mit dem Titel „Satchmo and Me“ hat sie später ihre ganze Jugend- und Ehezeit bis zum Jahr 1932 erzählt. In den folgenden Jahren konnte sie trotz zahlreicher Aufnahmen und Rundfunkauftritte nicht immer an die frühen Erfolge anknüpfen. Ihre Band der frühen 30er-Jahre, die sie mit dem Taktstock leitete, wurde auf Plakaten leider vermarktet als die der „Mrs. Louis Armstrong“, mit kleingedrucktem Mrs., was zu Verwechslungen des Trompeters Jonah Jones mit Satchmo führte. Später trat sie in Chicago oft als Solopianistin und Sängerin auf. Doch auch mit Jazz-fernen Berufen, sie unterrichtete Französisch und entwarf Kleider – hat sie ihre Brötchen verdient. Viele ihrer Stücke wurden bekannt, nicht nur in Interpretationen mit Satchmo. So hat auch Ray Charles ihr „Just For A Thrill“ aufgenommen. „Ich bin zum Swingen geboren, das ist alles“ hat sie einmal bekundet. Ihre Musik wäre es wert, um ihrer selbst willen gehört zu werden. Doch leider stand sie noch im Tod unter dem übermächtigen Schatten des Mannes, dessen Karriere sie mitgeformt hat. Sie starb einen Monat nach Louis Armstrong, als sie an einem Gedächtniskonzert für ihn teilnahm. Marcus A. Woelfle |
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